Überraschungsdinner: Das Geheimnis von Naked Kitchen
Treffpunkt Prater, Endstation Liliputbahn. Mit einem Glas Prosecco in der Hand rätseln die sechzig Gäste, wo hier das Dinner stattfinden wird. Sie wissen nur, dass der gebürtige Vorarlberger Spitzenkoch Michael Wolf, dem eines der angesagtesten Lokale in Amsterdam gehört, ein Viergangmenü servieren wird. Der Rest bleibt eine Überraschung.
„Alles einsteigen“, heißt es, dann fährt die Liliputbahn los. Vorbei am Wurstelprater, am Schweizerhaus, weiter zur Rotunde bis zum Ernst-Happel-Stadion. „Wird es ein Abend auf dem Fußballfeld oder in den Garderoben der Spieler?“, fragen sich die einen. „Oder ein Picknick unter Sternen?“, orakeln die anderen. Doch die Bahn macht die Schleife und fährt wieder zurück. Erst auf den letzten Metern biegt sie ab – in die Remise. Gedämpftes violett-rosa Licht, geschmackvoll gedeckte Tische neben den geparkten Waggons und feinste Livemusik mit dem Soulsänger Big John und dem Saxofonisten Ollie. Die Handys werden gezückt, das Wow-Erlebnis – vom Dinner bis zum Tanz zu später Stunde – zigfach auf Videos festgehalten. Die Überraschung ist Nicolai Raimond, dem Erfinder und Veranstalter von „Naked Kitchen“, wieder einmal gelungen.
Der Selfmademan und seine Ideen
Nico, wie ihn seine Freunde nennen, absolvierte in seiner Heimatstadt Innsbruck das Tourismuskolleg, jobbte dann im In- und Ausland, und machte sich schließlich im Eventbereich selbstständig. Seine Clubbings und Veranstaltungen waren erfolgreich, sein Ausflug in die Modeszene in Stockholm weniger. Er kehrte nach Wien und zu seinem ursprünglichen Beruf zurück. „Ich wollte unbedingt noch einmal etwas mit Gastro machen. Ein eigenes Lokal wäre für mich nicht infrage gekommen. So ist die Pop-up-Geschichte entstanden“, erzählt der 43-jährige Selfmademan. „Es war aber nichts Neues, eine Pop-up-Location für einen Monat zu mieten, das ist einfach. Aber einen unbekannten Ort ohne Küche für ein, zwei Tage, das macht keiner.“
Im ehemaligen Tresorraum einer Bank fand das erste Secret Dinner 2014 statt. Die Gäste wussten auch damals nur, wer der Koch ist. Den Treffpunkt erfuhren sie erst einen Tag vor dem Event. „Coole Orte zu finden, ist die größte Herausforderung. Denn es wird nie eine Location zweimal bespielt.“ Nico ist ständig im ganzen Land unterwegs auf der Suche nach neuen, außergewöhnlichen Plätzen. Einmal fand das Dinner in einer aufgelassenen Lagerhalle, dann in einer Autowerkstatt zwischen den Autos statt, die gerade von Mechanikern repariert wurden. „Sehr cool war auch im New-York-Style eine aufgelassene Traktorenfabrik in Wien. Da fahren die Gäste im Lastenaufzug in den dritten Stock, die Türen öffnen sich und dann staunen sie über das märchenhaft dekorierte Loft mit den großen Fenstern“, schwärmt Reimond.
Nackte Köche gibt es bei Naked Kitchen nicht. Der Name der Veranstaltungsreihe, die in sämtlichen Städten Österreichs stattfindet (Termine unter naked.kitchen), entstand, „weil ich nackte Locations bespiele, wo es keine Küche gibt“.
Reich werde er mit den Secret-Dining-Events nicht. Mit dem Ticketpreis – hundertvierzig bis hundertfünfzig Euro pro Person – gehe es sich dank einiger Sponsoren mit den Kosten knapp aus. Miete für die Location, Livemusik oder DJs, Tonanlagen, Equipment und Dekoration, frische Ware, Köche und das Servicepersonal müssen finanziert werden. „Wir sind ein eingespieltes Schlüsselteam und den Köchen macht das kleine Abenteuer genauso viel Spaß wie unseren Gästen“, sagt Reimond. Besonders engagiert ist das junge Servicepersonal von der Hotelfachschule Bergheidengasse in Wien oder dem Tourismuskolleg in Innsbruck.
Gute Ideen hat der Tiroler auch für andere Events, egal ob für Privatpersonen oder für Unternehmen. Zum Beispiel die Kooperation mit dem Weltmuseum in Wien. Dort fand in dieser Woche ein besonderes Pop-up-Dining mit Sternekoch Anton Pozeg (siehe Rezept unten) statt. Passend zum aktuellen Ausstellungsthema „Seidenstraße“ zauberte der Executive Chef vom Schloss Elmau in Bayern ein asiatisches Menü auf die Teller der hundert Gäste.
Im Gegensatz zu dem Secret-Dining möchte Reimond das Weltmuseum regelmäßig als Pop-up-Location bespielen. „Ich verhandle gerade mit Tala Bashmi, die in Bahrain kocht und als beste Köchin im Mittleren Osten und Nordafrika ausgezeichnet wurde. Wenn sie kommt, wäre das ein Wahnsinn, sie passt zum Weltmuseum“, sagt Nico, der auch von einem Naked-Kitchen-Projekt in New York träumt.
Rezept
Beef Gyoza mit Wafu-Dressing von Anton Pozeg, das er im Weltmuseum Wien kochte.
Beef Gyoza
300 g Gyoza-Blätter
250 g Rinder-Faschiertes
2 Frühlingszwiebeln sehr fein geschnitten
80 g Shiitake-Pilze fein gewürfelt
10 g frischen Koriander fein geschnitten
1 Knoblauchzehe geschält und klein geschnitten
2 TL Ingwer fein gewürfelt oder gerieben
1 Stange Zitronengras gerieben
1 EL Reisessig
1 EL Sesamöl
1 TL Chiliflakes
3 EL Sojasauce
TL Speisesalz
1 TL Limettensaft
- Frühlingszwiebeln und gerösteter Sesam als Garnitur.
- Faschiertes mit Frühlingszwiebeln, Shiitake-Pilzen, Koriander, Knoblauch, Ingwer und Zitronengras in eine Schüssel geben und mit den Händen vermengen.
- Reisessig, Sesamöl, Chiliflakes, Sojasauce, Salz und Limettensaft dazu geben und wieder vermengen.
- Auf einer trockenen Arbeitsfläche 5–6 Gyoza-Teigblätter auflegen und jeweils einen TL Füllung in die Mitte geben. Den Rand des Blattes mit kaltem Wasser befeuchten. Die Ränder aufeinanderlegen, sodass ein Halbkreis entsteht und gut zusammendrücken. Wichtig: Es darf sich keine Luft in der Teigtasche befinden.
- In einer Pfanne etwas Rapsöl bei mittlerer Hitze erhitzen und so viele Gyoza wie möglich nebeneinander in die Pfanne legen, bis der Boden bedeckt ist.
- Die Gyoza auf einer Seite schön bräunen lassen.
- Nun vorsichtig so viel Wasser zugeben, dass der Boden leicht bedeckt ist. Den Deckel aufsetzen und die Temperatur etwas mindern – simmern lassen.
- Nach etwa zwei Minuten sollte der Teig leicht durchsichtig werden. Den Deckel entfernen und das Ganze leicht erhitzen, bis das Wasser verdampft ist.
- Wafu-Dressing großzügig auf flache Teller geben. Die fertigen Beef-Gyoza mit der gebratenen Seite nach oben auflegen, mit Frühlingszwiebel und Sesam dekorieren.
Wafu-Dressing
100 g Granny Smith Äpfel schälen, klein schneiden
1 Knoblauchzehe gekocht
20 g Selleriestange gewaschen und klein geschnitten
50 g weiße Zwiebel ohne Schale, klein geschnitten
30 g Mirin (Reiswein)
100 g Reisessig
6 g Sesamöl
12 g Traubenkernöl
- Apfelstücke mit Knoblauch, Sellerie, Zwiebel, Mirin und Essig so pürieren, dass noch etwas Struktur da ist.
- Die Masse in eine Schüssel geben, Trauben- und Sesamöl mit dem Schneebesen unterrühren.
Termine von Naked-Kitchen Events
22. Februar 2022 Weltmuseum Wien mit Köchin Sandra Scheidl
29., 30. April 2022 Pop-up-Dining mit Michael Wolf - Secret Location in Hohenems
15. Juni 2022 Secret Location in Wien - Summer Special
5. bis 7. November 2022 Secret Location in Salzburg
Reservierungen unter naked.kitchen
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