Katzenzungen und Co: Wie Österreichs süße Klassiker entstanden

Katzenzungen und Co: Wie Österreichs süße Klassiker entstanden
Bei der Entstehung heutiger Traditionsnaschwaren spielte oft der Zufall mit.

Diese Geschichte muss mit einer Entschuldigung beginnen. Man kann es nie allen recht machen, wenn es um die Lieblingsnascherei mit langer Tradition geht. Überhaupt, wenn damit besondere Kindheitserinnerungen verbunden sind. Und wenn beim Gespräch über die eine oder andere Süßware auch ältere Semester glänzende Augen kriegen, überrascht doch die Fülle der österreichischen Produkte, die bereits viele Jahrzehnte überdauert haben und damit schon irgendwie zur heimischen Identität gehören.

Mannerschnitten erfreuen seit 1898, Küfferle Katzenzungen laut eigenen Angaben gar schon seit 1892 die österreichischen Naschkatzen. Und auch das Schichtnougat Ildefonso wurde bereits 1880 erfunden. Da erscheinen andere fast als Jungspunde, dabei kratzen süße Snacks wie die Tortenecken und Baumstämme von Auer und Blaschkes Kokoskuppeln ebenfalls an der Hundertermarke.

Bruch-Verwertung

Rudolf Auer dürfte ein sparsamer Mensch gewesen sein. Dem Wiener Konditor widerstrebte es anno 1920, seine zu Bruch gegangenen Oblatentorten zu entsorgen. Stattdessen verkaufte er sie als Tortenbruch. Und zwar so erfolgreich, dass er sie schließlich unter dem Namen „Tortenecken“ in sein ständiges Sortiment aufnahm. Schon bald nannte er seine Zufallserfindung „Auer Tortenecken“ und unter diesem Namen gehören sie noch heute zu den Traditionssüßwaren der Österreicher.

Missgeschicke und Zufälle waren öfters Helfer. Dass etwa die Blaschke Kokoskuppeln so sind, wie sie eben sind, verdanken wir nicht nur einer Vertreterin, die sich die Kokosbusserln des Wiener Konditors Johann Blaschke 1921 in Schokolade getunkt wünschte. Blaschke tunkte also, fügte aber noch einen Oblatenboden dazu, damit die Standfläche schön eben wurde. Dann sorgte ein zu groß geratenes Kokosbusserl für Blaschkes Königsidee: Er füllte das getunkte Busserl mit einer Schokocreme.

Tradition muss bleiben

99 Jahre Auer Tortenecken, 98 Jahre Blaschke Kokoskuppeln und 70 Jahre Auer Baumstämme, die Herr Auer 1949 dann kreierte: Mit so einer langen Geschichte hat man sich schon einen Platz erarbeitet. Wenn auch die Süßwarenregale der Supermärkte mit vielen anderen Süßigkeiten gefüllt sind: Der Aufschrei, wenn Klassiker verschwinden, ist enorm. Das war zuletzt 2013 bei der angekündigten Einstellung der Niemetz Schwedenbomben zu erleben. Samt Jubel, als der Schweizer Süßwarenhersteller „Heidi Chocolat“ übernahm.

Bei Tortenecken, Kokoskuppeln und Baumstämmen ist diese Gefahr gering. „Sie sind alle Traditionsmarken“, sagt Walter Scherb jun., und die müsse man pflegen. Mit Jahrgang 1989 ist der Geschäftsführer der Spitz AG, zu der die Marken Auer und Blaschke heute gehören, deutlich jünger als seine Produkte.

Wie man Traditionsmarken so lange am Leben erhält? Für ihn liegt es an der emotionalen Bindung der Konsumenten an das Produkt. „Damit werden Genuss und Emotionen verbunden.“ Und, dass sie über die Zeiten hinweg gleich schmecken, auch wenn heute unter wesentlich moderneren Bedingungen als anno dazumal produziert wird.

„Die Grundzutaten Mehl, Zucker und Haselnüsse sind immer gleich geblieben. Bei den Tortenecken liegt es zusätzlich an der speziellen Struktur des Waffelblatts und der Beschaffenheit der Creme. Es ist entscheidend, wie die Kunden das wahrnehmen.“ Dafür setze man auf rekonstruierte Maschinen zur Waffelproduktion und mahle die Haselnüsse seit vielen Jahren in speziellen Kugelmühlen.

Zeitgeistströmungen

Ganz dem Zeitgeist – Stichwort Kalorien oder Nachhaltigkeit – kann sich auch ein Süßwarenhersteller mit bald 100-jähriger Tradition nicht verschließen. Zum Beispiel Kakao: „Vor 50 Jahren war Nachhaltigkeit beim Kakao kein Thema, heute ist dieses Bewusstsein wichtig.“ Weitere Zugeständnisse sind bei der Erschließung jüngerer Kundenschichten notwendig, gesteht Scherb: „Wir experimentieren mit neuen Themen, etwa die Cremen luftiger zu machen.“ Die kommen dann bei neuen Formaten zum Einsatz. Fans der guten, alten Tortenecken und Kokoskuppeln müssen sich nicht sorgen: „Zu starke Brüche würde viele Kunden verschrecken. Wir werden nie einen Proteinriegel machen.“

Der Name bleibt, aber die Besitzer wechseln

Eine Tafel Schokolade, Kekse, Schoko-Artikel, Kaugummi, Fruchtgummi – diese Süßigkeiten-Hitliste  der Österreicher ergab eine Umfrage im Jahr 2014. In allen Kategorien finden sich heimische Produkte mit Geschichte.  

Die Milka-Schokolade in der lila Verpackung wurde vom Schweizer Philippe Suchard 1901 erfunden, die Silben stehen für Milch und Kakao. Seit 1909 wurde die Milchschokolade aber bereits in Österreich produziert und verkauft. Heute gehört die Marke zum amerikanischen Nahrungsmittelkonzern Mondelez.
Eine vergleichsweise junge Geschichte haben da Napoli Dragee Keksi. Sie kamen 1974 in den Handel, der Werbeslogan „Wenn ich nur aufhör’n könnt...“ ist vielen Österreichern noch in den Ohren. Die Firma Napoli war 1949 gegründet worden, 1955 fusionierte man mit Casali, die mit ihren Rumkugeln und Schokobananen ebenso ein Teil Süßwarenidentität ist. Durch die Fusion wurde die Firma zum zweitgrößten Süßwarenhersteller Österreichs. Im Jahr 2000 übernahm Manner.  

1927 erfand der Oberösterreicher Eduard Haas das PEZ-Bonbon. Der Name setzt sich aus den Buchstaben des Worts Pfefferminz zusammen, ein Bestandteil der ersten Sorte. Der PEZ-Spender avancierte bereits ab 1950 zum Kultobjekt für kleine und große Sammler. 2007 kaufte Ed. Haas die Wiener Bonbon-Firma Egger, die Traditionszuckerln wie Sportgummi, Eibischteig oder Hustinetten herstellt.

Apropos Zuckerl: Die Wiener Zuckerln, die die Wiener  Gebrüder Heller in ihrer 1891 gegründeten Fabrik über Jahrzehnte hinweg produzierten, stellt heute ein anderer Traditionsbetrieb, nämlich Englhofer,  her. Der gehört  zum deutschen Produzenten Storck. Immerhin die heimischen Marken Firn und Arosa gehören noch immer zur Familie.

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