Austro-Influencerin Linda Lime: Ex-Lehrerin startet Tiktok-Schule
Linda B. kommt aus dem Mostviertel. Sie macht gerne Sport, reist viel, interessiert sich für Abenteuer und Action. Nach dem Studium unterrichtet sie an einer Mittelschule im Bezirk St. Pölten Englisch und Sport. Im März 2020 beginnt sie, Videos auf der kürzlich populär gewordenen Social-Media-App Tiktok hochzuladen – weil es ihr Spaß macht. Als sie nach dem Lockdown in die Schule zurückkommt, machen ihre Schülerinnen und Schüler große Augen. „Frau Lehrerin, wie haben Sie so viele Follower bekommen?“
Vollauf begeistert seien die Kinder gewesen, erinnert sie sich. Auch viele Kolleginnen und Kollegen und Eltern hätten sie in ihrer Leidenschaft bestärkt. Manche konnten damit aber auch gar nichts anfangen, sagt sie schmunzelnd. 300.000 Menschen folgten der 28-Jährigen damals. Inzwischen konnte Linda B., die sich online Linda Lime nennt, ihre Community auf 1,5 Millionen Menschen ausweiten.
Bedarf an Influencern
Als das anfängliche Hobby begann, zu viel Zeit zu beanspruchen, kündigte sie den Lehrerjob – „schweren Herzens“, wie sie erklärt. Sie begann, hauptberuflich Videos zu produzieren, u. a. Comedy, Hoteltests und Reisevideos. Dafür arbeitet sie viel mit lokalen Betrieben zusammen, berät Unternehmen, welche Inhalte sie für die Plattformen erstellen sollen. „Es ist ein sehr freier Job und ich kann gut davon leben“, sagt sie offen. Was viele nicht wissen: Oft reiche dafür schon eine kleinere Reichweite, sogenannte Microinfluencer. „Es gibt so viel Bedarf. Ich kann das allein für die Region Niederösterreich gar nicht abdecken“, sagt sie.
Nun soll es für sie doch wieder zurück zum Unterrichten gehen. Ihr Buch „Die Tiktok-Schule“ (edition a, 22 Euro) erscheint heute, Samstag. Außerdem gibt sie Workshops als Social-Media-Expertin. „Schon im Jahr 2021 habe ich an meiner Schule die Idee angebracht, Social Media professionell zu integrieren. Damals kam ein klares Nein“, erinnert sie sich. Tiktok und Instagram seien Freizeitsache und hätten keinen Platz in der Schule, hieß es.
Zwei Jahre später haben viele Schulen eigene Social-Media-Kanäle aus dem Boden gestampft, um die Zielgruppe zu erreichen. „Man merkt definitiv einen langsamen Wandel“, freut sie sich. Vielen Direktoren und Lehrkräften sei die digitale Lebenswelt der Jungen aber noch immer fremd.
Zukunftsträchtig
Ein Versäumnis, ist Linda Lime überzeugt: „Social Media wird ja nicht mehr von einen auf den anderen Tag weggehen.“ Die Generation Z (1995 bis 2010) und Generation Alpha (ab 2010) beschäftige sich tagtäglich damit; das technische Know-how sitze meistens weitgehend. Über Gefahren wie Cyberkriminalität wissen viele dennoch (zu) wenig Bescheid. „Die Gefahr bei diesen Plattformen ist, dass man sie zu sehr konsumiert und sich von der Informationsflut berieseln lässt“, kritisiert die Influencerin. Gerade Jugendliche müssten sich erst selbst kennenlernen und herausfinden, wer sie sind. Gute Vorbilder sind wichtig.
Viele Inhalte, die sie im Netz sehen, sehe sie kritisch. In der Tiktok-Schule möchte sie aufklären und zeigen, „dass Content Creator ein zukunftsträchtiger Job ist“.
Für die meisten sozialen Netzwerke gilt zwar ein Mindestalter von 13 Jahren. In Österreich muss man für die selbstständige Anmeldung aber 14 Jahre alt sein. In der Praxis gibt es wenige Hindernisse. Häufig tummeln sich schon Kinder im Volksschulalter auf Whatsapp oder Tiktok.
Für viel Aufsehen sorgte unlängst die Aussage des ehemaligen US-Generalarztes Vivek Murthy, wonach eine zu frühe Nutzung in entscheidenden Entwicklungsjahren zu einem „verzerrten Selbstbild“ führe. Jugendliche sollten erst im Alter von 16 bis 18 Jahren Zugang zu sozialen Netzwerken erhalten, sagt er.
„Kinder im Volksschulalter sind kaum bis gar nicht in der Lage, die Konsequenzen ihres Handelns im Internet einzuschätzen“, heißt es auch auf saferinternet.at. Bis sie das sind (zwischen 13 und 15 Jahre), sollten sie nur unter einem Nicknamen aktiv und ihre Inhalte nur für Freunde sichtbar sein. Eine pauschale Antwort für das richtige Alter gebe es jedoch nicht.
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