Axels Terrasseneintopf: Lange Nacht der vielen Orchideen
Wunderbares büßt stark an Wirkung ein, wenn es gehäuft auftritt. So reizt ein bisschen nackte Haut mehr als hundert nackte Leiber. Bei einem Stück Schokotorte rinnt mehr Wasser im Mund zusammen als bei einer überfrachteten Konditoreiauslage. Und während eine Orchidee wie etwas aussieht, das Gott erst am achten Tag geschaffen hat, wirken Tausende Orchideen auf einem Haufen billig.
Obwohl die Exemplare auf der 12. Internationalen Orchideenausstellung im Stift Klosterneuburg natürlich die schönsten der Welt sind. An Vielfalt, Farbwucht und Blütenform nicht zu überbieten. Und tritt man so nahe an sie heran, dass die Reizüberflutung rundherum aus dem Blick weicht, verliebt man sich in sie.
So wie Josef Bauer in die Vanda. Der Leiter der Stiftsgärtnerei gestaltet mit seinem Team und in Zusammenarbeit mit Schönbrunn die Ausstellung, die alle zwei Jahre Experten, Händler, Fans und Begeisterte zusammenbringt. Derzeit sind auf 2000 Quadratmetern 30 Aussteller versammelt, am 15. März ist sogar eine „Lange Nacht der Orchideen“ (bis 22 Uhr). „Die Vanda ist so vielfältig in der Farbe, das gefällt mir“, schwärmt Bauer, und dann sagt er etwas, das für einen seltsam klingt, der beruflich in der Erde grabt: „Und dass sie mit ihren Luftwurzeln auf dem Baum lebt und nicht im Boden.“
Die Arten der Vanda-Orchideen wachsen als epiphytische Fächer auf anderen Pflanzen und ernähren sich von Luft und Luftfeuchtigkeit, gehen deswegen in unseren trockenen, geheizten Räumen leicht ein. „Der Zauber liegt im Feuchthalten, man muss jeden Tag sprühen“, sagt Bauer und gibt trotzdem zu, dass seine letzte Vanda nur zwei Jahre alt wurde (was eh lange ist, die an dieser Stelle schon einmal erwähnte Orchideenmörderin L. schaffte nur ein Jahr).
Die Angeberpflanze Primel
Als die Schwestern Veronika und Maresa die Schwärmerei über die Vanda hören, bleiben sie stehen. Orchideenliebhaber haben sich immer etwas zu erzählen, und die beiden Besucherinnen haben die Vanda-Liebe durch den Papa bekommen. Veronika: „Unser Vater kultiviert selber eine seit vielen Jahren in so einem hohen Vasenglas. Die ist allerdings blauviolett.“ Und warum überlebt das heikle Ding schon so lange? „Erstens ist es die Liebe. Zweitens wird sie wohltemperiert und zweimal täglich eingesprüht.“
Darin liegt der Segen, aber auch der Fluch des Vandaismus, erklärt ein echter Experte. Andreas Kopf ist Orchideengärtner in zweiter Generation und extra aus dem bayrischen Deggendorf zur Ausstellung angereist. „Wenn man die Blätter auch besprüht, rinnt das Wasser oft im Zentrum zusammen.“ In den Blattachseln kommt es dann oft zu Fäulnis. Einfacher sei die Phalaenopsis, quasi das Waffenrad unter den Orchideen.
Mit denen kann indoor jeder umgehen – sie ist aber die einzige Art, die man im Sommer nicht rausbringen sollte, sagt der bayrische Experte: „Und weil immer alle fragen: Nach der Blüte braucht man sie gar nicht abzuschneiden. Und wenn, dann eher weit oben.“ Als nächsteinfach empfiehlt Kopf den (tropischen) Frauenschuh. „Da kann man mit dem Wasser nicht viel falsch machen. Denn der wächst auf feuchtem Urwaldboden.“ Und erträgt daher Staunässe.axel.halbhuber
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