Ausgebrannt und aufgeputscht: Wenn das Studium krank macht
Als Monika nach neun Semestern begann, an ihrer Masterarbeit zu schreiben, lief nichts so, wie es sollte. Sie kam nicht voran, fühlte sich blockiert, überfordert und hilflos. Irgendwann war der Druck so groß, dass sie sich zum Essen zwingen musste, auch das Schlafen fiel ihr schwer. Monika beschloss, sich Hilfe zu holen – und fand diese bei der Psychologischen Studierendenberatung Wien.
Monikas Geschichte ist eine von vielen, mit der die Berater dort täglich konfrontiert sind. Knapp 45.000 Beratungsgespräche mit rund 13.500 Studierenden haben die Mitarbeiter aller sechs Anlaufstellen in Österreich im vergangenen Jahr absolviert. Fast die Hälfte aller Anfragen betreffen Depressionen, Existenz- und Versagensängste, Krisen, Essstörungen oder Panikattacken. Die Zahlen aus dem Tätigkeitsbericht der Einrichtung zeigen auf, worüber selten gesprochen wird: Ein Viertel aller Studierenden hat psychische Probleme.
Weitverbreitet
An vielen Universitäten mangelt es allerdings nach wie vor an Angeboten zur Gesundheitsförderung, wie Waltraud Sawczak, Vorsitzende des Netzwerks Gesundheitsfördernder Hochschulen Österreich, kritisiert. "Es gibt vereinzelt Angebote, aber keine systematische Gesundheitsförderung. Wir wissen auch schlicht nicht genau genug, wie es um die Gesundheit unserer Studierenden steht, weil es nur wenige Erhebungen dazu gibt. Obwohl der Wechsel von der Schule auf die Universität eine kritische Phase ist und Studierende auch später Belastungen ausgesetzt sind."
Dass die Eingewöhnung in den selbstbestimmten Uni-Alltag Stress verursacht, bestätigt Kathrin Wodraschke, stellvertretende Leiterin der Psychologischen Studierendenberatung Wien. Befeuert werde dieser durch Zugangsbeschränkungen und leistungsgetriebene Studieneingangsphasen. Viele Hochschüler seien aus finanziellen Gründen berufstätig – eine zusätzliche Bürde. "Wir beobachten, dass einzelne Studiengänge versuchen, früh Lern- und Selbstmanagementkompetenzen zu vermitteln, um Studierende auf künftige Anforderung vorzubereiten. In Summe wächst aber der Druck", weiß die Klinische Psychologin.
Koffeintabletten und Co.
Um diesem standzuhalten und die Prüfungslast zu ertragen, greifen viele zu Aufputschmitteln. 2017 ergab eine Studie der Universität Lübeck, dass jeder zehnte Studierende mindestens einmal pro Woche leistungssteigernde Substanzen – etwa Unmengen an Kaffee, Vitamindragees oder Koffeintabletten – konsumiert. Auch schlaffördernde Mittel oder Beruhigungstabletten werden eingenommen, um abschalten zu können. Die Psychologische Studierendenberatung Wien verzeichnet zudem immer mehr Anfragen von Studierenden, die versuchen, innere Spannungen mit Alkohol oder Cannabis selbst zu behandeln – und in ein Suchtverhalten abdriften. In diesem Kontext ist es laut Sawczak wichtig, dass "wir die Stressfaktoren eruieren und daraus Maßnahmen ableiten, um den Gebrauch zu verhindern". Im Endeffekt sollten Studierende nicht mehr auf derartige Substanzen zurückgreifen müssen, "weil sie eine gefestigte Gesundheitskompetenz besitzen und so in der Lage sind, Stress zu bewältigen".
Die Bereiche, in denen Hochschüler Belastungen erleben, betreffen auch den Körper. Langes Sitzen und ergonomisch schlecht eingestellte Sitzgelegenheiten in Hörsälen führen laut Sawczak zu Beschwerden. In puncto Ernährung gebe es an den Universitäten Optimierungsbedarf. Beim Einzelnen mangle es außerdem oft am Wissen über gesunde Ernährung. Bei der Bewegung werde bereits viel durch Universitätssport-Angebote abgedeckt – "doch die Kurse sind oft ausgebucht".
Pilotprojekt
Um Universitäten gesundheitsgerechter zu gestalten, erhebt das Netzwerk Gesundheitsfördernde Hochschulen derzeit den Ist-Zustand an ausgewählten Hochschulen. Ausgehend davon soll ein Maßnahmenpaket geschnürt werden, das unter anderem leistbare Ernährungsangebote, Unterstützungsangebote für Studienorganisation, den Umgang mit Prüfungs- und Lernsituationen, Lebensorganisation und Ressourcenmanagement umfassen soll.
Nicht zuletzt liegt es auch am Einzelnen, sich im Hochschulbetrieb zurechtzufinden. "Studierende sollten ihr Studium ernst nehmen, ihre Motivation für den Lernaufwand hinterfragen und versuchen, eine Balance zwischen Verantwortung und Studentenalltag zu schaffen", sagt Wodraschke. "Die Universitäten müssen Strukturen schaffen, damit das auch möglich ist."
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