Ei auf Ex: Warum der industrielle Eierlikör nichts taugt

Ei auf Ex: Warum der industrielle Eierlikör nichts taugt
In den Wochen vor Ostern steigt die Lust auf Eierlikör – heutzutage aus Freilandeiern und regionalen Zutaten gebrannt.

Wie eine warme Umarmung – wer sehnt sich nicht nach den mollig-süßen Vanillenoten, wenn der Eierlikör den Gaumen streichelt. Hochkalorische und hochprozentige Familienerinnerungen: Der Griff zum selbst gemachten Likör geschah zu Festtagen, wenn Großeltern die dottergelbe Creme aus der Kredenz holten. Auch zu Weihnachten, denn lange war es auch in Österreich Tradition, mit einem Stamperl zu Festlichkeiten anzustoßen – nicht nur am Ostersonntag.

Cremig war Eierlikör immer schon, nur gelb war er nicht, denn er bestand anfangs gar nicht aus Eiern. Sein Vorgänger war das, was man heute als vegan bezeichnen würde. Einst mischten die Ureinwohner des Amazonasgebietes in der Kolonie Brasilien ein alkoholhaltiges Getränk auf Basis von reifen Avocados.

Die Kolonialfahrer verfeinerten den "Abacate" der Tupo-Guarani mit Rohrzucker und Rum – und gaben ihm den Namen "Advocaat".

Aus Brasilien vertrieben, nahmen die Holländer im 17. Jahrhundert Rezept und Avocados nach Indonesien mit. Nachdem bis heute bekanntlich keine Avocadobäume in Holland gedeihen, brauchte es also eine andere Lösung in der europäischen Heimat.

Eugen Verpoorten – noch heute glänzt der Name auf Etiketten in Supermärkten – tauschte im Jahr 1876 die Butterfrucht gegen Eigelb aus. Bis heute soll das Familienrezept in Verwendung sein.

Übrigens findet sich auch im Kochbuch der großen Katharina Prato ein Rezept im Kapitel "Warme und kalte Getränke": Hierfür "sprudelt" die Meisterköchin der österreichischen Küche Ende des 19. Jahrhunderts vier Dotter und ein viertel Liter Obers mit Zucker und etwas Muskatnuss zu Schaum – und fügt einen Achtelliter Rum hinzu. Dieses Kaltgetränk bezeichnete die Autorin allerdings als "Hoppelpoppel oder milchiger Punsch".

Eierlikör, ein altmodisches Getränk?

Ei auf Ex: Warum der industrielle Eierlikör nichts taugt

Ganz so alt ist das Rezept von den Bio-Brennern Doris und Josef Farthofer aus Öhling, NÖ, noch nicht. Vor zehn Jahren fragten Stammkunden, warum es keinen Eierlikör im Sortiment gäbe, also begannen sie zu experimentieren: "Wir verwenden nur Eidotter, damit er so dickflüssig wird, wie man ihn von den Großeltern kennt. Uns war sehr wichtig, dass er ganz cremig – fast schon wie ein Dessert – wird und sich lange auf der Zunge hält."

Gilt Eierlikör heutzutage als altmodisch? "Das würde ich nicht sagen, aber es gibt sehr wenige Gute am Markt. In der industriellen Fertigung wird das Eigelb vom Eiweiß nicht getrennt – das mindert den Geschmack. Oft sind die Liköre mit 25 Prozent Alkohol zu hochprozentig und am Gaumen zu scharf."

Warum schnell rühren so wichtig ist

Das Brenner-Ehepaar wählt als Basis einen 70-prozentiger Weizenkorn – das Getreide stammt aus Eigenanbau, die Milch kommt von der benachbarten Molkerei und die Eier sind Freiland und bio, genauso wie der Rübenzucker. „Bei uns dient der Alkohol nur zur Konservierung – wie beim Marmelade einkochen: Je niedriger der Alkoholgehalt, desto wertvoller die Zubereitung. Bei guten Zutaten hält die Spirituose besser."

Auch Wodka oder Rum eignen sich zur Herstellung.

Im Prinzip funktioniert die Produktion in der Destillerie wie zu Hause, nur dass der Dotter vorher erhitzt, also pasteurisiert wird. Danach werden alle Zutaten stark verrührt und auf über 75 Grad erhitzt. "Wichtig ist, während der Hitzeeinwirkung schnell zur rühren, damit eine homogene Masse entsteht", erklärt Fahrthofer. Dadurch bildet das im Eigelb enthaltene Fett mit den wasserlöslichen Bestandteilen eine Emulsion.

Offene Flasche hält unbegrenzt

Nach diesem Prozess hat das Endprodukt der Niederösterreicher nur 17 Prozent Volumenprozent, nur die Aromen von Vanille, Obers und Eiern stechen hervor. Neben Eiern und Zucker muss in der Europäischen Union der Likör aus mindestens 14 Volumenprozent bestehen. Werden Obers oder Milch hinzugefügt, so steht auf dem Etikett "Likör mit Eizusatz" oder "Spirituose".

Ursprung
Im Eierstock reifen die gelben Dotterkugeln heran, in ihnen schwimmt die winzige Eizelle. Alle 24 Stunden kommt es zum Eisprung, was rund ein Ei pro Tag garantiert

50 Kükeneier
würden Hennen in freier Wildbahn pro Jahr legen – Legehennen legen rund 300 Eier im Jahr. Beginnen sie zu brüten, dauert es drei Wochen, bis Küken zur Welt kommen

81 Kilokalorien
weist ein Ei auf, es besteht es vor allem aus Wasser, gefolgt von Proteinen 

"Durch den Alkohol hält der Eierlikör unbegrenzt. Wenn die Eier von guter Qualität sind und frisch aufgekocht wurden, können keine Salmonellen entstehen. Die offene Flasche muss nicht im Kühlschrank aufbewahrt werden, sondern sollte bei Zimmertemperatur gelagert werden." Am besten schmeckt der Likör bei Zimmertemperatur – so können sich die Aromen am besten entfalten.

Die Brennerin verfeinert gerne Biskuit-Teig mit einem Schuss Eierlikör oder kombiniert diesen mit Früchten und Eis. "Viele können sich erinnern, wie der Likör früher in Waffelbechern mit Schlagobers getrunken wurde. Aber am allerliebsten backe ich einen Eierlikörgugelhupf."

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