„Glauben Sie wirklich, dass das Kunst ist?“ Mit diesen Worten, erinnert sich die Galeristin Ursula Krinzinger, sei ihr der Sammler Peter Ludwig einst gegenübergetreten, als sie ihm Aktionsfotos des 1969 verstorbenen Künstlers Rudolf Schwarzkogler anbot. „Ich habe sicher zwei Stunden mit ihm gesprochen, das ist nicht locker gelaufen.“ Doch am Ende war der Sammler überzeugt, der Grundstein für den Ankauf von Schwarzkoglers Nachlass 1984 und für den Kern der Aktionismus-Sammlung des heutigen mumok war gelegt.
In den 40 Jahren seither hat sich die Kunstform, die zu den radikalsten künstlerischen Äußerungen der Nachkriegszeit zählte, als Teil des Kanons etabliert. Doch zugleich befindet sich die Aufarbeitung an einem Scheideweg: Mit Günter Brus ist im Februar der letzte Protagonist des Quartetts, zu dem außerdem Rudolf Schwarzkogler (1940–1969), Hermann Nitsch (1928–2022) und Otto Muehl (1925–2013) zählten, gestorben. Deren Erbe trifft nun auf eine neue, anders sozialisierte und sensibilisierte Generation von Akteuren in den musealen Institutionen, am Kunstmarkt und nicht zuletzt auch beim Publikum.
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In diese Gemengelage steigt nun das „Wiener Aktionismus Museum“ oder kurz WAM ein, das in der kommenden Woche in der Wiener Weihburggasse 6 eröffnet.
Das Museum ist eine Privatinitiative. Der Wiener Galerist und Sammler Philipp Konzett hatte 2022 mit einem Konsortium die „Sammlung Friedrichshof“ gekauft, die nach der Auflösung der Kommune von Otto Muehl 1991 in eine Genossenschaft überführt worden war. Als Kuratorin des WAM agiert Eva Badura-Triska, die lange für die Aktionismus-Bestände des mumok zuständig war: Das Museum hatte bereits 2003 einen Teil der Friedrichshof-Bestände übernommen, im Konzert des Programms war der Aktionismus aber zuletzt wenig präsent gewesen.
„Auf jeden Fall ist es nötig, diese Periode österreichischer und internationaler Kunstgeschichte zu würdigen“, sagt Thomas D. Trummer, der als Direktor am Kunsthaus Bregenz. Nachsatz: „Das können und sollten die Museen tun.“ Dass eine private Initiative braucht, weise auf einige Versäumnisse in der Sammlungspolitik hin. Das Kunsthaus Bregenz, das keine eigene Sammlung hat, bestückte seine aktuelle Werkschau zu Brus stark mit Werken aus dem Besitz des Künstlers und seiner Familie sowie aus dem „Bruseum“, das nach einer Schenkung am Grazer Joanneum eingerichtet wurde.
Grundsätzlich gelte es, die Kunstrevolution der 1960er, in der Brus, Muehl, Nitsch und Schwarzkogler als Gruppe agierten, von der Zeit danach abzugrenzen, erklärt der Grazer Galerist Gerhard Sommer, ein weiterer Spezialist im Aktionismus-Feld. WAM-Initiator Philipp Konzett betont, dass der Grundstock des neuen Museums in eine eigene GmbH eingebracht wurde, er umfasse „Werke des Wiener Aktionismus von 1957 bis 1973, die absolut unverkäuflich und nicht veräußerbar sind“. Konzett tritt so dem Verdacht entgegen, das Museum könnte eine Art Verkaufsgalerie sein.
International bekannt
Dass Galeristinnen und Galeristen die Wertschätzung und Wertsteigerung des Aktionismus vorantrieben, ist dabei unbestritten: Ursula Krinzinger und Heike Curtze beförderten etwa die Verbreitung maßgeblich, indem sie Fotoserien der Aktionen als limitierte Mappenwerke auflegten. Internationale Museen wie das MoMA oder die Londoner Tate schlugen zu.
2022, fast zeitgleich mit dem Tod von Hermann Nitsch, gab die Mega-Galerie Pace bekannt, den Künstler künftig weltweit zu repräsentieren. Der Sprung auf dieses internationale Level hätte „viel früher stattfinden müssen“, sagt Krinzinger heute. Dass es beim Publikum aber noch Vorbehalte geben könnte, legte eine Nitsch-Ausstellung bei Pace in New York 2023 nahe, die den blutigen Aspekt des „Orgien-Mysterien-Theaters“ mit einer zahmen Performance des Künstlers Miles Greenberg nur andeutete.
Auch Otto Muehl, dessen Wege als Kommunenchef ein einem Zirkel aus Machtmissbrauch, sexueller Ausbeutung und einer Gefängnisstrafe gipfelten, könnte sich als Mühlstein um den Hals der Bewegung erweisen. Dabei passierte die Entgleisung lange nach der Explosion, die man als „Wiener Aktionismus“ zu musealisieren hat.
Geht die Würdigung des einen und die Verurteilung des anderen zusammen? Muehls Nachlass sei vom Aktionismusbestand klar getrennt, erklärt Konzett, er könne aber in Ausstellungen einfließen: „Das WAM ist der Auffassung, dass man Werk und Künstler nicht trennen kann und genau diese Herausforderung die Spannende für eine museale Präsentation ist.“
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