Können wir uns Blockbuster-Ausstellungen mittelfristig abschminken? War Modigliani in der Albertina der letzte Elefant seiner Art?
Nein, sicher nicht. Man kennt mich zwar und weiß, dass ich nicht der größte Fan solcher Präsentationen bin – ich finde es lohnender, Ausstellungen über Nebenwege der Kunstgeschichte zu initiieren. Ich bin mir aber sicher, dass Ausstellungen mit großen Namen und teuren internationalen Leihgaben weiter bestehen bleiben. Aber generell werden sich Laufzeiten verlängern. Das ist schon lange ein Thema. Bis jetzt haben wir fast nur positive Reaktionen darauf bekommen. Es hat kaum jemand gesagt: „Warum hängt das schon so lange“, eher: „Ich bin froh, dass ich das noch sehen kann.“
Kritik an der Besucherzahlen-Orientierung der Museen gab es lange vor der Pandemie. Wo ist das Umlenken Ergebnis finanzieller Notwendigkeit, wo geht es wirklich um das Nachschärfen der Qualität?
In mir haben Sie eine absolute Kämpferin für die Qualität forschungsbasierter Ausstellungen. Ich habe nie gesagt: „Na ja, dann hängen wir halt etwas aus der Sammlung auf“. Wenn unser Kuratoriumsmitglied Prof. Raphael Rosenberg mir als Kunsthistoriker sagt, unsere Dürerzeit-Ausstellung sei ein Meilenstein, dann macht mich das sehr glücklich. Aber wenn mir meine Wohnungsnachbarn sagen, dass sie in der Biedermeier-Ausstellung waren und dort etwas gelernt haben, geht es mir genauso. Das ist der Anspruch, den wir immer haben: Unsere Ausstellungen müssen Fachleute und das breite Publikum so begeistern, dass sie in den Köpfen bleiben.
Lügt man sich mit der Idee, dass Sammlungsausstellungen billiger zu haben sind, nicht in den Sack? Als Besucher und Kritiker sage ich: Man merkt, ob eine Sammlungsschau inspiriert ist oder nicht.
Wenn man davon ausgeht, dass so viel in den Depots hängt, das man nur herausräumen muss, kann das natürlich nicht funktionieren. Die Kunst ist, eine Ausstellung zu machen, in der Werke, die vielleicht jahrzehntelang als „Depotware“ galten, interessant werden, weil sie in neuen Zusammenhängen gezeigt werden oder eine These illustrieren. Natürlich fallen Transportkosten weg, aber man soll sich nicht täuschen: Wenn wir einen Klimt vom Oberen ins Untere Belvedere bringen, kostet das auch nicht wenig. Wir dürfen den ja nicht in der Scheibtruhe durch den Garten hinunterführen. Es darf auch kein Werk aufgehängt werden, bevor ein Zustandsbericht erstellt wurde, da ist die Restaurierung gefordert. Dann die Ausstellungsarchitektur – eine Sammlungsausstellung kann nicht liebloser gestaltet werden als eine mit Leihgaben. Es ist keineswegs so, dass das nichts kostet.
Ende Jänner eröffnet das Untere Belvedere nach dem Umbau wieder. Was ist neu?
Unser Umbau begann mit einer notwendigen Nachrüstung der Klima- und Sicherheitstechnik. Das haben wir benützt, um eine größere Überarbeitung vorzunehmen. Das große Desiderat war ein Gastronomiebetrieb, damit zusammenhängend haben wir die Wegeführung überarbeitet. In den Ausstellungsräumen hat sich sichtbar kaum etwas verändert, aber der Zugang ist anders. Wo der Kassenraum war, wird ein Café sein, der ehemalige Shop wird zum Kassenraum mit integriertem Shop, und man wird in der Sichtachse vom Rennweg durch den Ehrenhof zum Oberen Belvedere durchgehen können. Barrierefreiheit ist ebenfalls ein Thema.
Was funktioniert aus Ihrer Sicht, um weniger museumsaffinen Menschen Schwellenangst zu nehmen?
Ein probates Mittel ist das temporäre Aussetzen von Eintrittsgebühren – nur ist das nicht nachhaltig. Zwar kommt neues Publikum, doch allzu oft bleibt es beim Einmalbesuch. Was wir tun können, ist, möglichst viel mitzugeben, um die Menschen, die da waren, zu begeistern. Sie sollen sagen: Toll, das muss ich meinen Freunden erzählen. Da sind zum Einen der Inhalt und die Erzählweise von Ausstellungen ausschlaggebend und die Programme der Kunstvermittlung. Doch bei der Aufenthaltsqualität sind wir noch nicht dort, wo ich uns gern hätte. 2023 werden wir experimentieren und ein, zwei Räume im Oberen Belvedere von Kunst freilassen und Freiräume zur Verfügung zu stellen, in denen man sich ungezwungen aufhalten kann.
Ist die Tendenz von Museen, immer neue Ausstellungsflächen zu bauen, mit der Pandemie auch an ein Ende gelangt?
Ich glaube, dass Museen ganz anders gedacht werden müssen, aber selbst in meiner Position, für die ich unendlich dankbar bin, bin ich nicht in der Lage, das zu schaffen. Museen müssen viel durchlässiger und offener gebaut werden – ich war da auch ein großer Fan der Entwürfe für die viel gescholtene „Scheune“ in Berlin, das geplante Museum der Moderne. Eine Scheune ist ein wunderbarer Bau – ich bin ja auch im Weinviertel zu Hause, die schönsten Gebäude dort sind die Scheunen.
Das Belvedere wird sich da schwer umbauen lassen.
Da haben wir aber im Belvedere 21 Möglichkeiten. Das ist ein Experiment, das wir wagen wollen: 2023 wird der Hauptraum das ganze Jahr über jungen Szenen gewidmet sein, und da werden wir es noch offener, noch kollaborativer machen.
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