Demenz: Die Juristin, die mit dem Vergesslichen sportelt

Demenz: Die Juristin, die mit dem Vergesslichen sportelt
Ehrenamt: 100.000 Österreicher leiden an Demenz. Kranken und ihren Familien widmen Freiwillige der Caritas Zeit.
Von Uwe Mauch

Heute turnen sie gemeinsam im Motorikpark beim Wiener Hauptbahnhof: Eleonora Vecs und Franz Pollhammer. Sie ist Juristin, Fitnesstrainerin und Freizeit-Buddy im Dienste der Caritas. Er  war bis zu seiner Pensionierung ein ambitionierter Buchhändler, heute leidet er am Fortschritt seiner Demenzkrankheit.

Demenz: Die Juristin, die mit dem Vergesslichen sportelt

„Seit einem Jahr“, weiß die ehrenamtlich tätige Betreuerin aus den Gesprächen mit Friederike Pollhammer, „muss der Franz ständig begleitet werden“. Nach der ärztlichen Diagnose 2015 verschlechterte sich sein Zustand im Vorjahr. Die Stunde im Motorikpark, die wie im Flug vergeht, ist somit eine willkommene Entlastung für seine Frau, die sich in der Zwischenzeit mit anderen Angehörigen bei Kaffee und Kuchen austauschen kann.

Den Franz mag sie

Eleonora Vecs ist seit zwei Jahren für die Caritas Wien aktiv – so wie derzeit 35 andere Freiwillige (weitere Interessenten sind herzlich willkommen, siehe unten). Sie kann gut mit reiferen Semestern. Sie hat auch als Trainerin mit älteren Menschen zu tun. Den Franz mag sie, und der Franz mag sie. Er erzählt, dass er früher zum Kieser-Training gegangen ist. Was wohl auch erklärt, warum er körperlich so fit ist.

Die Ehrenamtliche wollte neben ihrer bezahlten Arbeit in ihrer Freizeit „etwas Sinnstiftendes tun“. Nach ihrer Ausbildung zum Freizeit-Buddy war sie sich sicher: „Das ist genau das, was für mich passt. Es ist schön, wenn du bemerkst, dass du einem anderen Menschen helfen kannst. Und es ist auch fein, wenn dir dann die Angehörigen mit leuchtenden Augen berichten, wie sehr du dem Betroffenen geholfen und wie sehr du auch sie entlastet hast.“

Demenz: Die Juristin, die mit dem Vergesslichen sportelt

Die sportaffine Juristin steht mit beiden Beinen im Leben – und kann das dank ihrer Freiwilligenarbeit für die Caritas heute auch besser wertschätzen: „Ich habe erkannt, dass unsere Gesundheit und unsere berufliche Mobilität ein sehr filigranes System sind, das schnell aus dem Lot geraten kann. Und ich habe auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass dies in unserer Erfolgsgesellschaft nicht jeder hören will.“

Beim Rückweg aus dem Motorikpark erklärt Eleonora Vecs, dass sie als Freizeit-Buddy einiges gelernt hat: „Es ist wichtig, dass man jederzeit flexibel reagieren kann. Und man darf nicht alles persönlich nehmen. Es kann zum Beispiel vorkommen, dass dich eine Dame, die du gerne betreut hast, beim nächsten Mal nicht mehr erkennt.“

Demenz: Die Juristin, die mit dem Vergesslichen sportelt

Gemeinsam mit Hund

„Oftmals können Menschen mit Vergesslichkeit nicht mehr ihren Hobbys nachgehen“, erläutert Christina Mittendorfer, warum die Caritas das Projekt „Freizeit-Buddy“ ins Leben gerufen hat.

Es sind oft gemeinsame Interessen, die zusammenschweißen: Herr Pollhammer zitiert für Frau Vecs aus Büchern, die er als Buchhändler gerne gelesen hat. Eine Studentin besucht mit ihrem Hund eine ältere Dame, die nach dem Tod ihres eigenen Vierbeiners diesem nachtrauert. Ein Sportwissenschafter mit Trainerausbildung trifft sich mit einem ehemaligen Marathonläufer regelmäßig zum Laufen.

Die Buddys können zusätzlich an Ausbildungen, die von der Caritas angeboten werden, gratis teilnehmen. Eleonora Vecs bezeichnet das als ein weiteres Argument für ihr Ehrenamt: „Da gibt es immer wieder Angebote, die für mich interessant sind.“

Demenz: Die Juristin, die mit dem Vergesslichen sportelt

Einladung zur Mitarbeit

Die Ausgangslage: Laut Österreichischer Alzheimer Gesellschaft (ÖAG) leiden heute rund 100.000 Österreicher an einer Demenz-Erkrankung. Bis zum Jahr 2050 wird diese Zahl auf 230.000 ansteigen. Grund: Mit dem Alter steigen die Zahlen der Kranken und Neuerkrankten.

Erster „Demenz-Meet“: Die Caritas Wien veranstaltet heute und morgen, Samstag, zum ersten Mal eine Zusammenkunft von Experten, Betroffenen, Angehörigen und Helfern. Auf dem Programm stehen intensive Diskussionsrunden, spannende Impulsreferate und Erzählungen von Betroffenen, Angehörigen und ehrenamtlichen Mitarbeitern (werden weiterhin von der Caritas gesucht und ausgebildet). Der Eintritt für einen Tag kostet 45 €. Anmeldung  per Mail mit dem Kennwort „Demenz-Meet“ an pflege@caritas-wien.at oder unter 01 / 878 12–340. Mehr Infos hier

 

Kommentare