Zum Tod von Christiane Hörbiger: Eine ungewöhnliche Frau
„Ich gebe die Hoffnung nicht auf“, sagte Christiane Hörbiger 2018, vor ihrem 80er, dem KURIER, „dass ich da oben eines Tages alle meine Lieben wiedersehe, das wäre schön.“
Dieser Glauben der österreichischen Schauspiellegende ist für ihre vielen Fans eine vielleicht etwas tröstliche Beigabe zu der Nachricht, die den KURIER am Mittwochnachmittag erreichte: Hörbiger, die schon die vergangenen Monate völlig zurückgezogen lebte und nach einer Erkrankung geschwächt war, ist in der Früh an den Folgen einer Lungenerkrankung verstorben.
Mit ihr starb einer der größten Publikumslieblinge – und das über Jahrzehnte hinweg – des Landes; eine Schauspielerin, die (das ist in mancher Hinsicht ein Vorteil, in vielen anderen ein Nachteil) aus einer der wichtigsten Künstlerdynastien heraus ihren eigenen Weg suchen musste – und in unnachahmlichem Ausmaß gefunden hat. Christiane Hörbiger berührte die Menschen auf den wichtigsten Theaterbühnen und im ebenso wichtigen TV-Hauptabendprogramm.
Legendäre Eltern
Christiane Hörbiger, Tochter der Schauspiellegenden Paula Wessely und Attila Hörbiger, stand für jenes Theater, das für viele Menschen die verloren gegangene Höchstform dieser Kunst ist; und für jene Abendunterhaltung mit Niveau, die das Fernsehen nach und nach zum Schauspielermedium hin etablierte.
In den späten 1950er-Jahren machte sie im Reinhardt-Seminar erste Schritte auf die Bühne; zuerst hatten die Eltern sie davon fern zu halten versucht und sie zur Zuckerbäckerinnenlehre überredet. Die ersten Gehversuche am Burgtheater – 1959 in Lessings „Nathan der Weise“ – misslangen. Dem übergroßen Schatten der Eltern versuchte sie an den Städtischen Bühnen Heidelberg auszuweichen; 1961 aber spielte sie an der Seite ihrer Mutter bei den Salzburger Festspielen und kehrte erfolgreich ans Burgtheater zurück.
„Ich hab das Komödiantische von meinem Vater. Und das, was die Seele ins Gesicht zaubert, hab ich von meiner Mutter“, sagte Hörbiger einmal dem KURIER. Und sie wurde mit diesen beiden anhaltend verglichen – eine Belastung, wie sie selbst sagte („Ein Kritiker schrieb: ,Die unbegabte Tochter der Paula Wessely.’“), was sie erneut dazu veranlasste, Österreich zu verlassen und in Zürich Fuß zu fassen. Am dortigen Schauspielhaus blieb sie von 1967 bis 1985.
Ein gemeinsames TV- oder Film-Projekt mit ihren beiden Schwestern, so bedauerte Christiane Hörbiger, kam zwar nie zustande. Aber die Familie der nun verstorbenen Schauspielerin ist zweifelsohne eine der im Kulturbereich prägendsten des Landes: Christiane Hörbiger und ihre Schwestern Maresa Hörbiger und Elisabeth Orth, Orths Sohn Cornelius Obonya, Maresa Hörbigers Sohn Manuel Witting sowie Mavie Hörbinger, Tochter von Thomas Hörbiger, prägen die Bühnen und Fernsehschirme des Landes.
Sie sind die zweite, dritte und vierte Generation einer Dynastie – in die ebenso Christian Tramitz und Paul Sedlmair gehören – in Nachfolge des ebenso legendären Schauspielerehepaares Paula Wessely und Attila Hörbiger sowie Paul Hörbiger. Diese brachten einer Schauspielerfamilie, die bereits seit dem 19. Jahrhundert aktiv war, Berühmtheit.
Eine Dynastie, die sich später auch ihrer Geschichte stellen musste: In ihrem Buch „Märchen ihres Lebens“ (1975) arbeitete Elisabeth Orth auch die NS-Vergangenheit ihrer Eltern auf. Sie selbst hatte sich der Bürde des großen Namens der Schauspielerdynastie Hörbiger entledigt und benutzt den Familiennamen ihrer Großmutter mütterlicherseits.
Zur Geburt Elisabeths, die nach der gleichnamigen Kaiserin benannt wurde, erhielten ihre Eltern von Adolf Hitler ein Glückwunschtelegramm „zur Geburt des Stammhalters“, da sich der NS-Führer nichts anderes als einen Buben für Wessely und Hörbiger vorstellen konnte.
Konkurrenz
Dass die drei Schwestern alle erfolgreich in die Theaterfußstapfen ihrer Eltern traten, sorgte durchaus auch für Konkurrenz: Paula Wessely habe auch immer so ein bisschen zu jener der drei Schwestern, tendiert, die gerade Erfolg hatte, sagte Maresa Hörbiger einmal dem KURIER.„Aber jetzt im Alter ist es ein Vergnügen. Wir müssen uns nichts mehr beweisen und verstehen uns gut.“
Dass sie sich dennoch für den Beruf der Schauspielerin entschied, erklärte sie differenziert: „Ich bin nicht Schauspielerin geworden, weil meine Eltern so glücklich in diesem Beruf waren. Wir haben ja zu Hause die Aufregungen vor Premieren, die Schattenseiten miterlebt“, sagte Hörbiger. „Aber mit zwölf Jahren dachte ich mir, dass ich in meinem Leben viele Personen sein möchte: Prinzessin, Königin, reiche Dame, armes Mädchen. Es gibt nur einen Beruf, in dem man all das sein kann. Deshalb bin ich Schauspielerin geworden.“
In ihrer Bühnenkarriere sollte sie die großen Rollen von Schelling, Schiller, Nestroy, Schnitzler, Hofmannsthal (1969 bis 1972 war sie die Buhlschaft im Salzburger „Jedermann“) spielen.
Millionenpublikum
In den 1980ern aber eroberte sie eine weitere Bühne, die des Fernsehens, und mit dieser ein neues Publikum, das sie verehrte: Mit der Serie „Das Erbe der Guldenburgs“ fasste sie Fuß in der Fernsehunterhaltung, wo sie seither ein Millionenpublikum erreichte. Immens dann der Erfolg mit der Serie „Julia – Eine ungewöhnliche Frau“ (ab 1999); sie spielte in zahlreichen weiteren TV-Produktionen und wurde zu einer jener Schauspielerinnen, die das Land vor dem Bildschirm versammeln konnte. Und sie wusste immer wieder – etwa in Helmut Dietls „Schtonk“ – zu überraschen und die Kritiker zu begeistern.
Ihr Publikum fühlte sich Hörbiger nahe; dennoch hielt die Schauspielerin sorgsam ihr Privatleben privat und eine neugierige Außenwelt auch gekonnt auf Distanz.
Lebensmenschen
In erster Ehe war sie mit dem Regisseur Wolfgang Glück verheiratet. Aus ihrer zweiten Ehe mit dem Schweizer Journalisten Rolf R. Bigler (gestorben 1978) entstammt ihr Sohn, Regisseur Sascha Bigler (Hörbiger drehte mit ihrem Sohn den Film „Die Muse des Mörders“).
Lange Zeit begleitete Hörbiger ihre Trauer über den Tod ihres Lebensgefährten Gerhard Tötschinger im Sommer 2016; über diese redete sie auch öffentlich: Er fehle ihr „immer noch unendlich“, sagte sie 2018.
Zuletzt trat Hörbiger kürzer, genoss lange Sommer in St. Gilgen („Ich habe zu meiner Agentin gesagt, dass ich auf meinen Sommer nur noch dann verzichten würde, wenn George Clooney will, dass ich seine Mutter spiele.“) und lebte völlig zurückgezogen. Ins Altersheim zu gehen, wie im Film „Zurück ins Leben“, kam für sie keinesfalls infrage. „Aber es ist ein sehr hübscher Film. Wenn ich einmal tot bin, hätte ich gern, dass man ihn zeigt.“
„Mit ihr verliert unser Land eine seiner beliebtesten und vielseitigsten Schauspielerinnen. Die einprägsame Art, mit der sie ihre Rollen anlegte, wird Theater- und Filmbegeisterten stets in guter Erinnerung bleiben.“
Alexander Van der Bellen, Bundespräsident
„Mit Christiane Hörbiger ist eine wunderbare, große Schauspielerin gegangen. Sie hat auf der Bühne ebenso begeistert wie auf der Leinwand und wurde dafür von vielen Menschen bewundert und geliebt.“
Werner Kogler, Kulturminister
„Christiane Hörbiger verstand es, nicht nur Millionen Menschen im Theater und auf der Leinwand zu begeistern, sie war auch eine Frau mit Haltung.“
Wolfgang Sobotka, Nationalratspräsident
„Mit Christiane Hörbiger verlieren wir eine Grand Dame der österreichischen Film- und Theaterszene, die ich auch persönlich sehr geschätzt habe. In ihrer großen Rolle als Richterin Julia Laubach zeigte sie das Bild einer starken und unabhängigen Frau.“
Johanna Mikl-Leitner, Nö. Landeshauptfrau
„Aus einer legendären Theaterfamilie stammend, hatte es Hörbiger dabei nicht immer leicht, standen Vergleiche mit ihren Eltern, Paula Wessely und Attila Hörbiger, sowie den Schwestern Maresa Hörbiger und Elisabeth Orth doch auf der Tagesordnung. Doch Christiane Hörbiger hat ihren eigenen Weg verfolgt und mit Fernsehserien wie ,Das Erbe der Guldenburgs‘ oder ,Julia‘, aber auch mit Kino- und Fernsehfilmen wie Helmut Dietls Satire ,Schtonk‘ große Erfolge gefeiert.“
Veronica Kaup-Hasler, Wiener Kulturstadträtin
„Sie konnte der lockerste und ausgelassenste Mensch der Welt sein, doch wenn sie sich auf eine Rolle vorbereitete, trat alles andere in den Hintergrund. Da gab es nur Disziplin.“
Georg Markus, Hörbiger-Biograf
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