Spurensuche
Die Geschichte des Vibrators beginnt oft mit Legenden: Schon Cleopatra soll sich ein mit Bienen gefülltes Papyrussackerl an die Klitoris gehalten haben. Belegt ist dies freilich nicht, dafür aber das Patent für einen rüttelnden Knetapparat im Jahr 1869 des amerikanischen Arztes George Henry Taylor, später kam der dampfbetriebene Vibrator mit dem Namen "Manipulator" auf den Markt.
In seinen Leitfäden zur Behandlung von Becken- und Leistenbruchleiden führte Taylor seine Erfindung im Kapitel zu den "Prozessen der sehr schnellen Massage oder Reibung" vor. Auf einer großen, gepolsterten Behandlungsliege wurden die Patienten durch eine Aussparung in der Beckengegend mit einer vibrierenden Kugel massiert.
Vor 140 Jahren patentierte schließlich der Engländer Joseph Mortimer Granville seinen elektromechanischen Vibrator, den "Percuteur", zur Behandlung von Nervenleiden und beschrieb diesen in der Wissenschaftswelt. Beck: "Vor den 60er-Jahren waren die Massagegeräte nicht stabförmig, sondern ganz verschieden geformt. Je nachdem, für welche Körperregionen sie überall Anwendung finden sollten, gab es unterschiedliche Aufsätze. Die handelsüblichen hatten keinen Aufsatz für vaginale Behandlung."
Die Wissenschafterin analysierte einige pornografische Filme aus den 1930er- und 1940er-Jahren, in denen diese im sexuellen Einsatz zu sehen sind. Im Jahr 1966 wurden schließlich Dildos, die bereits aus der Antike bekannt waren, und elektrische Massagegeräte zu einem einzigen Gerät verschmolzen: Am 30. Juni 1966 meldete der kalifornische Erfinder Jon H. Tavel ein Patent für einen phallischen, batteriebetriebenen Vibrator an. Nach Tavels Angaben sollte er im Kontrast zu den herkömmlichen Vibratoren klein und kompakt sein und leicht in der Hand liegen, so die Patentschrift. Ob er wirklich der Erste war, ist laut Beck nicht abschließend geklärt.
Trends
Mit dem Auftauchen des Selbstmassagegerätes um 1969 setzte der Beginn einer neuen Ära von Sexualität ein. Ob der Vibrator heutzutage ein Alltagsgegenstand ist, will die Expertin nicht mit ja oder nein beantworten: "Er ist es und ist es zeitgleich nicht – er schockt uns nicht mehr, wenn er im Drogeriemarkt neben Gleitgel und Kondomen im Regal steht oder im TV als Vorabendwerbung läuft. Aber es ist immer noch eine Frage der Generation, der Sozialisation und der persönlichen Einstellung, ob ich ihn als einen Alltagsgegenstand wahrnehme. Es gibt, gerade bei älteren Frauen, noch negative Vorbehalte den Toys gegenüber, die aus alten Ressentiments stammen, an denen u.a. Alice Schwarzer nicht ganz unschuldig ist. Ihre PorNo-Kampagne der 1980er-Jahre sah Vibrationen als etwas Schlechtes an, da sie Penisse repräsentieren und Penisse als Machtinstrument gegen Frauen zu sehen seien. Heute denken zum Glück aber viele anders."
Einen großen Trend kann die Expertin beim Design von Vibratoren erkennen: Sie werden genderneutraler und nicht mehr als Sex Toys nur für weibliche Körper gelesen. "Sondern für alle Geschlechter, alle Genitalien und auch für andere Körperstellen wie Brustwarzen oder sensible Hautstellen wie hinter dem Ohr oder auch anale Regionen."
Auch die Produzentinnen und Produzenten dahinter haben queeres Publikum als Zielgruppe erkannt: "Häufig sind Unternehmen selbst von queeren, feministischen Menschen geführt, die auf faire, nachhaltige Produktion und Produkte achten. Die Fokussierung auf Sex als Penis-in-Vagina-Konstellation löst sich auf - ein Glück!"
Dies drücke sich in neutraleren Namen, Farben und Formen aus – das Sex-Spielzeug ist pastellfarben oder quietschbunt und erinnert an formlose Designobjekte.
"Es tut sich also dem Zeitgeist entsprechend sehr viel auf dem Gebiet. Die zukünftigen Toys werden sich auch behinderten und älteren Menschen widmen - damit werden Toys auch inklusive. Dildos und Vibrationen sind Diskursträger, an ihnen kann man wunderbar ablesen, wie die Gesellschaft gerade über Sex, Sexualität, Diversion, Gender- oder Lust-Themen diskutiert und denkt", so die Wissenschafterin.
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