Zusammenspiel
„Der Alltag unserer Tiere ist durchaus von der Interaktion mit den Besuchern geprägt“, berichtet Barbara Forstner aus dem Tierpark Stadt Haag in NÖ. Die zoologische Leiterin vermutet, dass sich viele Pflanzenfresser über den direkten Kontakt freuen; Ziegen, Alpakas, Pferde und Hochlandrinder dürfen hier gefüttert werden. Manch unbestechliche Arten vertreibt sich den Tag damit, es den Menschen gleichzutun. Paviane etwa beobachten gerne das rege Treiben auf der anderen Seite der Glasscheibe. Erdmännchen-Späher wiederum sind gefordert. „Die Pfleger und ich würden das höhere Aktivitätsprofil aber nicht negativ interpretieren“, betont Forstner.
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„Tiere in freier Wildbahn haben den ganzen Tag Stress“, sagt denn Reinhard Pichler. Der zoologische Leiter der steirischen Tierwelt Herberstein sieht Schaulustige im Gegensatz zum ständigen Kampf ums Überleben im natürlichen Umfeld ebenfalls als Bereicherung. Aus sicherer Entfernung wollen die Neugierdsnasen beschäftigt sein. Dafür müssen die Anlagen so strukturiert sein, dass Rückzug jederzeit möglich ist.
„Unseren Jaguaren ist herzlich egal, was los ist, die machen ihr Ding. Andere Raubkatzen gehen eher auf Distanz zu den Besuchern“, sagt Biologin Lisa Sernow aus dem Zoo Salzburg. Die Kuratorin beobachtet Löwen und Leoparden nur während der Pandemie nahe am Zaun. Zu Öffnungszeiten bevorzugen die sensiblen Großkatzen den Hügel mit Überblick über die Anlage wie über die Menschenmassen.
„Bei uns hat eine Löwin im Lockdown ein Junges gekriegt und nicht angenommen“, erinnert sich Pichler an die fordernde Aufzucht per Hand – zum Glück unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Üblicherweise werden Zootiere in Gefangenschaft geboren und sind so von Babytagen an an Publikum gewöhnt. „Die Jungtiere aus der Coronazeit haben sich anders verhalten als die Jungtiere, die im vollen Betrieb zur Welt gekommen sind“, ergänzt Sernow. Im steirischen Landestiergarten dagegen sind alle – von Antilope über Mandrill bis Trauerschwan – mit Ruhephasen vertraut; in der Wintersaison bleibt die halbe Woche geschlossen.
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„Wir beobachten tagtäglich, dass die Interaktion mit den Besuchern stark von der mit dem Pfleger abweicht“, weiß Forstner. So kommt es mitunter vor, dass sich der Zoodoc unter die Zuschauer mischt. Als Besucher getarnt kann er seine Schützlinge mit anderen Augen beobachten als in seiner Funktion als Veterinärmediziner im Gehege.
„Die Reaktionen der Tiere sind auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, und es ist wichtig, diese zu erkennen, um das Leben der Tiere zu verbessern“, schließen die britschen Forscher aus ihrer Studie. Das unterstreicht auch Lisa Sernow: „Zoos haben sich in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt und Verbesserungen für die Tiere gebracht. Dieser Prozess hört nicht auf.“
Nicht zuletzt liegt es an den Besuchern, wie gut es Breitmaulnashorn, Pfeilgiftfrosch & Co geht. „Besucher können das Wohlbefinden beeinflussen, indem sie sich ruhig verhalten. Die einen vertragen Lärm besser, die anderen – wie Faultiere – sind empfindlicher“, sagt Sernow. Und: „Besucher sollten respektieren, wenn sich nicht jedes Tier blicken lässt.“ Es sind eben nicht alle Rampensäue.
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