Unter diesen Schönheitsidealen leiden Katzen
Geknickte Ohren, extrem kurze Nase, nackte Haut statt Fell, Kleinwuchs: Die Kriterien für eine Qualzucht sind durchaus bekannt, das Bewusstsein bei Katzenfreunden fehlt allerdings oft. Der Verein Vier Pfoten will das ändern und klärt im Vorfeld des Weltkatzentages am 8. August über die Schönheitsideale auf, die nur allzuoft zu gesundheitlichen Problemen führen.
„Viele Menschen wissen einfach nicht, dass ihre Katze aufgrund ihrer Zucht ihr Leben lang leiden muss. Sie folgen gewissen Modetrends und suchen sich ein Tier aus, das auf spezielle Merkmale gezielt gezüchtet wurde. Genau diese selektive Zucht führt aber zu Krankheiten. Die häufigsten Probleme unserer Stubentiger sind Arthrose, Zahn- und Augenprobleme sowie Atemschwierigkeiten“, sagt Vier Pfoten-Kampagnenleiterin Veronika Weissenböck.
Angezüchtete Knochenveränderungen schmerzen
Ein sehr häufiges Phänomen bei den derzeit extrem nachgefragten „Scottish“- oder „Highland-Fold“-Katzen, also Faltohrkatzen mit nach vorne geknickten Ohren, ist die sogenannte Skelettdysplasie; darunter versteht man Knochen- und Knorpelveränderungen, die dazu führen, dass das Skelett sich nicht normal entwickelt. „Sehr oft leiden die Katzen dann unter schwerer Arthrose bis hin zur Lahmheit. Sie können sich zum Teil nur schwer oder fast gar nicht mehr bewegen. Sie vermeiden es, zu springen und ihr natürliches Verhalten auszuleben. Viele Tiere reagieren mit Aggressivität, wenn sie angefasst werden, da der ganze Körper schmerzt“, erklärt Weissenböck.
Kurzköpfigkeit fällt unter Qualzucht
Ein weiteres „Schönheitsideal“, genauso wie bei Hunderassen, sind besonders kurze Nasen, wie sie u.a. bei Perserkatzen, Munchkin-Katzen oder bei Britisch Lang- oder Kurzhaarkatzen zu sehen sind. Auch hier handelt es sich leider um ein Qualzuchtmerkmal – die Kurzköpfigkeit oder Brachyzephalie. Dabei kommt es besonders häufig zu extremen Problemen mit den Atemwegen, aber auch Zahnfehlstellungen und hervorstehende Augen werden oft beobachtet. Weissenböck: „Je nach Schwere haben die Katzen ausgeprägte Atemgeräusche, ermüden bei körperlicher Anstrengung schneller und werden im Extremfall ohnmächtig. Manchmal kommt es zu Husten, Erstickungsanfällen und Erbrechen. Mit der Zeit können sich sogar Entzündungen an anderen Stellen der Atemwege und letztendlich auch Herzprobleme ergeben.“
Ohne Fell fehlt der Schutz
Die sogenannten Nacktkatzen erfreuen sich ebenfalls großer Beliebtheit, also jene Katzen, die entweder komplett haarlos sind oder nur ein paar wenige Haare haben. „Nacktkatzen wie die Sphinxkatzen sind sehr temperaturempfindlich, da sie kein schützendes Fell gegen Sonneneinstrahlung, Kälte oder Zug haben. Darüber hinaus wurden bei ihnen Gene entdeckt, die unter anderem für die Erkrankung des Herzmuskels verantwortlich sind. Zusätzlich leiden sie vermehrt unter Haut- und Zahnproblemen“, sagt Weissenböck.
Gesetz ohne Frist und Kontrolle
Obwohl die Qualzucht im Tierschutzgesetz als Tierquälerei verankert ist, wird sie auf Grund der Ausnahmeregelung nach § 44 Abs. 17 in der Praxis weiterhin ermöglicht und vielfach praktiziert. Dieser Paragraph erlaubt die Zucht von Tieren mit Qualzuchtmerkmalen, solange dokumentiert wird, dass durch züchterische Maßnahmen gegen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Tiere vorgegangen wird und diese Schritt für Schritt beseitigt werden.
Allerdings ist keine gesetzliche Frist vorgesehen, bis wann die Qualzuchtmerkmale durch solche Maßnahmen verschwunden sein müssen. Zusätzlich fehlt es an ausreichenden Kontrollen seitens der Behörden und daher an einer konsequenten Exekution der gesetzlichen Vorgaben, um tatsächliche Fortschritte erreichen zu können. Das Gesetz zum Verbot von Qualzucht ist somit zahnlos. „Aufgrund der bislang unzureichenden Fortschritte trotz gesetzter Maßnahmen sollte die Ausnahmeregelung nach § 44 Abs. 17 ersatzlos gestrichen werden“, fordert Weissenböck.
Aufklärung soll Leid verringern
Abgesehen vom zahnlosen Qualzucht-Gesetz ist das große Problem das mangelnde Bewusstsein in der Bevölkerung über diese Missstände in der Zucht. „Keine Katzenhalterin, kein Katzenhalter möchte Qualzucht unterstützen und sein Tier leiden sehen. Und niemand möchte Unsummen für Tierarztbesuche ausgeben. Daher ist Aufklärung über dieses Thema so wichtig“, meint Weissenböck.
Rassekatze nur vom seriösen Züchter
Die Vier Pfoten-Kampagnenleiterin empfiehlt all jenen, die sich eine Katze zulegen wollen, auf die Gesundheit des Tieres statt allein auf die Rasse bzw. das Äußere zu achten. „Informieren Sie sich genau über rassespezifische Eigenschaften und über die möglichen gesundheitlichen Probleme, die beim Tier auftreten können. Lassen Sie sich nicht beeinflussen von Modetrends bei den Katzenrassen. Und kaufen Sie vor allem niemals ein Tier aus dem Internet", appelliert Veronika Weissenböck. Und weiter: "Wenden Sie sich stattdessen an ein Tierheim oder, falls es wirklich unbedingt eine Rassekatze sein soll, ausschließlich an seriöse Züchter, die Sie ausführlich aufklären und das Tier vorab, inklusive Muttertier, besuchen lassen.“
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