Wie eine einst depressive Frau mit Lach-Videos zum Internet-Star wurde
12 Teilnehmer sitzen zu Hause vor ihren Bildschirmen und lachen gleichzeitig in die Kamera. „Jetzt können wir uns alle einmal so richtig zum Affen machen“, sagt die Trainerin und leitet damit die erste Übung ein. Sie klopft sich wie ein Gorilla mit beiden Händen auf die Brust und fängt dabei lautstark zu lachen an. „Die Übung nennt sich Gorilla-Lachen“, sagt sie und fordert die Gruppe auf: „Los, traut euch, jetzt seid ihr dran!“
Was im ersten Moment ein bisschen befremdlich wirkt, ist ein virtuelles „Lach-Yoga-Seminar“ und soll unter anderem das allgemeine Wohlempfinden steigern. Carmen Goglin ist ausgebildete Lach-Trainerin und bietet solche Kurse für Firmen und Privatpersonen an.
Seit rund drei Jahren ist die 56-Jährige aber vor allem auch Social-Media-Star. Auf Instagram folgen ihr derzeit über 140 Tausend Menschen, auf TikTok mehr als 50 Tausend. 2018 lädt sie ihr erstes Video auf YouTube hoch. Darin zeigt sie eine Lachübung zum Nachmachen vor, die „Lach-Brille“. Das Video erreicht um die tausend Aufrufe.
Ihren „Durchbruch“ hat sie schließlich 2020, als der deutsche Rapper „Finch Asozial“ eines ihrer Videos parodiert und ins Netz stellt. Goglins Videos gehen viral, überall sieht man sie lachen. Doch auch Kritik und Hasskommentare verbreiten sich rasant. „Die kommt doch aus der Klapse“ oder „Was hat die denn genommen?“, heißt es in den Kommentarspalten etwa.
„Anfangs hat mich das sehr getroffen und verletzt“, erzählt Goglin im Gespräch mit dem KURIER. Die 56-Jährige litt früher jahrelang an Depressionen. Damals war Goglin noch als Personalfachkauffrau selbstständig tätig: „Ich habe meine Pflichten trotzdem erfüllt, bin arbeiten gegangen und habe mir nichts anmerken lassen. Am Wochenende und nach Feierabend war dann aber die Luft draußen.“
Gängige Entspannungsmethoden
Sie beginnt eine Gesprächstherapie – ohne Erfolg. „Die hat mich eher gedämpft, anstatt mir wieder Energie und Lebensfreude zu geben“, erzählt sie. Goglin probiert alle gängigen Entspannungsmethoden aus: Autogenes Training, Klopfen, Hypnose – bis sie auf „Lach-Yoga“ stößt. „Da habe ich gemerkt: Das spricht mich an, das ist genau meins. Man kann nicht gleichzeitig grübeln und lachen. Beim Lachen ist man im hier und jetzt.“
Goglin macht schließlich selbst die Ausbildung zur Trainerin und gründet in ihrer Heimatstadt Reutlingen (Baden-Württemberg) eine eigene Lach-Yoga-Schule.
Grundloses Lachen
Im Online-Seminar haben sich die Teilnehmer bereits etwas warm gelacht. Carmen Goglin fragt in die Runde, wie es ihnen mit den Übungen geht. Das Feedback fällt unterschiedlich aus. Manchen fällt das Lachen auf Knopfdruck schwer. Goglin: „Uns wird immer beigebracht, dass wir auf etwas Lustiges warten müssen oder uns jemand etwas Lustiges erzählen muss, damit wir lachen dürfen. Dieses grundlose Lachen, das Kinder noch ein Stück weit können, wird uns mit der Zeit abtrainiert.“
Tatsächlich unterscheidet der Körper aber nicht zwischen künstlichem oder natürlichem Lachen. Goglin: „Beim Lachen atmen wir viel ein und aus, dabei wird das Gehirn mit Sauerstoff versorgt. Der Blutdruck geht runter, wir entspannen.“
Viele kennen Carmen Goglin über Social Media
Die Teilnehmer des Online-Seminars sind zwischen Ende zwanzig und Mitte vierzig. Viele kennen Carmen Goglin über Social Media. „Ihre Videos sind legendär. Das wollte ich selbst auch einmal ausprobieren, darum bin ich heute hier“, erzählt ein junger Mann. Andere wiederum nutzen das einstündige Lach-Seminar als Teambuilding-Event.
„Wir fahren jetzt eine Runde mit dem Lach-Motorrad“, sagt Goglin und ahmt mit ihrer rechten Hand die Bewegung des Startens nach, während sie bei jeder Handbewegung ein Lachen hinzufügt. Das Lachen wird lauter und schneller, ihr Körper schwingt jetzt wie auf einem Motorrad hin und her. Die Teilnehmer machen es ihr nach, am Bildschirm sieht man lauter Menschen, die ihre Körper wie bei einer wilden Motorradfahrt hin und her bewegen und dabei lautstark lachen.
Das Resümee der Teilnehmer
Aus dem anfänglichen künstlichen Lachen ist mittlerweile ein natürliches geworden. „Dieser Effekt tritt meistens auf, wenn man sich als Gruppe darauf einlässt“, sagt Carmen Goglin zufrieden. Nach einer Stunde Lachen fällt das Resümee der Teilnehmer positiv aus: müde, aber glücklich.
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