Warum Millionen Blumen auf der Müllhalde landen
Frühling ist traditionell Tulpenzeit, allen voran in den Niederlanden. Doch statt die Blumen über den halben Kontinent zu verteilen, sind die Niederländer derzeit vor allem damit beschäftigt, die Pflanzen zu entsorgen. „Das ist wirklich das erste Mal, dass wir das tun“, sagt der Sprecher der Genossenschaft Royal FloraHolland, Michel van Schlie. Doch es sei die „einzige Lösung“. Zur Größenordnung: Es geht um 70 bis 80 Prozent der Ernte.
Auch in Österreich werden massenweise Pflanzen vernichtet, weil Blumenhändler geschlossen halten müssen. „Das ist für die ganze Branche eine Katastrophe. Wir machen um diese Jahreszeit normalerweise 60 Prozent des Jahresumsatz“, sagt Bellaflora-Chef Franz Koll, der seine österreichweit 27 Märkte derzeit geschlossen hält. Ein Dilemma. „Die Lager sind voll, die Ware muss zu 100 Prozent abgeschrieben werden, die Rechnungen müssen aber trotzdem bezahlt werden.“
Verschenken oder vernichten?
Einzelne Händler haben die Pflanzen auf den Parkplatz gestellt, wo sie gegen eine freiwillige Zahlung abgeholt werden konnten. Für Bellaflora kam das nicht in Frage. Auch Verschenken war für Koll letztlich keine Option: „Das haben wir zwar überlegt, uns aber dagegen entschieden.“ Grund dafür waren ausgerechnet die Corona-Verhaltensregeln, die in der Praxis vor allem „Abstand halten“ bedeuten. Hätte der Blumenhändler die nun unverkäuflichen Blumen aus dem Lager geholt und zur freien Entnahme auf den Parkplatz gestellt, wären wohl zahlreiche Abnehmer erschienen. Und zwar auf engstem Raum. So gesehen hätte Bellaflora gleich das Geschäft aufsperren können, was aber in Corona-Zeiten verboten ist. Koll hat die Blumen letztlich an Altenheime verschenkt.
Eine Ausnahmeregelung vom Verkaufsverbot gibt es übrigens für Gärtnereien.
„Die Beschäftigung mit Blumen und Pflanzen ist gerade in dieser Zeit eine positive Abwechslung und gut für die Psyche“, schrieb der Bundesverband der Österreichischen Gärtner in einer Aussendung vergangene Woche nicht ganz uneigennützig. „Rufen Sie bei ihrem Gärtner an und fragen Sie nach den Öffnungszeiten und Lieferservice“, rät Branchensprecherin Ulli Jezik-Osterbauer.
Von blühenden Geschäften kann aber auch bei ihren Kollegen keine Rede sein. Mit den geschlossenen Gartencenterketten, Baumärkten und Floristen-Läden fällt die Kundschaft weg. Obendrein stornieren Hotels reihenweise ihre Blumenarrangements. Genauso wie Private, die Hochzeiten und andere Familienfeiern absagen.
Tulpen aus Österreich
In der Branche rumort es. Dass Supermärkte und Diskonter jetzt das Geschäft mit Schnittblumen, Blumenerde oder Frühblühern machen, sorgt für Ärger. Viele fordern, dass Supermärkte nur noch Lebensmittel verkaufen dürfen und nicht das große Geschäft mit so genannten branchenfremden Sortimenten – wie Blumen – machen. Doch ein Verbot würde weiteren Unternehmern das Geschäft verhageln.
Einer von ihnen ist Marco Waibel vom gleichnamigen Blumengroßhandel mit Sitz in Münchendorf. Der Niederösterreicher ist laut eigenen Angaben der größte Tulpenproduzent im deutschsprachigen Raum und erntet täglich mehr als 150.000 Stück, die binnen 24 Stunden an die Supermarkt- und Diskontketten geliefert werden. „70 Millionen Stück im Jahr – Rosen, Tulpen und andere Schnittblumen“, erläutert er. Dass die Supermärkte sich jetzt mit Blumen eine goldene Nase verdienen, sei weit weg von der Realität. „Die Blumenumsätze sind um 50 Prozent eingebrochen“, weiß Waibel. Würde der Verkauf von Blumen im Lebensmittelhandel verboten werden, wären die Folgen für seinen Familienbetrieb heftig: „Uns würden rund 100.000 Euro Umsatz am Tag entgehen“, sagt der Produzent und größte Fairtrade-Blumen-Importeur Österreichs.
Rosen aus Afrika
Die großen Rosenproduzenten sind in Ostafrika, vor allem in Kenia, beheimatet. Ihr Hauptabnehmer ist Europa. „Der Markt ist jetzt weggebrochen“, sagt Melanie Dürr, Fairtrade-Rosenexpertin in der Schweiz.
Derzeit würden viele Farmen versuchen, die Rosen zurückzuschneiden, in der Hoffnung, dass das Geschäft in einigen Wochen wieder anspringt. „Sehr lange kann man das aber auch nicht machen“, schränkt Dürr ein. Viele Farmen würden ohnehin längst ihre Mitarbeiter kündigen. Das Problem: Die wenigsten Farm-Arbeiter konnten sich von ihrem Gehalt etwas auf die Seite sparen. „Hier geht es um elementare Fragen wie den Kauf von Nahrung.“ Fairtrade hilft unter anderem mit den Fairtrade-Prämien, die in Krisenzeiten wie diesen bar um bis zu 50 Prozent an die Mitarbeiter ausbezahlt werden können. Die Entscheidung darüber obliegt den Farmen selbst.
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