Warum Erkältungen zur Belastungsprobe für Beziehungen werden können
Zehntausende Österreicher lagen in den vergangenen Wochen mit Erkältungssymptomen im Bett. Jeder Handgriff im Haushalt kann mit Brummschädel einem zu viel werden – manche erwarten von ihren Partnern und Partnerinnen Fürsorge, andere wiederum empfinden das Aufdrängen wärmenden Ingwer-Tees als Bevormundung.
Warum Rotznasen und Gliederschmerzen schlechte Stimmung in Partnerschaften erzeugen können, erklärt der Wiener Psychologe Klaus Pötzlberger im KURIER-Interview: "Ein Bub meiner Generation lernte noch, dass "ein Indianer keinen Schmerz kennt", während Weinen bei Mädchen ganz natürlich war. So kann es in der Paarbeziehung schon aufgrund der Geschlechterrolle zu einem unterschiedlichen Umgang mit Krankheit kommen – sowohl als Erkrankter als auch als Partner."
Auch die Prägung aus dem Elternhaus ist von Bedeutung, wie wir mit Krankheiten umgehen.
Die einen lernen, dass man bereits beim ersten Husten zum Arzt geht, die anderen lassen sich erst bei 40 Grad Fieber untersuchen. Kranke Familienmitglieder dürfen Fürsorge erwarten, so der Experte: "Krankheit schafft bei empathischen Menschen Betroffenheit. Es kann sehr erfüllend sein, füreinander da zu sein, und es ist meiner Meinung nach das, was einen Gutteil einer gelungenen Beziehung ausmacht."
Infektion
Es gibt mehr als 200 Viren, die Erkältungen verursachen können
12,3 Krankenstandstage
Krankheitsbedingte Fehlzeiten erreichten 1980 mit 17,4 Krankenstandstagen pro unselbstständig Beschäftigtem ihren Höchstwert – 2021 wurden im Schnitt 12,3 Tage Krankenstand pro Kopf und Jahr gemeldet
Männerschnupfen
Anfang 2023 analysierte eine Studie das Phänomen Männerschnupfen: Männer und Frauen haben laut dieser die gleichen Symptome wie eine rinnende Nase zu Beginn einer Erkältung. Allerdings erholen sich Frauen schneller, was mit der Wechselwirkung von Sexualhormonen und Immunsystem zu tun haben könnte
Krankheitssymptome sollten jedoch nicht dazu missbraucht werden, Aufmerksamkeit vom Partner zu bekommen. "Jene, die in ihrer Kindheit durch diese Strategie viel Aufmerksamkeit bekommen haben, behalten es oft als Erwachsene bei." So ein Verhalten birgt Konfliktpotenzial und kann für den pflegenden Angehörigen anstrengend sein.
Frage des Bindungsstils
Keinesfalls sollte man annehmen, dass alle Bettlägerigen Zuwendung wünschen. Manche fühlen sich bevormundet, wenn der Partner jede halbe Stunde mit Medikamenten im Schlafzimmer steht. Wie groß oder klein der Wunsch nach Fürsorge ist, hat mit dem Bedürfnis nach Nähe zu tun. In der Psychologie wird vom Nähe-Distanz-Problem gesprochen: "Menschen mit einem unsicher vermeidenden Bindungsstil tun sich insbesondere schwer, Nähe zuzulassen, wenn sie sich verletzlich fühlen. Menschen mit einem unsicher ambivalenten Bindungsstil wiederum können klammern. Sie suchen die Nähe. Wenn nun in einer Beziehung zwei so unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen, kann das schwierig werden.“
Im Idealfall treffen zwei Menschen mit einem sicheren Bindungsstil aufeinander.
"Sie haben den Vorteil, dass sie ihr Bedürfnis nach Fürsorge kommunizieren können, sich angemessen fürsorglich verhalten und mit den davon etwas abweichenden Bedürfnissen ihres Partners angemessen umgehen können, anstatt zum Beispiel einen Streit vom Zaun zu brechen." Tipp vom Psychologen: Zu den Bindungsstilen gibt es reichlich Literatur im Internet. Seinen eigenen und den des Partners zu kennen, kann sehr hilfreich für eine gute funktionierende Beziehung sein.
Konflikte lösen
In der Kommunikation soll es immer zuerst um das Miteinander und dann erst um den Inhalt gehen. "Wenn ich mitfühle, werde ich das Gegenüber nicht mit Vorwürfen konfrontieren." Bewertungen wie Männerschnupfen sollten vermieden werden, suggeriert diese Bezeichnung doch, dass Männer schon beim kleinsten Anzeichen einer laufenden Nase in wehleidige Stimmung verfallen würden.
"Grundsätzlich gilt: die Befindlichkeit der erkrankten Person hat Vorrang. Empathie ist ein Grundpfeiler einer glücklichen Beziehung."
Wenn es zur Eskalation kommen, sollte ein Gespräch erst erfolgen, wenn sich die Gemüter beruhigt haben. Eine mögliche Botschaft könnte lauten: "Ich nehme wahr, dass du meinem Wunsch, mir eine Tasse Tee zu machen, nicht nachkommst. Ich fühle mich zurückgewiesen. Ich habe das Gefühl, ich bin nicht wichtig für dich. Kannst du dir vorstellen, in Zukunft mehr darauf einzugehen?“ Für den Partner sind das oft neue Informationen.
Klingt mühsam? "Das ist der Grund, warum wir Psychologen von Beziehungsarbeit sprechen."
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