Warum der Adel nichts von seiner Faszination verloren hat

Warum der Adel nichts von seiner Faszination verloren hat
Lisbeth Bischoff über die Popularität der Royals.

Auch wenn den Adeligen das Regieren längst abhanden gekommen ist, hat der Adel nichts von seiner Faszination verloren – und das in Zeiten, wo wir schon längst zu aufgeklärten Demokraten zählen.

„Demokratie ist immer glanzlos, und alles ist funktional und anonym und muss klappen, und genau dadurch entsteht eine tiefe Sehnsucht nach Glanz, nach Fest, nach Verzauberung, nach üppigem Dekor“, erläutert die Wiener Motivforscherin Helene Karmasin.

Die Welt des Adels. Familien, die im „Gotha“, dem „Who’s who“ der Adelsklasse, keine Erwähnung finden, gehören einfach nicht dazu. Wer durch Hochzeit in den Adelsstand erhoben wird, erfährt eine Einweisung in die höfischen Regeln.

Ein alter Bürgertraum

Eine morganatische Ehe, also aufgrund mangelnder Ebenbürtigkeit der Braut, wird auch als Ehe zur linken Hand bezeichnet, da die Frau an der linken – statt wie sonst üblich – rechten Seite des Ehemannes sein muss. Ein Unterschied muss offenbar sein . . .

Als der heutige spanische König Felipe am 22. Mai 2004 seine Letizia heiratet, geht sein Vater, der damalige König Juan Carlos, beim Einmarsch der Hochzeitsgesellschaft in die Almudena-Kathedrale neben seiner Schwester, der Infantin Pilar. Nach spanischem Brauch hätte er an der Seite der Brautmutter in das Gotteshaus schreiten müssen. Manche Medien werten das Verhalten des Königs als einen Affront gegen Letizias Familie, die über keinerlei Bindungen zum Adel verfügt.

Ein alter Bürgertraum, so zu sein wie die Adeligen, die Hauptdarsteller vieler Märchen und der Stoff, der viele zu Herzen rührt: reicher Prinz verliebt sich in arme Bürgerstochter oder armer Bauernsohn erobert durch Tapferkeit das Herz der Prinzessin, und sie leben glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.

Erinnern wir uns an den 19. Juni 2010, als Kronprinzessin Victoria von Schweden nach der Hochzeit ihrem Volk zurief: „Danke, Ihr habt mir meinen Prinzen geschenkt!“ Sieben Jahre musste sie warten, bis ihr Vater, der König, der Heirat mit dem bürgerlichen Daniel Westling zustimmte. Ach, da blieb kein Auge trocken . . .

Nur für Stubenmädchen!

Wir wollen in eine Märchenwelt eintauchen, die uns träumen lässt, uns an die wahre Liebe glauben lässt . . . inmitten der Turbulenzen, die uns im wirklichen Leben umspülen.

Liebe ist nur etwas für Stubenmädchen! In diesem berühmten Spruch, der in Adels- und Königshäusern kursiert, steckt sehr viel Wahrheit, sind Historiker überzeugt.

Es ist viel leichter, eine Ehe aufrechtzuerhalten, wenn das Paar eine Aufgabe verbindet. Liebe verfliegt, die Aufgabe bleibt.

Dann gibt es keine Missverständnisse: Sie heiratet aus Liebe, er braucht eine Frau, um zu repräsentieren.

Lassen wir uns nicht blenden, denn auch hinter so manchen Palastmauern fliegen die Fetzen.

Aber schön sind sie eben doch, die Märchen.

Lisbeth Bischoff ist Journalistin und Autorin. Im ORF wurde sie auch als Moderatorin und Gestalterin zahlreicher Livesendungen bei Adelshochzeiten und Thronwechseln bekannt. Sie schrieb mehrere Sachbücher, darunter „Adel Inside: Hinter den Kulissen der Herrscherhäuser“ sowie „Merci, Udo Jürgens“.

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