Die Psychoanalytikerin Helga Krüger-Kirn hat definiert, dass die Mutter von heute eine „Do-it-all-Mum“ ist, nicht mehr bloß eine „Working Mum“. Sie arbeitet nicht nur, sie hat auch eine superschöne Wohnung, ist stylisch, hat ein vorbildliches Selfcare-Programm. Also Carearbeit plus Erwerbsarbeit plus erfüllte Freizeit. Dieses ideale Mutterbild ist das Problem, nicht der Muttertag an sich.
Wie hat sich dieses Mutterbild im Laufe der Jahre verändert?
Historisch betrachtet war das Mutterbild immer eine Anpassung an die Anforderungen der Zeit. Während der Aufklärung in Frankreich war die Frau „zu“ selbstbestimmt, die Babys kamen oft zu Ammen und das ging mit einer hohen Säuglingssterblichkeit einher. Als Demografen Alarm schlugen, hat sich Jean-Jacques Rousseau auf die „Natürlichkeit“ der Mütter berufen, um sie auf ihre Plätze zu verweisen. Im Nationalsozialismus wurde die Mutter idealisiert, vor allem mit dem Hintergedanken, dass sie die Soldaten von morgen großzieht und abhärtet. Jetzt haben wir das Ideal der Mutter, die liebend und sanft ist, nebenbei eine Karriere hat, bedürfnisorientiert erzieht und das alles lächelnd schaukelt.
Was müsste sich ändern, um die Situation für Mütter zu verbessern?
Das Tückische ist, dass man immer glaubt, die Frauen müssten etwas ändern. Das ist aber nicht der Fall. Die Gesellschaft muss aufhören, Mütter zu romantisieren, die Väter müssen zur Verantwortung gezogen werden. Es gibt einen massiven Gender-Pay-Gap, dementsprechend gehen Frauen eher in Elternteilzeit, weil sie weniger verdienen. Am einfachsten wäre es, wenn die Arbeitszeit reduziert werden würde. Wenn beide Elternteile weniger arbeiten, wäre die Carearbeit fairer aufgeteilt, vieles wäre leichter und besser vereinbar und es gäbe weniger Konflikte in Beziehungen.
Blickt man sich bei jungen Elternpaaren um, bekommt man das Gefühl, dass sich in puncto Rollenaufteilung schon sehr viel getan an. Täuscht dieser Eindruck?
Ich glaube, das ist oft ein Phänomen der eigenen Blase. Es gibt ein großes Stadt-Land-Gefälle. Der Wille, in Elternzeit zu gehen, ist bei vielen Vätern sicherlich da. Ich glaube auch, dass ein Modell wie in Schweden, wo die Elternzeit aufgeteilt wird, viele Vorteile bringen würde. Aber der wirtschaftliche Motor dahinter hat kein Interesse daran, so etwas fair aufzuteilen. Bis jetzt hat es ja ganz gut so funktioniert. Zwar zulasten der Mütter, aber die waren dann immer zu erschöpft, um zu rebellieren.
Auf Instagram wurde Mutterschaft zum chicen Lifestyleinhalt stilisiert. Sie sind selbst Mamabloggerin. Wie groß ist der Druck, der von Social Media ausgeht?
Für junge Mütter oder Schwangere vermutlich groß. Ich habe vor neun Jahren aus diesem Grund meinen Blog gestartet, weil ich das Gefühl hatte, es ist alles so einheitlich, happy peppy, pastellfarben. Aber die Realität ist nicht nur pastellfarben. Inzwischen gibt es zum Glück mehr Vielfalt und wir können uns aussuchen, wem wir auf Instagram folgen. Mutterschaft ist und bleibt aber ein Lifestylethema, weil Kinder ein Teil des Lebens sind. Deshalb finde ich es gut, wenn Influencerinnen sagen, es ist nicht alles nur einfach und pastellig. Denn das ist nun mal das Leben.
Auf der anderen Seite entscheiden sich immer mehr Frauen gegen Nachwuchs. Verstehen Sie das?
Nicht jede Frau will Kinder, nur weil sie eine Frau ist. Den angeborenen Mutterinstinkt, der uns lange eingeredet wurde, gibt es nicht. Ich glaube, dass Frauen bewusst entscheiden sollten, ob sie Kinder wollen oder nicht. Aber Kinder gehören zum Leben und für die, die sie haben und damit glücklich sind – so wie ich –, ist es etwas ganz Tolles. Sie geben einem wirklich viel zurück, nicht nur Kindergartenviren. (lacht)
Das Wissen, dass es keinen angeborenen Mutterinstinkt gibt, kann Eltern entlasten, schreiben Sie in Ihrem Buch. Inwiefern?
Der Mythos vom Mutterinstinkt hat zur Folge, dass Frauen denken, ich kann das besser, weil ich eine Frau bin und das Kind bekomme. Aber Forschungen haben gezeigt, dass man das nicht auf Knopfdruck können muss. Frauen haben in der Schwangerschaft neuronale Umstellungen, die wir Sensibilisierung nennen.
Die Sensibilisierung bereitet Gebärende darauf vor, in Interaktion mit ihren Kindern zu gehen. Bei Vätern, Regenbogeneltern oder Adoptiveltern kommen diese Umstellungen durch das Bonding, die intensive Zeit mit dem Kind, zustande. Das zeigt uns: Elternschaft ist – eine Entscheidung und – erlernt. Kümmern ist menschlich.
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