Rote Handzeichen gegen Kindersoldaten

Rote Handzeichen gegen Kindersoldaten
Keine fünf Jahre, von zu Hause verschleppt und zum Soldaten-Dasein gezwungen - Ausstellung über Kinder als Opfer in Kriegen
Rote Handzeichen gegen Kindersoldaten
Viele kleine Fähnchen mit roten Händen als deutliches „Stopp“-Schilder stecken im Schnee vor dem Haupteingang zum Heeresgeschichtlichen Museum auf dem Gelände des Wiener Arsenal. Gebastelt wurden sie von Kindern am Aktionstag – gegen Kindersoldaten. Es soll ein (kleiner) Beitrag dazu sein, dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten, dass schon ganz jungen Buben, aber auch Mädchen ihre Kindheit geraubt wird und sie zum Soldaten-Dasein gezwungen werden. Das Museum, das die Geschichte von Militär und Waffen zeigt, will damit nicht zuletzt zeigen, wie grausam Kriege sind. Bis 4. März läuft im ersten Raum (wieder) eine Sonderausstellung zum Thema Kindersoldaten – Dokumentarfotos und nicht zuletzt drei Zeichnungen von Kindern. In einem anderen Bereich der Ausstellung zwischen 1. und 2. Weltkrieg läuft ein Video mit Interviews mit jungen überlebenden Opfern des Krieges vor allem in Sarajevo.

Infos aus erstem Mund

Einige Tage lang standen den jungen Besucher_innen der Ausstellung auch zwei Zeitzeug_innen für Gespräche zur Verfügung: Zlata Filipović, die als Kind im Krieg im ehemaligen Jugoslawien zwei Jahre lang (von April 1992 bis 1994) in der belagerten Stadt Sarajevo gelebt hat. Der zweite ist John Kon Kelei, der als sehr junges Kind im Südsudan entführt und zum Soldatendasein gezwungen wurde.

Stimmen junger Besucher_innen

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Nicole Krenn,Katrin Frühaus undTamara Milosavljević aus der2. Klasse der Berufsschule für Verwaltungsberufe in Wien, die der Kinder-KURIER beim eigenen Lokalaugenschein im HGM trifft, erzählen dem KiKu nach ihrem Rundgang in der Ausstellung und ihrer Diskussionsrunde mit Zlata Filipović über ihre Eindrücke. Und die waren einerseits bedrückend, andererseits aber auch sehr berührend, „weil es toll war, mit Menschen reden zu können, die das echt erlebt haben“. Deshalb sei dieser Besuch „überhaupt das interessanteste Museum, in dem wir bisher waren“ gewesen. „Es ist sehr schrecklich, dass sogar so junge Menschen schon so Grausames erleben mussten und immer wieder auch müssen“. „Und dass sie dann so einfach darüber erzählen können, dazu gehört schon viel Kraft und Mut, Respekt!“

„Irgendwie hat man ja schon vorher auch davon gehört, aber so viel haben wir nicht gewusst. Und außerdem ist es dann schon noch einmal etwas anderes, wenn du dann wen vor dir hast, die das echt erleiden musste. Das war schon auch schockierend. Und du fühlst dich dann doch richtig machtlos. So was aufzuhalten ist nicht leicht.“

„Außerdem ist das ja alles völlig sinnlos und unnötig, wir können nur froh sein, dass wir in einer Gegend leben, wo’s schon mehr als halbwegs harmonisch zugeht!“

Facts & Infos

Rote Handzeichen gegen Kindersoldaten
* 250.000 Kindersoldaten weltweit
* 2 Millionen Kinder in Kriegen getötet
* 6 Millionen Kinder durch Kriege dauerhaft körperlich behindert

Kindersoldaten, Ausstellung von Leora Kahn
Bis 3. März
HeeresGeschichtliches Museum, 1032 Wien, Gheagastraße, Objekt 1

www.hgm.or.at

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„Eine ältere Schülerin hatte ein Tagebuch. Und das war sehr cool. Als ich ungefähr 8 oder 9 war, hab ich auch eines gekriegt und begonnen Tagebuch zu schreiben“, beginntZlata Filipovićim Rahmen der Ausstellung über Kindersoldaten im Heeresgeschichtlichen Museum (HGM) in Wien zu erzählen. „Es war aber ziemlich langweilig, Sätze die ungefähr nur aussagten wie eh alles gut oder so. Und dann war von einem Tag auf den anderen alles anders. Aber nicht nur für mich kam der Krieg überraschend, auch meine Eltern hatte nicht im Geringsten damit gerechnet. Von einem Tag auf den anderen war das Leben ganz, ganz anders. Sarajevo war von den Bergen, die ringsum sind und vorher schöne Ausflugsziele warn, belagert.“

Bald waren die wichtigsten Versorgungsleitungen zerstört. „Wir hatten keinen Strom, kein Gas, kein Wasser. Wasser zu holen war aber sehr gefährlich, viele sind dabei durch Schüsse von den Bergen getötet worden. Bei Fliegerangriffen mussten wir in die Keller, um Schutz zu finden. Dort konntest du nichts machen, nur warten.“

Kein Futter für den Vogel

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Rund zwei Jahre – von 11 bis 13 – lebte Zlata Filipović mit ihrer Familie und anfangs auch noch einem gelben Kanarienvogel in der belagerten Stadt, „aber es gab kein Futter für ihn und außerdem war’s viel zu kalt für ihn, wir konnten ja nicht heizen“, erinnert sie sich traurig daran, dass er gestorben ist.

Auf die plötzlich spannenderen Einträge in ihrem Tagebuch hätte sie gern verzichten können, wenngleich die ihr und ihren Eltern das Entkommen aus dem Krieg ermöglichten. Journalisten aus Frankreich suchten nach Tagebüchern von Kindern, die die Schrecken des Krieges erzählen. Meines wählten sie dann aus – und dafür halfen sie unserer Familie raus zu kommen, Wir lebten dann zuerst in Frankreich, bevor wir nach Irland übersiedelten.“

In Dublin lebt sie heute noch – als Dokumentarfilmerin, kommt aber seit bald nach dem Krieg möglichste jedes Jahr mindestens einmal nach Sarajevo, „wo viele Verwandte und Freundinnen und von mir leben“.

Immer mehr Zivilisten als Kriegsopfer

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Nicht zuletzt die kriegerischen Auseinandersetzungen im vormaligen Jugoslawien zeigten die neuen Dimensionen: War im zweiten Weltkrieg jedes zweite Opfer eine Zivilistin/ein Zivilist (also Nicht-Soldaten), so waren hier – und in den meisten Kriegen heute – neun von zehn Toten KEINE Soldaten.
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Wie alt, viel mehr jung er genau gewesen ist, das weiß John Kon Kelei gar nicht mehr. „Ich wurde entführt, als ich so irgendwas zwischen vier und fünf Jahren war. Ich kam in ein Camp mit vielen anderen Kindern. Und dachte eigentlich, dass ich am Abend wieder zu meiner Familie gebracht würde. Das war aber nicht so. Da war ich dann ganz traurig und trotz der vielen anderen Kinder fühlte ich mich einsam und verlassen. Wir wurden zum Soldaten-Dasein gezwungen, mit zehn hatte ich das Glück flüchten zu können. Ja, du bist nach diesen Jahren in Uniform und Drill kein Kind mehr, du bist schon sehr erwachsen. Ich konnte in die Hauptstadt Khartum entkommen und dort dann in eine Schule gehen. Später konnte ich in die Niederlande kommen.“

Hilfsorganisation und Schule gegründet

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Dort studierte er Jus, machte seinen Master im internationale europäischem Recht und gründete – gemeinsam mit Zlata Filipović und Ismael Beah, der Kindersoldat in Sierra Leone (Afrika) war, die Hilfsorganisation NYPAW (Network of Young People Affected by War – Netzwerk junger Leute, die Opfer von Kriegen wurden). John Kon Kelei gründete außerdem die Cuey Machar Secondary School Foundation im neuen Staat Süd-Sudan. „Ich hab die Chance auf höhere Schulbildung gehabt und so wollte ich helfen, dass in meiner Heimat auch andere Kinder mehr lernen können – das ist für sie gut, aber auch für die Entwicklung unseres jungen Staates.“

Auf der Homepage zu diesem Projekt zitiert er ein sudanesisches Sprichwort: „Gib einem hungrigen Menschen heute zu essen, er wird morgen wieder hungrig sein. Lehre ihn zu fischen und er kann auch morgen essen, aber schaffe Bildung für seine Kinder – dann hast du ihm eine Zukunft gegeben!“

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