Im Internet kann man folgende Anekdote über ihn lesen: Eines Tages läutete es an einem Haus in London. Vor der Türe stand ein zerrupfter älterer Herr im Regenmantel. Höflich gab er zu verstehen, dass er mit dem Hausbesitzer einen Termin habe. Die Hausfrau ließ ihn herein, versorgte ihn mit Tee und Knabbergebäck. Die Konversation gestaltete sich schwierig, denn der merkwürdige Besucher erwies sich als überaus schweigsam.
Stunden später kam der Hausherr und erkannte den Besucher: Es war Bob Dylan. Er hatte sich in der Tür geirrt. Freundlich bedankte er sich für die Bewirtung und verschwand wieder im Londoner Regen.
Und noch eine Geschichte: Teilnehmer einer Bob-Dylan-Erinnerungstour schwören, dass Bob Dylan selbst an dieser Tour teilnahm und die Orte seiner Jugend besuchte, dem Reiseleiter interessiert zuhörend.
Bob Dylan kam, wie jeder „Millionenshow“-Zuschauer weiß, als Robert Allan Zimmerman zu Welt, und zwar ausgerechnet in Duluth, Minnesota, einer ausgesucht deprimierenden Kleinstadt im amerikanischen Nirgendwo. Es war der 24. Mai 1941, also, wir erwähnten es bereits, vor 80 Jahren. Bald zog die Familie – Dylan hat ukrainisch-jüdische Vorfahren – in die Bergarbeiterstadt Hibbing.
Wie so viele Rockstars wurde Dylan durch das Radio sozialisiert, besser gesagt: durch Elvis Presley, den er im Radio seiner Eltern hörte.
Der kleine Bob bekam – warum sollte es ihm besser gehen als uns allen? – Klavierunterricht, wechselte dann aber bald zur Gitarre.
Als Student kam Herr Zimmerman mit Folkmusik und mit Literatur in Kontakt, beides blieb prägend für sein Leben. Er trat als Folksänger auf und nahm den Künstlernamen Dylan an. Warum er das tat, darüber gibt es, wie über alles in seinem Leben, verschiedene Anekdoten, am wahrscheinlichsten ist, dass er seiner Bewunderung für den Dichter Dylan Thomas Ausdruck verlieh (und den Namen einfach elegant fand).
1961 setzte Dylan seinen wichtigsten Schritt: Er zog nach New York, nur dort konnte es der werden, der er war. Mit seiner Freundin Suze Rotolo lernte er die Liebe kennen, und den Sarkasmus. In New York besuchte er auch sein großes Idol, den legendären Folksänger Woody Guthrie an dessen Totenbett und holte sich, ob der wollte oder nicht, seinen Segen ab.
Seine ersten Plattenaufnahmen machte Dylan als Mundharmonikaspieler für Harry Belafonte (ja, wirklich). Sein erstes eigenes Album war wenig beeindruckend, aber mit „The Freewheelin’ Bob Dylan“ wurde er zur Sensation. Dylan nahm den klassischen Folksong und reicherte ihn mit seinen merkwürdigen, geheimnisvollen Texten an.
1963 lernte er zwei seiner Lebensmenschen kennen, die Sängerin Joan Baez (mit der er eine romantische Beziehung einging) und seinen Manager Albert Grossman.
1965 griff Dylan zur elektrischen Gitarre und wurde zum Rockmusiker. Man kann sich das heute kaum noch vorstellen, aber dieser Schritt galt damals als Sakrileg, für die stockkonservative Folkszene wurde Dylan zum Hassobjekt.
Bis heute hat er sich musikalisch immer wieder neu erfunden, ohne Rücksicht darauf, was seine Fans davon hielten. Die musikalischen Ergebnisse waren jedoch fast immer großartig (na gut, von seiner christlichen Phase reden wir ein anderes Mal).
Seit 1988 ist er auf der „Never Ending Tour“, er spielt ständig irgendwo, unterbrochen nur durch eine Herzoperation und eine kleine, unbedeutende Pandemie. Manchmal ist er auch in Wien zu Gast, etwa im Konzerthaus, wo er zuletzt das Publikum beschimpfte, weil es mit den Handys mitfilmte, anstatt zuzuhören.
2016 wurde Bob Dylan der Literaturnobelpreis zuerkannt, als erstem Popkünstler. (Völlig zu Recht, wenn seine Texte nicht „Literatur“ sind, was dann?). Auch dazu gibt es eine Anekdote: Dem Nobelpreiskomitee gelang es nicht, Dylan zu erreichen. Er schien auch nicht zur Preisverleihung. Alles andere wäre auch eine Enttäuschung gewesen.
I’m not there. Ich bin nie dort, wo ihr mich erwartet.
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