NS-Propagandafilme
Den Mann, von dem der berühmte Name stammt, traf Beate Köstlin auf der Fliegerschule. Hans-Jürgen Uhse und Beate, beide Piloten bei der Luftwaffe, heirateten 1939, das Festessen fand schnörkellos in der Kantine statt, es gab Erbsensuppe und Bier. Hauptmann Uhse starb 1944 bei einem Unfall, Beate war mit 24 alleinerziehende Mutter. Und wurde bald selbst Hauptmann bei der Luftwaffe, wo sie die Stahljäger Messerschmitt fliegen durfte, ein Flugzeug, das für den „Endsieg“ konstruiert worden war.
Und sie arbeitete als Film-Double in NS-Propagandafilmen. Das Ausmaß ihres Engagements für das Nazi-Reich spielte sie später stets herunter und in ihrer Autobiografie betonte sie, nie der NSDAP beigetreten zu sein.
In Flensburg zog sie ihr Unternehmen im großen Stil hoch. 1951 gründete sie das „Versandhaus Beate Uhse“, das Kondome und Bücher zum Thema „Ehehygiene“ anbot – der erste Sex-Shop der Welt. Anfang der 1960er-Jahre hatte die Firma bereits fünf Millionen Kunden.
„Beihilfe zur Unzucht“
Der Weg zum Erfolg war steinig. In den 1950er- und 60er-Jahren wurde sie von Sittenwächtern 2.000 Mal angezeigt. Ihre Broschüren galten rechtlich als „Beihilfe zur Unzucht“. Uhse ließ sich nicht entmutigen: Mit ihrem jüngsten Sohn aus zweiter Ehe bildete sie 1982 eine Aktiengesellschaft, 1999 ging das damals größte europäische Erotikunternehmen als weltweit erstes seiner Art an die Börse.
Die Anfänge ihrer unternehmerischen Tätigkeit seien sehr marketing-gerecht beschrieben worden, stellt Autorin Rönicke fest: Dass Uhse Frauen über die Verhütungsmethode Knaus-Ogino informiert hatte und dass dies der „Beginn von etwas Großem“ gewesen war, sei „mehr PR als Realität“ gewesen. 1961 hatte Uhse einen Mann namens Hannes Baiko eingestellt, um ein Pressebüro einzurichten. Gemeinsam hatte man die Idee, die Knaus-Ogino-Geschichte in dieser Form publik zu machen. Es stimmte zwar, dass die Frauen nach dem Krieg Hilfe bei der Fruchtbarkeitsbestimmung brauchten, aber die Motivation für die neue Geschäftsidee sei doch mehr das Geld als der pure Idealismus gewesen, vermutet Rönicke.
Ausführlich widmet sich Rönicke dem Thema Sexualität im Nachkriegsdeutschland sowie der weiblichen Sexualität per se. Besonders viel Raum wird den diversen gerichtlichen Auseinandersetzungen gegeben. Dass Uhse tatsächlich die erste und einzige Sex-Unternehmerin Deutschlands gewesen sein soll, bezweifelt die Autorin. So habe es mit Erotik-Versandhändler Walter Schäfer bis in die 1960er einen Konkurrenten gegeben, der jedoch nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag bekommen habe. Die PR-Kampagne des Unternehmens Beate Uhse sei perfekt mit ihrer persönlichen Biografie verwoben worden. Man habe sie zur Heldin der sexuellen Aufklärung stilisiert – die auch vor Gericht den großen Kampf „für die Liebe“ kämpfte. Diese Idee gipfelte in dem Satz: „Hier steht heute der Orgasmus vor Gericht“.
Buchtipp:
Katrin Rönicke: „Beate Uhse – Ein Leben gegen Tabus“, Residenz Verlag, 208 Seiten, 22 Euro.
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