Wenn die bunten Fahnen wehen, ist ein Kunst-Kollektiv am Werk
„Rembrandt“: Der Name prangt in Leuchtschrift auf einer Sesselbank, man kennt die Schrift von Gemälden, Posters, Postkarten, sie ist mehr Logo als Signatur. Der Künstler Robert Watts ersann das Werk, das nun in der Schau „Kollaborationen“ im Wiener mumok zu sehen ist, im Jahr 1965. Den Hintergrund bildet eine Kritik am Geniekult: War Rembrandt – und viele andere Künstler, die im 17. Jahrhundert und davor mithilfe großer Werkstätten arbeiteten – der alleinige Schöpfer seiner Bilder, oder war er eher Regisseur eines Apparats mit vielen Teilen, eines „Kollektivs“ gar?
Anders als beim Film, in dessen Abspann alle Mitwirkenden genannt werden, gebe es in der Kunst kein vergleichbares Bewusstsein für Kollaboration, sagt Heike Eipeldauer, die die neue Schau primär aus mumok-Beständen kollaborativ mit Franz Thalmair gestaltete.
Die Weltkunstschau document, die heuer sowohl bei ihrer Kuratorenschaft als auch bei den geladenen Kunstschaffenden dem Ideal des Kollektivs frönt, war gewiss ein Zündfunke – auch das Münchner Lenbachhaus zeigt heuer mit zwei Ausstellungen unter dem Gesamttitel „Gruppendynamik“ Echos dazu.
Kollaborations-Kollaps
Doch Kollaborationen und Gruppenbildungen sind nicht gleich Kollektive, wie Eipeldauer betont. Und wer durch die zwei Ebenen des Museums wandert, spürt auch, dass der gegenwärtige Moment sich anders anfühlt als das, was sich aus anderen Zeiten im Museum sammelte.
Es gibt zwar einiges, das an den Geist von Kassel gemahnt: Die dort omnipräsenten bunten Stoff-Fähnchen etwa wehen auch im mumok. In diesem Fall sind es Werke von Ree Morton, die damit 1975 ihren Freunden Denkmäler setzte. Auch recycelte Stellwände und Displays sind en vogue, das Duo Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová hat sie in Wien arrangiert.
Ansonsten aber gräbt das mumok in der eigenen (Sammlungs-)Geschichte und wird vor allem bei der Fluxus-Bewegung der 1960er und ihren Ausläufern fündig: Kunst wurde da per Post verschickt, in Koffern gesammelt und in Happenings aufgeführt. Daniel Spoerri verwandelte gemeinsame Essen in Kunstwerke, und auch in Wien wurde eifrig kollaboriert – wobei es schwerfällt, Otto Muehls Zock-Manifest von 1967 zu sehen und das spätere Kippen vom Kollektiv zur Kommune zu ignorieren.
Auch wenn sich viel Kunst in der mumok-Schau politisch geriert – zu erwähnen ist hier das slowenische Kollektiv IRWIN mit seiner Idee eines alternativen Staats oder Yoko Onos zur Zeit des Vietnamkriegs geschaffenes Schachbrett, das nur weiße Felder und Figuren kennt– so bleibt sie doch fest im Kunstsystem verankert, attackiert mehr oder weniger spielerisch dessen Riten und Codes.
Politik vor Kunst
Die Positionierung der Kollektive aus Indonesien, Nigeria, Kuba oder Haiti, die nun bei der documenta an die Türen der etablierten Kunstwelt klopfen, ist aber gänzlich anders – der Vektor verläuft hier von der Politik zur Kunst und nicht umgekehrt. Meist stehen gesellschaftliche Anliegen oder schlichte Überlebensnotwendigkeiten an erster Stelle, das Kunstsystem dient primär als Megafon.
Was die Zusammenschlüsse von heute mit jenen im Museum verbindet, ist wohl der Umstand, dass sie zur Stärkung in einer Drucksituation entstanden und entstehen. Doch auch hier lässt sich die Position von Benachteiligten in Ex-Kolonialstaaten mit jenen westlicher Kunst-Rebellen nur schwer vergleichen.
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