Game of Thrones: Warum die Royals faszinieren

Game of Thrones: Warum die Royals faszinieren
Das Warten auf den achten Urenkel der Queen hält die halbe Welt in Atem. Warum uns der Alltag von Prinzen und Prinzessinnen auch im 21. Jahrhundert bewegt.

Jeder Generation ihr Promi-Tod: Je nach Alter wissen wir, wo wir waren, als John F. Kennedy starb oder Elvis das Gebäude verließ. Und wir erinnern uns daran, als der Chauffeur von Lady Di durch den Pariser Alma-Tunnel raste und die Königin der Herzen bei einem daraus resultierenden Unfall starb. Die tieftraurigen Kindergesichter von Prinz Harry und Prinz William beim Begräbnis ihrer Mutter sind im kollektiven Gedächtnis verankert.

Ist deshalb das Interesse am Schicksal der mittlerweile erwachsenen, bald kahlköpfigen royalen Halbwaisen so groß? Allein der Instagram-Account von William und seiner Frau Kate hat acht Millionen Follower, und die Niederkunft von Harrys Frau Meghan beschäftigt weite Teile der Öffentlichkeit mit einer Intensität, als gäbe es keine anderen Themen.

Trotz Aufklärung, Demokratisierung und Emanzipationsbewegungen in weiten Teilen der Welt ist das Interesse an den Umständen, wie man sich an Königshäusern verliebt, verlobt und verheiratet, ungebrochen. Mehr noch: Der Hype um die Royals erlebt mit den englischen Herzoginnen Kate und Meghan neue Höhenflüge.

„Zwei junge Frauen spielen Prinzessin. Und sie machen ihren Job sehr ordentlich. Das ist ein schönes Narrativ“, sagt der Politikwissenschafter und Soziologe Michael Nitsche, Leiter des Umfrageinstituts Gallup. Die Leute wissen, dass das eine Inszenierung ist, aber: „Das ist der Job von Prinzessinnen im 21. Jahrhundert.“

Ähnlich sieht das David Haigh, Chef des britischen Marketingunternehmens Brand Finance, das sich auf die Bewertung von Unternehmensmarken spezialisiert hat: „Meghan Markle ist eine vollendete Schauspielerin in eigener Sache mit einer weltweiten Popularität und einer starken eigenen Marke. In Verbindung mit der Monarchie wird sie eine starke Botschafterin britischer Marken.“ Wer sich also Sorgen um den britischen Steuerzahler macht, dem sei gesagt: Der höfische Glanz kostet zwar, es fließt aber einiges in die Staatskasse zurück. So geben Briten und Touristen pro Royal Baby zusammen über 350 Millionen Pfund für Memorabilia aus.

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Kate-&-William-Häferl

Die Briten scheinen besonders begabt darin zu sein, ihre Monarchie kommerziell zu vermarkten, sagt die anglistische Literatur- und Kulturwissenschafterin Julia Lajta-Novak. „Man denke nur an das gewaltige Merchandising, das mit jeder königlichen Hochzeit einsetzt: Kaffeetassen, Keksdosen, Gedenkmünzen, Taschen, Kühlschrankmagnete. Es ist unbestritten, dass das Königshaus ein Tourismusbringer ist.“

Ob die Royals insgesamt ein Verlustgeschäft sind oder dem Land Gewinn bescheren, darüber streiten Experten. „Die größere Bedeutung kommt dem Königshaus als identitätsstiftender Faktor zu. Die Windsors verkörpern Traditionen und Geschichte, samt Prunk und Brimborium, der zu ihrer glamourösen Stellung eben dazu gehört. Dadurch dienen sie als Projektionsfläche für Sehnsüchte und Ängste. In der Biografieforschung spricht man von exemplarischem Leben.“

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Mehr Public als Private Affairs: Schmusen mit Charles und Diana, Kate und William, Harry und Meghan

Die Verehrung der britischen Royals ist ein globales Phänomen – auch wenn ein gewisser Hang der Österreicher zu Kaiser- und königlichen Belangen von Traditions wegen nicht zu leugnen ist. „In Österreich ist die höfische Kultur noch viel präsenter als etwa in Deutschland“, konstatiert der Berliner Medienpsychologe Jo Groebel. Die heimische Adelsnostalgie zeige sich zwar nicht im politischen Erbe, sehr wohl aber in Etikette und Kultur.

(K)ein Staatsbegräbnis

So war das Begräbnis von Otto Habsburg 2011 offiziell natürlich kein Staatsbegräbnis, der Aufwand, der dafür betrieben wurde, aber beachtlich: Ein Trauerzug durch die Wiener Innenstadt, samt Sperre der Ringstraße und einer Ehrengarde des Bundesheeres. Dennoch: Dass sich die Österreicher einen Kaiser wünschen, kann man aus demoskopischen Untersuchungen nicht ablesen. So antworteten 2011 in einer Gallup-Umfrage 66 Prozent auf die Frage „Sollten die Habsburger wieder mehr politische Bedeutung in Österreich haben?“ mit „Nein“. Einen Kaiser kann sich die Mehrheit ebenfalls nicht vorstellen. Wozu auch: Mit dem Amt des Bundespräsidenten wurde 1920 eine Institution in die Verfassung eingeführt, die für viele als Ersatzkaiser galt. Auch wenn das heute nicht mehr stimmt: Der Ausdruck ist nach wie vor im Sprachgebrauch.

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Der ewige Prinz, Gast in der Hofburg: Charles und Camilla mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Gattin Doris Schmidauer

 

Mindestens so populär wie in Österreich sind die Windsors in den USA, Anglistin Lajta-Novak meint sogar, gerade weil es dort keine Monarchie gegeben hat. Kaum publiziert der Palast via Social Media neue Porträts der kleinen Prinzen und Prinzessinnen, überschlagen sich People-Magazine mit ekstatischen Eilmeldungen. „Für US-Amerikaner verkörpern die Royals also etwas Exotisches, Märchenhaftes.“

Ritter der Kokosnuss

Warum sich von weltweit noch ca. 50 bestehenden Monarchien gerade das britische Königshaus international so großer Beliebtheit erfreut? Lajta-Novak: „Die Royals blicken auf eine lange, mythenumwobene Familiengeschichte zurück. Die politischen und gesellschaftlichen Revolutionen haben die Monarchie zwar verändert, aber nicht beseitigt. Auch im eigenen Land stehen die Royals daher für Tradition und Stabilität, und das lässt sich gut vermarkten. Zum anderen darf man die Dimensionen des ehemaligen Empire nicht vergessen, die enorme Reichweite der britischen Kultur und die große Verbreitung der englischen Sprache: Ein riesiger Resonanzraum für britische Kulturgüter aller Art – von Mr. Bean bis Monty Python.“ (Apropos: Michael Palin wurde vor kurzem als erstes Mitglied der Komiker-Truppe zum Ritter geschlagen. Der „Sir Galahad“ aus den „Rittern der Kokosnuss“ ist nun tatsächlich Ritter.)

„Historisch sprechen wir über das einzige Weltreich, dessen Spuren über alle Kontinente hinweg zu finden sind“, sagt auch Royal-Experte Groebel und spannt den Bogen zum zweiten großen Drama der britischen Gegenwart. „Diese Grandeur manifestiert sich politisch immer noch im Commonwealth. Dem hängen viele Engländer nostalgisch nach, das ist sicher auch ein Grund für den Brexit-Wunsch.“

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Identitätsstifterin: Queen Elizabeth ist seit 1952 im Amt

Sogar Skandale können die Insulaner besser als andere, erläutert Groebel am Beispiel des spanischen Königshauses, das in jüngster Vergangenheit durch diverse Fehltritte auffiel. Auf der einen Seite ein korrupter Schwager und ein abgedankter König auf Großwildjagd, auf der anderen Seite ein extrem introvertiertes Königshaus – diese Kombination erscheint selbst sensationslüsternen Royal-Watchern nicht stimmig. Groebel: „Bei den Briten ging es immer eher um Amouren und Eifersüchteleien. Die haben mehr Klasse.“

Derartige Affären machen sich auch auf der Leinwand gut. Autoren und Filmemacher tragen deshalb das Ihre zum Hype um die Königsfamilie bei: Man denke an den oscarprämierten Film „The Queen“ (2006) oder die Netflix-Serie „The Crown“, deren dritte Staffel demnächst an den Start geht.

Die (echten) Windsors distanzierten sich von der erfolgreichen Nacherzählung ihrer Familiengeschichte.

Womöglich, weil dort zuweilen entlarvende Sätze fallen. So erklärt die Serien-Queen-Mum ihrer Tochter, Prinzessin Margaret, wie Monarchie funktioniert: „Keiner will von der Krone Realität und Komplexität. Davon haben die Leute in ihrem eigenen Leben genug.“

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