Superman? Königin Elsa? Oder doch ein glitzerndes Einhorn? In zehn Tagen, am 1. März, erreicht der Fasching seinen Höhepunkt – bis dahin können Kinder noch überlegen, wer oder was sie am Faschingsdienstag sein möchten. Während viele Erwachsene schon beim Gedanken an das närrische Treiben Kopfweh bekommen, lieben es die meisten Kinder, sich zu verkleiden, zu schminken und für einen Tag in eine andere Rolle zu schlüpfen.
Dabei wird häufig vergessen, dass das Kostümieren nicht nur eine spielerische, sondern auch eine entwicklungspsychologische Komponente hat. Klassische Rollenspiele wie „Vater, Mutter, Kind“ finden zwar auch im Alltag statt. „Der Fasching bietet Kindern aber eine besonders gute Möglichkeit, in einem sicheren und fantasievollen Rahmen so zu tun, als wären sie jemand anderes“, weiß die Psychotherapeutin Nina Arbesser-Krasser.
Denn beim Verkleiden geht es neben dem Spaß auch darum, Verhaltensweisen zu erproben, die nicht der eigenen Persönlichkeit entsprechen. „So kann zum Beispiel das schüchterne Kind als Pippi Langstrumpf ganz mutig sein und Mama oder Papa herumkommandieren.“ Indem sich Kinder in andere Rollen hineindenken und hineinfühlen, lernen sie, andere Perspektiven einzunehmen, erklärt die Therapeutin. „Sie entfernen sich sozusagen von ihrem eigenen Egozentrismus. Da geht es nicht nur um Empathie, sondern auch darum, zu verstehen, was jemand anderer in dieser Rolle machen würde. Das ist in der späteren Entwicklung wichtig, um zu verstehen, dass andere Menschen andere Intentionen haben als man selbst.“
Angesagte Verkleidungen spiegeln den popkulturellen Zeitgeist. Das zeigt sich auch beim Wiener Verkleidungsspezialisten Faschingsprinz, wo in den vergangenen Tagen trotz Pandemie Tausende Kinder-Kostüme verkauft wurden. Hoch im Kurs stehen dieses Jahr Superhelden, heißt es auf Nachfrage: allen voran Spiderman und Harry Potter, die pro Tag bis zu 50-mal nachgefragt werden.
Mädchen wollen heuer als Wonder Woman oder Harley Quinn gehen, auch die Comic-Figuren Ladybug und Cat Noir aus der Fantasy-Serie „Miraculous“ dienen vielen als Vorlage.
Zwischen Buben- und Mädchenverkleidungen wird jedoch immer weniger unterschieden. Der Trend geht zu Unisex-Kostümen, so würden heuer auch viele Mädchen als Videospiel-Ikone Super Mario unterwegs sein. Bei Kleinkindern sind die Vierbeiner aus der Serie „Paw Patrol“ beliebt. Und noch einen Trend beobachtet man bei Faschingsprinz: Auffallend viele Buben und Mädchen wollen heuer eine Fledermaus sein.
Verkleiden hat auch einen identitätsstiftenden Nutzen, der auf Dauer Unsicherheiten und Ängste reduzieren kann. Denn oft verkleidet sich das Kind unbewusst als eines seiner Vorbilder, sagt Arbesser-Krasser. „Wikinger, Prinzessin, Pippi – Kostüme können Ziel der kindlichen Sehnsucht sein. Man versucht, so zu sein, wie man gerne sein möchte. Ähnlich machen es ja auch Erwachsene, wenn sie einen teuren Anzug zum Vorstellungsgespräch tragen, um Erfolg zu versinnbildlichen.“
Besser lernen mit Batman
Im Superhelden-Kostüm etwa – jene aus dem Marvel-Universum sind heuer besonders angesagt – können eigene Ohnmachtsgefühle kompensiert werden. Forscher der Hamilton Universität in New York haben noch einen weiteren positiven Effekt dieser Verkleidungen entdeckt: In einer Studie mit mehreren Gruppen fanden sie heraus, dass Kinder in Batman-Kostümen trockene Lerninhalte besser verinnerlichten. Die Begründung: Durch die Kostümierung konnten sie sich von sich selbst distanzieren und kamen weniger in die Versuchung, zu spielen.
Keine Angst vor Elsa
Zuletzt wurde die Auswahl des Faschingskostüms für viele Eltern dennoch zu einem komplizierten Unterfangen. Die Tochter im rosa Tüllrock? Ein wahrer Gender-Albtraum. Der Sohn, der zum Prinzessinnen-Look greift? Auch das gefällt – noch immer – nicht jedem.
Die Psychotherapeutin rät diesbezüglich zu Gelassenheit. „Wichtig für Eltern ist, nichts zu forcieren, sondern das Kind in seinen Ausdruckswünschen zu bestärken. Wenn ein Bub eine Prinzessin sein möchte, weil er das gerade toll findet – warum nicht. Das ist kein Grund, sich Sorgen zu machen. Vielleicht will er einfach einen Tag seine Mama nachahmen. Und kleine Kinder haben eine hohe Toleranz gegenüber Kostümen.“
Umgekehrt sollten aber auch Mädchen-Eltern keine Scheu vor dem Prinzessinnenkostüm haben, sagt Arbesser-Krasser. „Wenn man sich heutige Königinnen anschaut, wie zum Beispiel Elsa aus ,Frozen’, dann sind das oft ziemlich emanzipierte Figuren. Sie können also durchaus auch ein gutes Vorbild für Kinder sein.“
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