Kilometerlange Weingeschichten auf der deutschen Weinstraße

Kilometerlange Weingeschichten auf der deutschen Weinstraße
Das milde Klima auf der Deutschen Weinstraße zwischen Pfälzerwald und Rhein lässt Weine gedeihen, vor allem den Riesling.

Über fünfundachtzig Kilometer verbindet die Weinstraße kleine Städte in der Pfalz. Man lebt gerne hier, ist stolz auf das, was über Generationen entstanden ist, und möchte es bewahren und weiterentwickeln. So hat Kultur- und Weinbotschafter Bernd Schöpsdau den drohenden Verkauf seines Elternhauses in der Gemeinde Maikammer verhindert, die ehemalige Posthalterei, einst durch den Fürsten von Thurn und Taxis errichtet. „Meine Frau und ich, gerade frisch verheiratet und mittellos, konnten mit einem Bankkredit das Haus erwerben.“

Mit einem Lächeln auf den Lippen holt er den von der Gattin liebevoll vorbereiteten Teller mit Snacks und öffnet eine Flasche Sekt, „seinen Sekt“. Er hat hier 1980 als erster Winzer mit der professionellen Sekterzeugung begonnen. Beim Gang durch die Marktstraße führt Bernd Schöpsdau in einen restaurierten Renaissancebau, mit Parkettböden und Stuckdecken.

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Dort ist jetzt die Ortsvinothek eingerichtet, der hohen Dichte an Weingütern von über hundertfünfzig Winzern geschuldet. Gegenüber eine Fassade mit Treppengiebel, gleichfalls aus der Renaissance stammend. Die Renovierungsarbeiten sind noch im Gang, in ein bis zwei Jahren soll man aber hier wieder wohnen können. Vielleicht im selben Zimmer, das einst Napoleon bezogen haben soll.

Die lange Geschichte des Pfälzer Weinbaus

Jeder Besuch in einem Weingut öffnet Einblicke in Familiengeschichten, in persönliche Lebenserfahrungen. Meistens ist man von früher Kindheit an mit dem Weinbau aufgewachsen. Jetzt steht man vor neuen Herausforderungen. Wie im Weingut Schäfer, wo täglich vierzigtausend Liter Wasser zu den jungen Weinstöcken gebracht werden, damit sie der Hitze und Trockenheit dieses Sommers standhalten. Der junge Winzer Oliver Gabel, mit Tiroler Wurzeln und als Aufsteiger des Jahres prämiert, leitet seinen Familienbetrieb in dreizehnter Generation. Seit der Übernahme hat er innerhalb von drei Jahren auf biologischen Weinbau umgestellt. Im Gewölbekeller setzt er auf Tradition, seine Weißweine reifen in riesigen, über hundert Jahre alten Eichenfässern.

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Die Geschichte des Weinbaus entlang der Weinstraße reicht noch viel weiter zurück, wie man an römischen Funden im Weingut Pfeffingen in Ungstein sieht, die bei der Erweiterung des Gutshofes entdeckt wurden. Bei Bad Dürkheim zeugt das Römische Weingut Weilberg von der fast zweitausendjährigen Geschichte der Weinproduktion. Unter einer teilweise rekonstruierten Villa, deren Säulen das Grün der Weingärten überragt, ist eine funktionsfähige römische Tretkelteranlage erhalten, wo die Trauben mit den Füßen gestampft wurden.

Bei einer gemütlichen Radtour reihen sich Weingüter und romantisch anmutende Gemeinden in einer einzigartigen Kulturlandschaft wie eine Perlenkette aneinander. Mit Blicken ins weite Land in Richtung Rheinebene oder hinauf zum sanft ansteigenden Grün des Pfälzerwaldes, wo kleine Schlösser und Burgen thronen. Wie das Schloss Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben mit seiner auf Säulen ruhenden doppelstöckigen Loggia. Es war einst die Sommerresidenz des Bayernkönigs Ludwig I. Oder das Hambacher Schloss, im Mittelalter als Burg erbaut und später zu einem Schloss ausgestaltet.

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Moderne Weinseeligkeit

Politik hat an der Weinstraße immer wieder eine Rolle gespielt. Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl hat immer wieder Staatsgäste in den Deidesheimer Hof geladen. Ein Ort mit besonderem Flair, wenn man etwa in der Abendsonne mit einem Glas trockenen, kühlen Riesling auf der Terrasse am Marktplatz von Deidesheim sitzt, mit Blick auf den sprudelnden Andreasbrunnen und dem barocken Rathaus dahinter.

Nur wenige Fahrradkilometer sind es bis in die kleine Gemeinde Forst, wo ein Weinfest lockt, die „Weinkerwe“ beim „Ungeheuer“, eine Spitzenlage für Riesling. Die Höfe entlang der Hauptstraße stehen offen, in manchen spielt Livemusik, in anderen legt ein DJ auf, Weinseligkeit modern interpretiert. Die Stimmung ist großartig, man kostet von den Weinen und kulinarischen Köstlichkeiten der regionalen Küche. Und zieht weiter. Die Fassaden der alten Weingüter geben eine prächtige Kulisse vor dem noch hellen Abendhimmel ab. Wenn man an einem Tisch mit freien Plätzen vorbeigeht, wird man als Gast rasch zum Mitfeiern eingeladen. „Je alla, setz dich dazu und stoß mit uns an.“ Wein verbindet eben. Von Manfred Ruthner

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