Alkohol in der Schwangerschaft: Wie Trinken ungeborenes Leben schädigt
Wenn der 15-jährige Alexander in seiner Klasse einen Witz erzählt, lacht meist niemand. „Sie verstehen mich einfach nicht“, sagt er.
Alexanders Gehirn funktioniert einfach anders. Er leidet an einer Krankheit, die in Österreich so gut wie unsichtbar ist.
Die Fetale Alkohol Spektrumstörung (FASD). Dabei handelt es sich um eine Beeinträchtigung, die durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft entsteht.
➤ Aber Achtung: Auch Alkohol vor der Schwangerschaft kann schädlich sein
Erkennbar ist die Krankheit einerseits an optischen Merkmalen, wie kurze Lidspalten, schmale Oberlippe sowie Kleinwuchs. Deutlich häufiger sind aber psychische Folgen, wie Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten, fehlende Impulskontrolle und Selbstreflexion.
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Offizielle Zahlen zu FASD gibt es in Österreich nicht, berichtet das Gesundheitsministerium. Internationalen Schätzungen zufolge sind rund fünf von 1.000 Geburten betroffen, erklärt Kinderärztin Ruth Leodolter-Stangl.
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Um die Sichtbarkeit der Beeinträchtigung zu erhöhen, präsentiert der Verein „FASD Hilfe Austria“ eine Wanderausstellung (siehe Infobox). Die Ausstellung richtet sich an Schüler: „Sie sind die Eltern der Zukunft und sollten über die Folgen von Alkohol in der Schwangerschaft informiert werden“, sagt Stephanie Pfeifer, Psychologin und Vorstandsmitglied der „FASD Hilfe Austria“.
Wanderausstellung „Zero!“
Der im Jahr 2017 gegründete Verein „FASD Hilfe Austria“ veranstalt derzeit die Wanderausstellung „Zero!“ im Festsaal der Donaucitykirche (22., Donau-City-Straße 2). Noch bis Freitag, 23. Juni, können sich Interessierte kostenlos über das Thema Alkohol in der Schwangerschaft und FASD informieren
Aktuelle Studie
Sechs Prozent der befragten Frauen tranken während der Schwangerschaft Alkohol. Das geht aus einer aktuellen Erhebung der „Gesundheit Österreich GmbH“ im Auftrag der Stadt Wien hervor. 0,3 Prozent davon täglich, 5,2 Prozent manchmal oder selten. Dazu wurden auch Gynäkologinnen befragt: Nur 89 Prozent davon empfinden ein gelegentliches Glas Alkohol als problematisch
FASD komme nicht nur in Familien mit Alkoholabhängigkeiten vor. Spät erkannte Schwangerschaften, Unwissenheit, Überforderung oder schwierige Situationen – etwa durch Gewalt in der Beziehung – würden ebenso den Alkoholkonsum fördern, sagt Pfeifer. „Dazu kommt, dass auch heute noch viele Ärzte und Hebammen nicht Bescheid wissen und teilweise sogar zu einem Glas Wein raten.“ Das bestätigt auch die Kinderärztin Ruth Leodolter-Stangl. „In Österreich gehört es zum Alltag, regelmäßig Alkohol zu trinken, es ist normal“, sagt die Medizinerin.
Aber reicht ein Glas Sekt während der Schwangerschaft aus, um das Baby zu gefährden? Wie viel ist zu viel? Auch dazu fehlen Zahlen. „Das Ungeborene braucht zehnmal länger als die Mutter, um den Alkohol abzubauen. Was für die Frau also ein Glas Sekt ist, ist für das Baby eine ganze Flasche“, erklärt die Ärztin. Oft sei es schwierig, dass die Frauen den Alkoholkonsum eingestehen. „Das Thema ist mit Schuldgefühlen behaftet“, so Leodolter-Stangl. Laut einer aktuellen Studie im Auftrag der Stadt Wien greifen rund sechs Prozent der schwangeren Frauen zu Alkohol.
Strafen für Mütter?
Rechtliche Konsequenzen für Mütter, die trinken, gibt es kaum. „Im Fall von ungeborenem Leben liegt kein Straftatbestand vor. Betroffene könnten nur zivilrechtlich klagen“, sagt Strafrechtsexperte Hannes Schütz. Aus dem Trinken von Alkohol während der Schwangerschaft einen Straftatbestand zu machen, wäre ein großer Eingriff in die Freiheit der Frau. Stephanie Pfeifer von der „FASD Hilfe Austria“ sieht nicht nur die Mutter in der Verantwortung. „Keine Mutter will ihr Kind absichtlich gefährden.“ Neben der Prävention brauche es aber auch die richtige Diagnose. Die könne Betroffenen helfen, zu verstehen, warum sie sich mit gewissen Dingen besonders schwertun. Spezialisierte Diagnosestellen fehlen in Österreich derzeit aber.
Zudem müsse mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. „Wir müssen verstehen, dass die Gehirne von Menschen mit FASD anders funktionieren.“ Im Zusammenleben gelte deshalb: Möglichst viel Struktur anbieten und die Reize reduzieren. Wichtig sei auch, sich nicht nur auf die Schwächen der Betroffenen zu konzentrieren. „Menschen mit FASD haben sehr oft besondere Talente.“
Alexander zum Beispiel ist sehr musikalisch. Und weil er sich mit dem Notenlesen schwertut, spielt er die Lieder aus dem Radio einfach nach Gehör.
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