Axels Terrasseneintopf: Die Phänologie sagt, es ist Frühling

Ein echtes Gartenjahr kommt mit vier Jahreszeiten nicht aus. Es hat zehn, sagt Phänologe Hübner.

Natürlich ist Frühling eine höchst persönliche Sache. Wer gerade beflügelt von einer aufflammenden Liebe den Lenz durch sich wuseln spürt, hat Frühling. Wenn Alte sich im zweiten Frühling wähnen, hilft auch kein Widerspruch. Der Kalender ist im Leben eben oft doch nur eine Orientierungshilfe.

Axels Terrasseneintopf: Die Phänologie sagt, es ist Frühling

Schneeglöckchen sind die bekannteste Zeigerpflanze für den "Vorfrühling" – sobald die Blüten offen sind.

So oder so ähnlich sieht das auch Thomas Hübner. Der Forscher beschäftigt sich an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) mit Phänologie. Die ist wörtlich genommen die Lehre von Erscheinungen und der wissenschaftliche Beleg dafür, dass sich auch die Natur nicht um Kalender schert. Hübner: „Wir beschäftigen uns mit der Entwicklung der Pflanzen im Jahresverlauf. Wir schauen, wann Pflanzen blühen, ob sie schon Früchte tragen oder die Blätter fallen lassen. Diese Erscheinungen charakterisieren Jahreszeiten.“

Hübner steht in seinem Wissenspark mitten auf der berühmten Hohen Warte, wo in Wien das Wetter erforscht wird. Er weist auf einen Baum, der gelb schimmert: „Hier, die Salweide blüht gerade. Sie ist eine Zeigerpflanze, sie charakterisiert den Vorfrühling, die erste phänologische Jahreszeit nach dem Winter.“ Die weiteren neun: Erst- und Vollfrühling, Früh-/Hoch-/Spätsommer, Früh-/Hoch-/Spätherbst, Winter.

Axels Terrasseneintopf: Die Phänologie sagt, es ist Frühling

Im Wissenspark der ZAMG in Wien 19 werden die zehn phänologischen Jahreszeiten erklärt.

Hübner zeigt auf Schneeglöckchen im Schaubeet: „Die ist wahrscheinlich die bekannteste Zeigerpflanze für den Vorfrühling. Wobei die Blütenblätter wirklich geöffnet sein müssen, solange sie geschlossen sind, gilt es noch nicht.“ Im daneben liegenden Beetsektor „Erstfrühling“ deuten Forsythien eine baldige Blühexplosion an. „Später kommen bei den Kleinsträuchern die Schlehe oder der Flieder, Richtung Frühsommer die Rosen und der Mohn blüht dann auch.“

Hübner fliegt mit ein paar Pflanzennamen durch das phänologische Jahr, in dem es anfangs vor allem um den Zeitpunkt des Blühens geht, später dann um Frucht. „Im Hochsommer zum Beispiel um die Fruchtreife der Kirsche, auch die Johannisbeere.“ Zum Spätsommer und Frühherbst werden dann die Äpfel reif.

Wie die Mond-Pflanze überlebt hätte

Gefühlsgarteln

Wer den Blick über die Jahreszeitbeete schweifen lässt, fühlt sich an bäuerliche Stubendekoration und Kalendersprüche erinnert. „Absolut“, bestätigt der Phänologe, an den Zeigerpflanzen habe sich die Landwirtschaft früher ja orientiert. „Die Natur hat Tempo und Zeitpunkt für die landwirtschaftliche Entwicklung vorgegeben. Wenn dieses und jenes zu sehen ist, mache ich auf dem Feld das und das.“ (Ich murmle fast unhörbar leise: „Wenn die Birke Kätzchen hat, ist es Zeit zur Gerstensaat.“)

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Veilchen sind zwar keine echten Zeigerpflanzen, zeigen aber, dass der „Erstfrühling“ vor der Türe steht.

 

Hübner vermittelt dieses Wissen nicht nur (Termine und Infos zu den Wettertreffs und allen Themen hier), sondern sammelt zudem Daten von Hobbyforschern: „Auf unserer Naturkalender-App (www.naturkalender.at) kann man viel lernen, sowie phänologische Beobachtungen hochladen und mitforschen.“ Auch rund um die Klimaerwärmung. „Wir können deutlich ablesen, dass die Pflanzen mittlerweile viel früher blühen und reif werden.“

Als Hobbygartler kann man auf der App außerdem Ideen holen – für einen eigenen Zeigerpflanzengarten.

axel.halbhuber@kurier.at

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