Wie zwei junge Menschen Long Covid erleben

Wie zwei junge Menschen Long Covid erleben
Natalie (23) und Emil (11) erkrankten beide an Covid-19. Seit Monaten kämpfen sie mit den Langzeitfolgen der Infektion.

Der elfjährige Emil und die 23-jährige Natalie sind zwei von Hunderttausenden Menschen in Österreich, die auch Monate nach ihrer Corona-Infektion nicht gesund sind. Sie leiden an Long Covid, ein Sammelbegriff für Langzeitfolgen nach einer Covid-19-Erkrankung, von denen auch immer mehr Junge betroffen sind. Dem KURIER erzählen sie von ihren Erfahrungen.

„An guten Tagen schafft er vielleicht 500 Meter“

17 Tage musste sich Emil (Name geändert) vergangenen November in seinem Kinderzimmer absondern. Beim Fußballtraining hatte sich der sportliche Elfjährige mit Sars-CoV-2 angesteckt.

"Damals sagte er, er hat sich noch nie so krank gefühlt“, erzählt seine Mutter. "Offiziell zählt er zu den leichten Verläufen, hatte aber Atemnot, Fieber und schlimme Kopfschmerzen. Wir haben Covid-19 bei einem gesunden Kind erlebt und wünschen das niemandem.“

Erneut Infiziert

Schon damals warnten die Ärzte vor Langzeitfolgen. Heute, drei Monate nach seiner Infektion, gilt Emil als "Long-Covid-Fall“. Vor Kurzem steckte er sich erneut an – mit der Omikron-Variante.   

An einen normalen Schulalltag mit Stufensteigen, Konzentrieren und Maske war bis dato nicht zu denken, sagt seine Mutter. "Bis Mitte Jänner war er im Krankenstand, seitdem machen wir Homeschooling. Das schaffen wir nur, weil mein Mann und ich von zu Hause arbeiten und  die Lehrer  wirklich unterstützend sind.“

Vor allem Erschöpfung, "Brainfog“, Kurzatmigkeit und ein Ruhepuls von 170 plagen den Gymnasiasten. "An guten Tagen schafft er vielleicht 500 Meter zu Fuß. Er braucht einen Asthmaspray, an Bergaufgehen ist nicht zu denken.“ Ein Lichtblick ist die anstehende Kur.

"Auch in der Long-Covid-Ambulanz der Klinik Ottakring wurden wir gut betreut. Insgesamt gibt es aber zu wenig Wissen“, sagt Emils Mutter. Ihr Appell: Vor allem Eltern und Pädagogen sollten sich impfen lassen. "Der Herdenschutz ist unser einziger Weg heraus.“  

Wie zwei junge Menschen Long Covid erleben

Emil hat Herz- und Lungenprobleme, an Schulalltag ist nicht zu denken 

„Ich habe Angst, nach draußen zu gehen“

Natalie F. war mitten in der Vorbereitung für ihr Biologiestudium, als sie sich im März 2021 mit Covid-19 infizierte. Die Infektion verlief für sie zunächst mild. Nach ein paar Tagen erlitt Natalie zum ersten Mal eine Tachykardie-Episode: Sie bekam starkes Herzrasen und den ärztlichen Rat, ihren Körper  zu schonen. 

Doch als die akute Infektion überstanden war, verschlechterte sich ihr Zustand zunehmend.  Heute ist die Liste ihrer Symptome lang. So leidet die Wienerin etwa am POTS-Syndrom: Beim Aufstehen steigt ihr Puls stark an. "Es gab Tage, da bin ich mehrmals  umgekippt“, erzählt sie. Eine Zeit lang saß sie deswegen sogar im Rollstuhl.

Unzählige Symptome

Auch starke  Zitter- und Krampfanfälle sowie Gehirnnebel und chronische Kopfschmerzen machen ihr zu schaffen: "Die Krampfanfälle schränken mich extrem ein, weil ich deswegen Angst habe, nach draußen zu gehen.“ Zusätzlich hat die ehemalige Cheerleaderin das Mastzellenaktivierungssyndrom entwickelt, weswegen sie allergische Reaktionen erleidet – etwa auf Medikamente, Duft- oder Inhaltsstoffe.   

Den  Weg zur Diagnose beschreibt Natalie als Ärztemarathon; sehr schwierig sei es gewesen, in einer Long-Covid-Ambulanz unterzukommen. Auch Behandlungsmöglichkeiten sind nach wie vor eingeschränkt. Wenn es sich bei ihrem POTS-Syndrom um eine Autoimmunerkrankung handelt, könnte eine Immunglobulintherapie  gestartet werden. Jedoch werde diese von der Krankenkasse nur selten bewilligt. 

Wie zwei junge Menschen Long Covid erleben

Die 23-Jährige war sehr aktiv, den Sommer verbrachte  sie im Rollstuhl 

Viele Fragezeichen

Bis zu 200 verschiedene Symptome können bei Long Covid im Körper vorkommen, erklärten Mediziner am Dienstagabend bei einem Vortrag in Wien: Meistens sind es neurologische Beschwerden, auch Herz-Kreislaufprobleme und Autoimmunerkrankungen können eine Folge sein.

Über die Ursachen des Ausbruchs ist bisher kaum etwas bekannt. Auch die Zahl der Betroffenen ist schwer erfassbar, erklärte Mariann Gyöngyösi vom wissenschaftlichen Register zu Long-Covid-Patienten am Wiener AKH und der MedUni Wien. Daten von Patienten mit der Alpha- und Beta-Variante ließen zunächst auf zehn bis 37 Prozent schließen – das wären aktuell bis zu 700.000 Menschen in Österreich.

Für sie gibt es nach wie vor zu wenig Angebot und rasche Hilfe, mahnte die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) Anfang der Woche.  15.000 Krankenstände seien aufgrund von Long Covid dokumentiert, die Rehabilitationszentren für längere Zeit praktisch ausgebucht.  

Omikron

Christoph Kleinschnitz von der Neurologischen Universität Essen geht davon aus, dass aktuell zehn bis 15 Prozent aller Covid-Infektionen zu Long-Covid-Symptomen führen. Warum manche Covid-19-Patienten erkranken und andere nicht, gibt Medizinern Rätsel auf. Bekannt sei aktuell, dass das Risiko mit der Schwere der Symptome in der Akutphase, der Viruslast und der Zahl der betroffenen Organe steigt. 

Weil die Covid-19-Impfung all diese Auswirkungen einer Infektion verhindern kann oder zumindest mildert, bietet sie indirekt auch einen Schutz vor Long Covid. Sogar eine im Anschluss an eine Coronavirus-Infektion verabreichte Impfung könnte das Risiko von Langzeitfolgen verringern, wie eine kürzlich  veröffentlichte Studie des  Universitätsspitals Genf zeigt. 

Noch unklar ist auch, wie sich die aktuell grassierende Omikron-Variante auf Long Covid auswirkt. Eine Möglichkeit wäre, dass der Omikron-Stamm mit seinem weniger heftigen Krankheitsverlauf auch seltener zu Long Covid führt. Zum aktuellen Zeitpunkt ist das allerdings noch nicht erkennbar. So warnt etwa die deutsche Long-Covid-Expertin Jördis Frommhold, dass bei früheren Mutationen auch Personen an Long Covid erkrankten, die nur milde Akutverläufe durchgemacht hatten

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