Viele Handelsstufen
Mit der „Full Craftmanship Journey“ reagiert das über 180 Jahre alte Unternehmen auf den seit Jahren zunehmenden Druck seitens der Kundschaft nach detaillierten Informationen über die Herkunft ihrer Preziosen. Tief sitzen nach wie vor die Eindrücke aus Hollywood-Blockbustern wie „Blood Diamonds“ und zahlreichen Dokumentationen.
Zwar wurde vor bald 20 Jahren der Kimberley Prozess verabschiedet, der den Handel mit sogenannten Blutdiamanten zur Finanzierung von Kriegen in Afrika so gut wie unterbindet. Immer wieder wird jedoch kritisiert, dass Menschenrechte und Nachhaltigkeit nicht ausreichend berücksichtigt werden. Aus welchem Land ihre Diamanten stammen, können nach sieben bis acht Handelsstufen bis heute nicht einmal die renommiertesten Juweliere angeben. Tiffany und Co. vermag dies als weltweit erster.
Vertrauen gewinnen
Doch auch der Rest der Branche schläft nicht. „Ich habe bereits vor vielen Jahren gesagt, dass die Rückverfolgbarkeit eines Diamanten irgendwann das schlagende Verkaufsargument sein wird“, sagt Stefan Nikl, Präsident des Diamant-Club Wien, im KURIER-Gespräch. „Es gibt einfach viele Groß- und Zwischenhändler als auch Schürfer.“ Der Diamantproduzent DeBeers hat deshalb das Pilotprojekt Gem Fair mit dem Ziel ethisch korrekt gewonnener Diamanten gestartet. Nikl arbeitet für seine Stücke mit einem privaten Initiator eng zusammen, um größtmögliche Nachhaltigkeit zu gewährleisten.
Die Nachfrage nach der Rückverfolgbarkeit von Diamanten habe laut Nikl in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. „Vor allem bei jüngerer Kundschaft“, weiß der Wiener Juwelier. Diese dürfte wohl auch bei Tiffanys Bestrebungen eine entscheidende Rolle gespielt haben, weil für jüngere Generationen ökologische Aspekte immer wichtiger werden. Es gilt, deren Vertrauen zu gewinnen. Denn sie könnten sich einem Alternativprodukt zuwenden: Diamanten aus dem Labor.
Seit einigen Jahren sind die zu den natürlichen Funden chemisch identen Edelsteine (mehr dazu siehe Faktenleiste) nun auf dem Schmuckmarkt. Das größte Verkaufsargument: Sorgen um Auswirkungen auf Umwelt und Arbeiter bleiben erspart. Laut einer Umfrage des US-Marktforschers MVI aus dem Jahr 2018 ziehen 70 Prozent der Millennials (zwischen 1981 und 1998 Geborene) beim Kauf eines Verlobungsrings Diamanten aus dem Labor in Betracht. Tiffanys klar zurückverfolgbare Diamanten könnten diese Entscheidung revidieren.
Konkurrenz aus Labor
Die meisten Marken entscheiden sich entweder für das eine oder das andere: Kaum jemand bietet sowohl natürliche als auch im Labor hergestellte Diamanten in seinen Kollektionen an. Leo Eberlin hat sich ganz bewusst für beide Varianten entschieden.
Acht Jahre verkauft die Deutsche nun unter dem Namen Leo Mathild erfolgreich Diamantschmuck – der Löwenanteil des Umsatzes entfällt auf Verlobungsringe. Seit 2019 können sich Kunden für Stücke aus der Unterlinie LM Studios entscheiden, bei der im Gegensatz zur Hauptkollektion nur Lab Grown Diamonds zum Einsatz kommen. „Ich empfand es als natürlichen Impuls, mit der Zeit zu gehen“, erklärt die Unternehmerin ihre Entscheidung, mit beidem zu arbeiten. „Warum auch nicht? Labordiamanten haben viele Vorteile für den Kunden. Manchmal muss man sich etwas Neues trauen.“
Sie sei selbst überrascht gewesen, wie schnell die neue Produktkategorie angenommen wurde. „LM Studio war zunächst die kleine Schwester von Leo Mathild. Aber wenn wir ehrlich sind und nach unserer internen Statistik gehen, wird sie ganz bald schon den größeren Anteil ausmachen.“ Sie stelle fest, dass die Kundschaft bei Labordiamanten deutlich jünger ist. „Weil sie auf andere Dinge Wert legt. Und das sind Umwelt und Anschaffungspreis.“
Zukunftsträchtig
Von Maschinen statt der Natur kreierte Edelsteine sind in der Anschaffung nämlich deutlich preisgünstiger. Zum Vergleich: Kosten einkarätige Ohrringe von Leo Mathilds Hauptkollektion 22.500 Euro, schlagen sie in der Version mit Labordiamanten mit 8.900 Euro zu Buche.
Ihr Kerngeschäft nur noch auf die preiswerteren Stücke auszurichten, kommt für die deutsche Schmuckdesignerin derzeit jedoch noch nicht infrage: „Beide Arten von Kunden haben verschiedene Prioritäten.“ Jedoch ist sich Leo Eberlin sicher, dass sich auf diesem Gebiet noch viel verändern wird. „Ich denke, dass es sich in Zukunft mehr in Richtung Laborstein entwickeln wird. Und ich wäre bereit, mich auch immer mehr dahin mitzuentwickeln.“
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