Im Visier des Onlinehasses: "Auch verbale Gewalt ist Gewalt"

Symbolbild: Hass im Netz
Wie man als Betroffener seine Psyche schützt und was man als Außenstehender tun kann, erklärt Psychologin Ulrike Schiesser.

Der Suizid der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr Ende vergangener Woche sorgt für Erschütterung. Über viele Monate war sie Hassnachrichten und Morddrohungen radikaler Impfgegner ausgesetzt gewesen. Was es mit einem macht, online zur Zielscheibe zu werden und welche Dynamik dabei am Werk ist, erklärt Ulrike Schiesser, Psychologin und Mitarbeiterin der Bundesstelle für Sektenfragen.

KURIER: Wirkt der Online-Faktor enthemmend auf das Diskussionsklima?

Ulrike Schiesser: Ganz bestimmt. Es fällt im Netz sehr viel leichter, unmittelbare Wut auf eine Weise auszudrücken, die die allermeisten im direkten Kontakt nicht wählen würden. Die Emotionen schaukeln sich hier stärker hoch – und die sozialen Medien füttern das. Alle, die im Zusammenhang mit der Pandemie in der Öffentlichkeit standen, haben Hassbotschaften bekommen. Sobald man derzeit dem gestaltlosen Feindbild ein Gesicht gibt, wird man automatisch zur Zielscheibe. Das Gefährliche ist, dass man es aktuell auch mit Menschen zu tun hat, die das wirklich glauben, die wirklich davon überzeugt sind, dass die Regierung plant, einen Großteil der Bevölkerung mit der Impfung auszulöschen. Wenn man sich da hineinversetzt und versteht, woher die Wut kommt und dass diese Menschen sich selbst als Retter und Kämpfer sehen, kann man ganz schwer einschätzen, wozu sie dann tatsächlich fähig sind.

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