Von Kinderrechten, Ängsten und Zivilcourage

Jugendliche im Gespräch mit Tony Spielmann, dem Cousin von Hans Georg Friedmann
Projekt zweier Klassen einer Wiener Berufsschule baut Brücken von der Vergangenheit in die Gegenwart - von Janusz Korczak und Hans Georg Friedmann zu hier und heute.

„Intelligenz bezieht sich nicht immer nur auf die Schule, man kann in so vielen Dingen intelligent sein die nichts mit Mathe oder einem anderen Schulfach zu tun haben.“ Diesen Satz schrieb eine Schülerin aus den ersten Klasse der Berufsschule Embelgasse (Wien, für Verwaltungsberufe und Bürokaufleute der Stadt Wien und Stadt-wien-naher Betriebe) im Rahmen eines über mehrere Monate gehenden spannenden Geschichtsprojekts mit dem Titel „Participation through Information“ – also Beteiligung durch Information. Ein bisschen „sophisticated“ hatten sie daraus die Abkürzung PI abgeleitet – und diese wiederum mit der sogenannten Kreiszahl π (griechischer Buchstabe – Pi; das Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser) verknüpft, die unendlich viele Stellen nach dem Komma hat (3,1415926....) Nix steht sozusagen für sich allein, alles ist mit allem verbunden und Bildung ein unendlich weitergehender Prozess – so der Gedanken hinter dieser Verknüpfung zur mathematischen Zahl.

Von Korczak bis Friedmann

Von Kinderrechten, Ängsten und Zivilcourage
Drei Schülerinnen und ein Schüler präsentieren PowerPoint-Folien über das Projekt - für die Mitschüler_innen und Gäste
In Deutsch und Kommunikation hatten sich die Schülerinnen und Schüler der 1c und der 1e zum einen mit Janusz Korczak, dem polnischen Arzt und Pädagogen, bekannt als „Vater“ der Kinderrechte sowie mit Hans Georg Friedmann beschäftigt. Der war – 1929 geboren - als Kind in Wien-Hietzing aufgewachsen, musste mit seinen Eltern die Wohnung verlassen und wurde in eine sogenannte Sammelwohnung in einquartiert. Mutter und Schwester wurden in der Folge im Konzentrationslager der Nazis in Auschwitz, er und sein Vater in einem Nebenlager von Dachau ermordet.

Sich weit weg geträumt

In der Zeit in der Sammelwohnung, einer Art Inhaftierung vor dem Abtransport in die KZ, träumte sich Hans Georg Friedmann in andere Welten und ließ seine erfundenen Figuren rund um Detektiv Tom Lasker abenteuerliche Kriminalgeschichten erleben. Von einigen davon ausgehend hatten schon vor zwei Jahren Jugendliche dieser Berufsschulen eigene Krimis, meist mit darin „verpackten“ Sozialreportagen, verfasst – siehe KiKu-Story „Der alte Mann und die jungen Geschichten“ - Link unten.

Die nunmehrigen Schüler_innen und ihre Lehrkräfte wurden durch einen Besuch der Ausstellung über Janusz Korczak im Wiener Stadtschulrat angespitzt, sich mehr mit Kinderrechten – und der Zeit der tödlichen Verfolgung von Minderheiten und der Diktatur der Nazis auseinander zu setzen.

Nina Matiasovits, Michelle Kurija, Lea Köstenbaumer und Florian Leberzipf aus den beiden genannten Klassen stellten übersichtlich die Stationen des Projekts vor – vom Besuch der besagten Ausstellung über einen Rundgang im 1. und 9. Bezirk mit Guides des Mauthausen Komitees. Vor allem aber widmeten sie sich der Beschäftigung mit dem Leben des jungen Krimiautors: „Die Krimis von Hans Georg Friedmann: Der Tod hat nicht das letzte Wort – Tom Lasker“. Für den Buben war das eine Möglichkeit zumindest im Schreiben eine Stimme zu haben.

Original-Dokumente

Von Kinderrechten, Ängsten und Zivilcourage
Drei Schülerinnen und ein Schüler präsentieren PowerPoint-Folien, hier ein Schulzeugnis von Hans Georg Friedmann, sein letztes.
Dank der Hilfe engagierter Erwachsener wie Heide Manhartsberger und Wolfgang Zuleger, der im Staatsarchiv Unterlagen über die Familie Friedmann aufstöberte, stießen sie auf Hans Georgs letzten Schulzeugnis aus dem Gymnasium Fichtnergasse, Urkunden, die belegen, dass seinem Vater die Trikot-Fabrik weggenommen wurde – wie den meisten Jüdinnen und Juden.

Die Jugendlichen blieben aber nicht in der Geschichte hängen, sie schlugen auch Brücken zum hier und jetzt – unter anderem in einem Schreib-workshop mit der bekannten Kinder- und Jugendbuchautorin Renate Welsh-Rabady. Thema dabei war: „Von der Angst zur Zivilcourage“. Die vier jugendlichen Präsentator_innen nannten als dabei von den Schüler_innen genannte Ängste: Lügen, Hornissen, Clowns, Puppen, Verluste, Versagen, AusbildnerInnen, unberechenbare fremde Menschen, Terroranschläge, Schularbeiten, Hunde, Höhen, Dunkelheit und schließlich Einsamkeit.

Brückenschläge zu heute

Von Kinderrechten, Ängsten und Zivilcourage
Die beiden Klassen mit der Autorin Renate Welsh-Rabady
Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten, mit sich und anderen, erkennen, dass jeder Mensch,. Auch wenn er noch so jung ist, schon ein ganzer Mensch mit eigenen Rechten ist, den Mund aufmachen, wenn jemandem Unrecht angetan wird... oder die Tatsache, dass auch heute wieder nicht wenige nach einem „starken Mann“ rufen, solche Typen das Blaue vom Himmel versprechen und meinen, dafür müssten aber so manche Gruppen von Menschen einfach weg. All das war Teil des Projekts.

Das schon erwähnte präsentations-Quartett zitierte u.a. zwei für sie und ihre Kolleg_innen wichtige Zitate von Janusz Korczak, „einem moderner Pädagogen, der seine Schützlinge so sehr liebte, dass er mit ihnen in die Gaskammer ging“: „Kinder sind nicht dümmer als Erwachsene. Sie haben nur weniger Erfahrung“ sowie „Wie soll das Kind morgen leben können, wenn wir ihm heute kein bewusstes, verantwortungsvolles Leben ermöglichen?“

Kinder: Klug und ehrlich

Gerade diese beiden dürften auch jene Schülerin, die nicht genannt werden will, angeregt haben, deren Satz zu Beginn dieses Berichts zitiert ist. Hier noch einige Sätze ihres Beitrags, der im Rahmen des Projekts entstanden ist:

Von Kinderrechten, Ängsten und Zivilcourage
Karl Garnitschnig, Toni Spielmann, Heide Manhartsberger, Michelle Kurija, Nina Matiasovits, Renate Welsh-Rabady, Florian Leberzipf, Lea Köstenbaumer, Wolfgang Zuleger, Michaela Fricek,
„Kinder werden geboren und in ihren Gehirnen ist noch nicht so viel Wissen drinnen wie bei einem Erwachsenen, jedoch sind Kinder deshalb nicht gleich dumm. Kinder sind meiner Meinung nach sehr kluge, und vor allem sehr ehrliche Menschen! Da gibt es auch so einen tollen Spruch: Wenn ein kleines Kind dir sagt, dass du gemein und hinterfotzig bist, dann musst du es wirklich sein!

Ich finde als eine erwachsene Person oder sogar als Mutter oder Vater darfst du ein/dein Kind nicht als naiv oder dumm ansehen, sondern als sehr intelligent und ehrlich. ...Man muss nur an diesen kleinen Menschen glauben und ihm zeigen – Mama, Papa oder ein Erzieher: Ich bin richtig stolz auf dich und werde es immer sein.“ Und dann folgt als Schluss der erste Satz dieses Artikels: „Intelligenz bezieht sich nicht immer nur auf die Schule, man kann in so vielen Dingen intelligent sein die nichts mit Mathe oder einem anderen Schulfach zu tun haben.“

Links zu den schon erwähnten anderen Beiträgen

Der alte Mann und die jungen Geschichten
Wiener Bub schrieb Krimis. Er und seine Familie kamen in KZ um. Seine Geschichten überlebten. Jugendliche einer Wiener Berufsschule nahmen sie zum Anlass für eigene Texte.
https://kurier.at/leben/kiku/berufsschule-der-alte-mann-und-die-jungen-geschichten/126.625.156

Recht des Kindes so zu sein, wie es ist!
Ausstellung über den „Vater“ der Kinderrechte, Janusz Korczak, im Wiener Stadtschulrat. Eröffnung mit singenden Kindern der einzigen nach ihm benannten Schule Österreichs.
https://kurier.at/leben/kiku/janusz-korczak-recht-des-kindes-so-zu-sein-wie-es-ist/240.104.627

Und hier zu einer Ausstellung mit vergrößerten Seiten aus Krimis von Hans Georg Friedmann, die in der Volkshochschule Hietzing erarbeitet wurde und nun auch in der Berufsschule Embelgasse zu sehen ist: http://www.erinnern.at/bundeslaender/wien/termine/der-tod-hat-nicht-das-letzte-wort

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