Geduld und Liebe beim Brotbacken: Mein Freund, der Sauerteig

Geduld und Liebe beim Brotbacken: Mein Freund, der Sauerteig
Backen mit Sauerteig liegt voll im Trend. Motto: ansetzen, pflegen, hegen, füttern. Manchmal wird daraus mehr.

Petra spricht mit ihm. Bettina nicht, die mag’s unkompliziert. Barbara hat gleich zwei davon: einen alten, namens Balthasar und einen neuen, der heißt Melchior. Drei Frauen und ihre Sauerteige, drei Geschichten einer speziellen Beziehung.

Alles begann vor drei Jahren, während der Pandemie, erzählt Petra, da fing sie an, Brot zu backen. Mittlerweile ihr meditatives Wochenritual – mit einem Sauerteigansatz, den sie seit damals führt und der heute, mehr denn je, tolle Ergebnisse liefert: „Das Brot wird damit immer knuspriger und lockerer, ich backe sogar schon für andere mit, weil sie so begeistert sind“, erzählt sie.

Auf ihren Sauerteigstarter aus Roggenmehl achtet sie wie auf einen guten Freund, kümmert sich regelmäßig um ihn, füttert ihn mit Mehl und Wasser. „Das ist wie in einer Beziehung. Nur, wenn ich dem Teig kontinuierlich Aufmerksamkeit schenke, wird das was.“ In diesem Fall geht es um Triebkraft, die das Brot schön fluffig macht.

Die mit dem Teig spricht

Gelegentlich plaudert die Hobbybäckerin mit dem Teigansatz: „Klingt komisch, aber manchmal, wenn ich ihm Mehl füttere, sage ich, dass ich mich über ihn freue, weil er mir hilft, so gut zu backen.“ Mit etwas Glück währt diese Beziehung ein Leben lang, brav gehegt und gepflegt kann ein Sauerteig Jahrzehnte überstehen.

Sauerteig im Glas

Der perfekte Sauerteig braucht Liebe und Geduld

Bettina sieht das alles pragmatischer: „Brotbacken bereichert mein Leben. Ja, das braucht Muße, schnell wird selten gut. Gleichzeitig darf man es entspannt angehen.“ Die Beziehung zu ihrem Sauerteig (und dessen Pflege) beschreibt sie als unkompliziert: „So wie ich auch sonst im Leben unkomplizierte Beziehungen schätze.“

Das war anfangs gar nicht so leicht. Dem allgemeinen Brotback-Hype folgend, ackerte sie viele Blogs zum Thema durch – ihre Erkenntnis: „Zu kompliziert, zu wissenschaftlich, viel Rechnerei.“

Rezept mit Aha-Effekt

Schließlich stolperte sie über dieses eine magische und schlichte Rezept – das Aha-Erlebnis: „Jö, so kann’s auch gehen.“ Ihr erster Sauerteig war geboren, das erste Brot gebacken. Seither läuft’s. Namen hat er keinen: „Das fände ich ein bisserl komisch.“ Was für Barbara unvorstellbar wäre: „Also bitte! So ein Teig ist ein lebendiger Organismus, der braucht einen Namen.“ Balthasar und Melchior, wie erwähnt. Die zwei funktionieren königlich.

Vom Starter zum Brot

Jeder Weg zum Brot beginnt mit dem ersten Schritt – der Herstellung eines Sauerteigansatzes, auch „Starter“ oder „Anstellgut“ genannt. Mehl wird mit Wasser vermischt – alles andere passiert von selbst, als natürlicher Fermentationsprozess: Die wilden Hefen und Mikroorganismen, die im Korn stecken und von denen wir Menschen umgeben sind, führen dazu, dass das Gemisch zu gären beginnt. Nix für Ungeduldige: „Das braucht Zeit, Liebe und die richtige Temperatur“, sagt der Foodblogger und Brotback-Experte Alexander Melanidis, der Back-Workshops veranstaltet.

Alexander Melanidis: Blogger und Brotexperte

Alexander Melanidis: Blogger und Brotexperte

„Temperatur ist besonders wichtig, weil das Gewusel an Organismen erst ab mindestens 25 Grad beginnt, sich richtig wohlzufühlen. Nur dann bewegen und vermehren sie sich, alles beginnt schön zu blubbern.“ Ein bisschen Gespür dafür braucht es  schon“, betont er. 

Doch dann: Ein Anfang ist gemacht. Der Rest wird aufbewahrt und  weiterverwendet, denn damit werden künftige Brotteige „geimpft“, sodass das Brot leicht säuerlich, großporig und knusprig wird. Ein neuer Mitbewohner ist quasi eingezogen, der   sensibel sein kann: „Sauerteig ist ein bisschen wie eine Diva, er braucht viel Aufmerksamkeit“, sagt Melanidis. 

Sauerteig-Sitter

Und gibt gleichzeitig zu, dass es auch bei ihm Phasen gab, in denen er sein Leben nach dem Sauerteig gerichtet hat. „Manchmal wurde es zum Problem, am Wochenende weg zu sein oder in den Urlaub zu fahren – denn wer kümmert sich dann um den Teig und füttert ihn?“ Mit der Zeit hat sich das wieder eingependelt – „wie bei einer Beziehung: Am Anfang haut man alles rein, dann wird man wieder entspannter.“ Mittlerweile weiß er, dass das „Sauerteig-allein-zu-Haus“-Prinzip auch ohne Babysitter funktioniert – eine gewisse Zeit zumindest und mit ein paar Tricks.

Kühe mit einem intakten Verdauungssystem, die Kräuter, Gräser und Blumen fressen, haben davon jede Menge. Dieser Kuhmist ist das beste Substrat für einen Sauerteig.“ Bis es so weit ist, dauert es allerdings: Um den Mist sauber zu bekommen, wird er sehr lang in Wasser eingelegt und schließlich gefiltert. „Doch dann ist das die stabilste Sauerteigkultur, die man sich nur vorstellen kann. Ich nenne sie Frolando und bin richtig schockverliebt.“ So sehr, dass auch er mit seinem Sauerteig spricht. Auf Italienisch, naturalmente.

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