Für mich soll’s (nicht unbedingt) rote Rosen regnen
Weiße und rosa Blüten zwischen zartgrünen Blättern an sperrigen Zweigen, die in meterhohen Vasen stecken. Sie bilden einen Wald in dieser Auslage in Wien-Wieden, die mit ihrer originellen Opulenz immer wieder Schaulustige anzieht. Seit 1999 macht Christine Finks „Blumenkraft“ die graue Schleifmühlgasse bunter und die Quittenzweige gehören im Jänner und Februar fast schon zum Inventar. Eigentlich wären sie die perfekten Frühlingsboten zum Valentinstag, aber es geht trotzdem nicht ohne Rosen. Und die, sagt Christine Fink, sind ein Problem.
Rosen sind dieser Tage sehr teuer und, wenn sie von weiter weg stammen, wahrscheinlich schon ein paar Tage alt. Führen muss man sie natürlich trotzdem. Die Leute wollen das eben. Heimische Gärtner tun sich extrem schwer mit der aufwendigen Produktion und können der großen Nachfrage am Valentinstag nicht gerecht werden. In Österreich werden rund 30 Millionen Rosen jährlich verkauft, Produzenten wie die Gärtnerei Wallner aus Graz schaffen 2,5 bis 3 Millionen.
Grundsätzlich kommen um diese Zeit 60 Prozent der Blumen aus Österreich, 80 Prozent aus dem gesamten europäischen Raum, der Rest aus Afrika und Südamerika. Fink versucht, den Bedarf so weit wie möglich bei heimischen Produzenten abzudecken. „Wir beziehen die meisten unserer Blumen vom Großgrünmarkt. Darauf sind wir stolz, denn das ist zeitintensiv. Um drei Uhr Früh aufzustehen und um vier die Ware auszusuchen – es gibt immer weniger Geschäfte, die sich das noch antun.“
Reges Treiben im Großmarkt
Die Blumenhalle Inzersdorf im 23. Wiener Gemeindebezirk wurde 1969 auf dem heutigen Großmarktgelände als erste Halle errichtet. Heute beliefern rund 70 Standbetreiberinnen das Gelände mit Frischware und verkaufen an Fachkunden, gewerbliche Gärtner und Floristen, aber auch Restaurants und Hotels.
Jährlich werden hier auf 10.000 Quadratmetern Fläche 16 Millionen Schnittblumen und 10 Millionen Topfpflanzen verkauft. Blumengroßhändler gibt es zwar auch in anderen Bundesländern, der Wiener Großmarkt ist jedoch in Österreich einzigartig.
Die Exotik am Stadtrand
Schauplatzwechsel an den östlichen Stadtrand. Da, wo die Großstadt ausfranst. In dieser überschaubar aufregenden Gegend gibt es viele gute Geschichten zu erzählen. Geschichten von Nachbarschaftshilfe, Arbeitsteilung und Familienbetrieben, die seit eineinhalb Jahrhunderten erfolgreich am Standort wirtschaften und nicht im Traum daran denken, den Verlockungen umtriebiger Immobilienentwickler nachzugeben.
Denn unmoralische Angebote bekommen die Gärtner hier in Simmering jede Menge. Die Felder werden vom Rand her scheinbar angeknabbert. Die Häuser kommen immer näher. Aber noch ist die Stadt weit, auch wenn wir laut Stadtplan auf Wiener Stadtgebiet sind. Hier hat die Gärtnerei Jedletzberger seit 1880 ihren Standort. In fünfter Generation hat Werner Jedletzberger vor eineinhalb Jahren vom Vater übernommen.
Ein klassischer Familienbetrieb, in der Saison hat man fünf Mitarbeiter, die Fläche ist stetig gewachsen. Am Anfang wurde nur Gemüse am Feld angebaut, der Großvater hat dann mit den Blumen angefangen. Nelken, in niedrigen Nistbeetkästen. Die Eltern haben Ende der 1990er damit aufgehört. „Es hat Gründe, warum die meisten Nelken, die heute auf dem österreichischen Markt verkauft werden, aus Kolumbien kommen“, sagt Werner Jedletzberger.
„Gute Qualität zu schaffen, ist schwierig. In Bogotá haben sie das ideale Klima, und zwar das ganze Jahr. Bei uns: Du setzt sie im Frühling, hast ein, zwei schöne Blüten. Im Sommer sind sie weich, im Herbst und im Winter brüchig und wenig. Um das Geld, das man investieren müsste, um gleichwertige Qualität wie bei kolumbianischen Nelken zu bekommen, könnte man sie nicht verkaufen.“
Der vorwitzige Rüssel
Die Gärtnerei Jedletzberger hat sich anderwärtig spezialisiert. Gräser, Schnittstauden, Beiwerk. Dort ein bisschen was, da ein bisschen was. Purpurglöckchen, Calla, Hortensien, Quitten, Schneerosen, Duftpelargonien, Pfingstrosen. Auch Lunaria, das Schillingblatt gedeiht in Simmering, die Jedletzbergers gehören zu den wenigen, die das zarte Gewächs mit den silbrig-durchscheinenden Blättern noch anbauen.
Vor allem aber Anthurien, diese exotischen Gewächse mit dem herzförmigen Blatt und dem vorwitzigen Rüssel. Mit Anthurien haben sich die Simmeringer Gärtner vor ein paar Jahren als erste und bisher einzige auf den österreichischen Markt getraut.
Wie ein Punschkrapferl
Warm und feucht ist es hier, man vermisst nur exotisches Vogelgezwitscher. Anthurien, auch Flamingoblumen genannt, so weit das Auge reicht. Die meist handtellergroßen Blüten tragen Schattierungen von grün, rot bis pink, man könnte auch punschkrapferlfarben dazu sagen. Es ist wie im Paradies.
Man vergisst kurz, dass man in einem Glashaus in Simmering steht. Und nicht im tropischen Urwald, dort kommen sie ursprünglich her. Ihr natürlicher Lebensraum ist das Unterholz. In Simmering hat man ihnen beste Bedingungen geschaffen. Sie wachsen hier auf aufgeschäumtem Kalkgestein, werden mit Regenwasser besprengt und mit Nützlingen vor Schädlingen beschützt. Die Anthurien, erzählt Werner Jedletzberger, waren die Idee vom Papa.
Simmeringer Nachbarschaftszusammenarbeit
Nach den anstrengenden Nelken wollte er was anderes. In Holland erblickte Vater Jedletzberger die schönen Exotinnen und verliebte sich. Man scheute zunächst die hohen Anschaffungskosten. Ein Glashaus voll Anthurien kostet gleich einmal 100.000 Euro. Dazu kommt das Rundherum, Energieschirm und isolierte Wände. „Wir haben die Anthurien auf Risiko probiert, jetzt funktioniert das schon seit zwanzig Jahren“, erzählt Mama Christa.
Was außerdem funktioniert, ist die Simmeringer Nachbarschaftszusammenarbeit. Die manifestiert sich etwa durch Kokosschnitzel. Viele Blumen, etwa die elegante Calla, wachsen auf mit Substrat gemischter Erde: Kokosschnitzel von den Nachbarn. Die bauen zunächst ihre Paradeiser, Gurken und Paprika auf Kokossubstrat an. Weil eine Kokosmatte für eine Kultur nur ein Jahr verwendet werden kann, wird sie im nächsten Jahr an den Nachbarn weitergegeben. So teilt man sich die Kosten.
Erfahrungsaustausch
Nicht nur bei den Kokosmatten arbeitet man unter Simmeringer Gärtnern zusammen. Zuletzt hat Werner Jedletzberger mit den Nachbarn eine Hackschnitzelheizung für die Glashäuser gebaut. Rat holten sie sich bei den anderen Gärtnern, die damit schon Erfahrung hatten. Perfekte Harmonie? Das war nicht immer so. Großvater Jedletzberger wusste da ganz andere Geschichten zu erzählen. Von wegen früher war alles besser.
4.600 gewerbliche Gärtner und Floristen gibt es in Österreich. Werner Jedletzberger, 37, ist einer von ihnen und er kann sich auch nichts anderes vorstellen. Die Gärtnerei ist für ihn Vergangenheit und Zukunft. Die Verlockungen der Immobilienentwickler, die den Gärtnern hier in regelmäßigen Abständen viel, viel Geld anbieten, um aus Feldern profitablen Baugrund zu machen, interessieren ihn nicht.
Man hat viel in den Betrieb investiert, die Gärtnerei ist auf dem neuesten Stand der Technik und vor allem: Werner Jedletzberger mag seinen Job. „Ich bin hier aufgewachsen, hab immer hier gewohnt. Das ist mein Leben.“
Im Jänner waren Blumen im Schnitt um 27 Prozent teurer als im Jänner des vergangenen Jahres. Grund sind die hohen Energiepreise. Um Kosten zu sparen, senken Züchter die Temperatur in den Gewächshäusern, sagt ein Sprecher der größten Blumen-Auktion der Niederlande, Royal Flora Holland. Dadurch produzieren sie weniger Blumen, doch die Nachfrage ist unvermindert hoch. Chrysanthemen sind heuer gar um 46 Prozent teurer als im Jänner 2021. Auch Gerbera und Rosen kosten wesentlich mehr.
Die meisten Rosen für den europäischen Markt kommen aus Kenia und Äthiopien und werden nach Europa geflogen - unter anderem in die Niederlande, wo sie versteigert werden. Durch die Pandemie ist die Kapazität für Luftfracht deutlich eingeschränkt. Die Energiepreise sind auch für die wenigen österreichischen Rosenzüchter Thema.
Der Grazer Stefan Wallner ist einer der größten Schnittblumenproduzenten Österreichs. Auf mehr als drei Hektar produziert er ganzjährig Schnittblumen. Vor allem Gerbera und Rosen, mit denen er Floristen, Großhändler und den Blumengroßmarkt in Wien beliefert. „Wir stöhnen unter den Energiepreisen“, sagt er. Mit den günstigen Blumen aus Afrika kann Wallner nicht mithalten.
„Natürlich ist es aufwendiger, in Österreich zu produzieren. Wir sind klimatisch benachteiligt. Und preislich nicht konkurrenzfähig zu den Billiglohnländern. Aber wir beschäftigen 35 Mitarbeiter, haben kurze Transportwege und die Blumen sind naturgemäß frischer, weil nach kürzerer Zeit bei den Kunden.“ Den Kunden wird zunehmend bewusst, was österreichische Qualität auch bei Blumen bedeutet. Und viele Blumenhändler schaffen es mittlerweile, den Österreich-Vorteil entsprechend zu vermarkten.
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