Warum der Mehrfachaufguss in der Energiekrise beliebter wird
Christoph Masin betreibt in vierter Generation das älteste Tee-Geschäft Wiens – der selbst ernannte "TJ" über die Anfänge des Teehandels und das rege Interesse am Mehrfachaufguss in Zeiten der Energiekrise.
Das kleine Tee-Geschäft in der Wiener Innenstadt blickt auf eine bewegte Geschichte zurück – es trotzte dem Zusammenbruch der Monarchie, zwei Weltkriegen, der Weltwirtschaftskrise und schließlich der Pandemie. Heute, die Stehplatzkasse der Staatsoper im Rücken, erinnert nur noch die schwarz-weiße Fassade aus der Schule Otto Wagners an alte Zeiten.
Im Jahr 1862, ein Jahr nach dem Baubeginn der Oper, hatten die Kaufleute Engelbert Jäger und Josef Einzenberger den richtigen Riecher und entschieden sich für den vielversprechenden Standort (1., Operngasse 6, www.jaegertee.at) – lange vor Fertigstellung der Ringstraße.
"Zwar verließ Jäger kurz darauf das Unternehmen, doch der Name blieb, schließlich hatte man bereits alle Drucksorten mit diesem Namen versehen", erzählt Christoph Masin, der Wiens ältestes Tee-Geschäft führt und dieser Tage das 160-Jahr-Jubiläum feiert.
Nachdem die Händler Spirituosen aus Übersee verkauften, sollte auch eines Tages ein Gunpowder – ein grüner Tee aus China – den Weg in das Geschäft finden. Abgepackt in winzigen, nur ein Gramm schweren Sackerln wurde die edle Ware mit Kutsche und Schimmel zu gehobenen Restaurants, Cafés und gutbürgerlichen Haushalten transportiert.
"Der Tee war damals keinesfalls ein Alltagsgetränk, eher betuchte Kunden tranken ihn. Heute verkaufen wir mit der Sorte ,Temple of Heaven’ einen Tee, der sehr nahe an das herbe Geschmackserlebnis von damals herankommen dürfte. Auch wenn sich die Plantagen natürlich weiterentwickelt haben."
Um die Jahrhundertwende vergrößerte die Familie das Tee-Sortiment – die nächsten Generationen übernahmen. Masin kam durch die Liebe zum Tee: "Nämlich durch meine Frau Lisa, deren Urgroßvater der Neffe des Gründers ist. Ich habe zwar immer schon Teetrinker, aber erst durch sie und meinen Schwiegervater habe ich die Kunst des Teemischens und die unterschiedlichen Nuancen kennengelernt."
Kunst des Aufgusses
Auf Wunsch mischt der "TJ" individuelle Kreation in der traditionellen, hölzernen Teetrommel ab und zeichnet die persönliche Rezeptur für den Kunden auf. In Zeiten der Teuerung bemerkt der Experte einen Trend zu Mehrfachaufgüssen: "Bei uns kommen 100 Tassen Tee auf rund 6 Euro, kein Vergleich zu den Preisen von Tee im Supermarkt. Jetzt, wo alles teurer wird, zeigen wir den Kunden, wie sie aus einer Kanne Tee drei- bis viermal mehr herausholen können als mit nur einem einzigen Aufguss."
Dabei geht es um das perfekte von Verhältnis Tee, Wasser und Ziehzeit: "In eine japanische Teekanne kommen 5 g Tee auf 150 ml Wasser: Den ersten Aufguss lässt man mindestens 30 Sekunden ziehen, ab dem zweiten Aufguss ist das Teeblatt schon offen, jetzt kann man die Teezeit erhöhen. Anders als bei einer vollen Kanne verändert sich der Geschmack mit jedem Aufguss. Und es schont die Geldbörse."
Wörterbuch
Der Begriff Tee bezieht sich auf die Aussprache des chinesischen Schriftzeichens, das die Fracht aus Südchina erhielt
1610
Ankunft in Europa
Die Niederländische Ostindien-Kompanie brachte im 17. Jh. zum ersten Mal eine Schiffsladung grünen Tee in die Niederlande. China gilt als Mutterland des Anbaus von Tee: Auch wenn man nicht weiß, wann dieser begonnen hat, so gab es 221 v. Chr. bereits eine Teesteuer. Grüner Tee wird vor allem im Süden des Landes angebaut – Sträucher der chinesischen Teepflanze Camellia sinensis werden bis zu 100 Jahre alt
Trend 2023
Laut Trendforschern könnten wir bald Yaupon trinken: Der Stechpalmenstrauch aus den USA ist eine koffeinhaltige Pflanze
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