35.000 Einträge: Der Mann hinter Wikipedia

Wikipedia ist ein Projekt zum Aufbau einer Enzyklopädie aus freien Inhalten.
Rund drei Millionen Ergänzungen auf der Online-Enzyklopädie gehen auf das Konto von Steven Pruitt.

Früher musste man dicke Enzyklopädie-Bände wälzen, heute führen wenige Klicks zum Ziel: Mit Wikipedia wurde die analoge Bündelung von Fakten neu erfunden. Im Jahr 2001 gegründet, stieg das nach dem Prinzip der Basisdemokratie organisierte Lexikon zum wichtigsten Wissensverzeichnis im Internet auf.

So alt wie das Nachschlagewerk selbst, ist auch die Kritik daran. Besonders oft wird die Zitierbarkeit der Plattform problematisiert und im wissenschaftlichen Kontext abgelehnt. Angesichts der Vielzahl der beteiligten Autoren, von denen die Mehrzahl sich anonym beziehungsweise unter Pseudonym einbringt, könne den Kriterien der Zitierwürdigkeit nicht entsprochen werden, heißt es.

Mr. Wikipedia

Einer dieser Autoren ist Steven Pruitt. Unter dem Pseudonym "Ser Amantio Di Nicolao" (Figur aus einer Puccini-Oper, Anm.) hat der US-Amerikaner in den vergangenen Jahren knapp drei Millionen Bearbeitungen auf der Plattform vorgenommen. Zudem stammen 35.000 englischsprachige Artikel aus seiner Feder.

Im Interview mit CBS News erinnert sich der 33-Jährige an seinen allerersten Beitrag: "Mein erster Artikel war über Peter Francisco, mein Ururururururgroßvater." Und weiter: "Er war ein Wachtmeister im Senat von Virginia und in eine Entführung verwickelt. Wenn man die Geschichte nicht gelesen hat, würde man nicht glauben, dass sie stattgefunden hat."

Lange sei Pruitt, der noch bei seinen Eltern im Bundesstaat Virginia lebt, für seine freiwillige Arbeit belächelt worden: "Die längste Zeit hielten mich die Leute für verrückt. Sie sagten 'Das ist ja ganz nett, aber der Junge ist verrückt, er verschwendet seine Zeit'."

Seinem Interesse für Geschichte und deren Weitergabe blieb Pruitt dennoch treu – und blieb nicht unbelohnt. Im Jahr 2017 kürte ihn das Magazin Time zu einem dem 25 einflussreichsten Persönlichkeiten im Internet. Sein Name wurde damals in einem Atemzug mit Kim Kardashian West, Donald Trump und J.K. Rowling erwähnt.

Doch was treibt den US-Amerikaner an? "Die Idee, alles frei zugänglich machen, fasziniert mich. Meine Mutter ist in der Sowjetunion aufgewachsen... Ich bin mir also dessen bewusst, wie bedeutsam es sein kann, Wissen frei verfügbar machen", erklärt er.

Für seine Lexikoneinträge zieht Pruitt Bücher, wissenschaftliche Fachzeitschriften und andere Quellen heran. Über drei Stunden verbringt er täglich mit Recherche, Redigieren und Schreiben. Auch in seinem Brotjob beim US-amerikanischen Zoll und Grenzschutz ist Pruitt mit Recherchearbeiten befasst.

Verantwortung für Vielfalt

Wie wichtig Pruitts kontinuierlicher Beitrage für das virtuelle Nachschlagewerk ist, weiß Kui Kinyanjui, stellvertretende Leiterin der Kommunikationsabteilung bei der Wikimedia Foundation. "Menschen wie Steven sind für Plattformen wie Wikipedia unglaublich wichtig, einfach weil sie deren Herzblut sind", betont sie.

Angesichts der sechstausend Besucher, die Wikipedia pro Sekunde besuchen, trage er zusammen mit anderen Autoren auch Verantwortung für die Vielfalt und Qualität der Plattform.

Frauen sichtbarer machen

In puncto Vielfalt bestehe bei Wikipedia tatsächlich noch Nachholbedarf: "Wir wissen, dass noch viel mehr getan werden muss. Deshalb freuen wir uns sehr über Projekte wie 'Women in Red', bei dem versucht wird, mehr Frauen auf unserer Plattform sichtbar zu machen. Auch Steven hat einen großen Beitrag zu diesem Projekt geleistet", sagt Kinyanjui.

Laut jüngsten Statistiken entfallen laut Kinyanjui 17,6 Prozent aller englischsprachigen biografischen Wikipedia-Artikel auf Frauen. "Vor ein paar Jahren waren es noch unter 15 Prozent, was zeigt, wie viel wir bewegen konnten."

Wie Pruitt diese Errungenschaft feiert? "Ich schreibe einen weiteren Artikel, oder mache eine weitere Ergänzung."

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