Voodoo Jürgens: G’schicht’n aus’m Bauchstichcafé

Der Wiener Liedermacher Voodoo Jürgens.
Voodoo Jürgens veröffentlicht sein Debütalbum. Der Austropop-Hype wird damit fortgesetzt.

Das Café Weidinger am Wiener Gürtel ist an einem schönen Herbstnachmittag nur spärlich gefüllt. Hinten im Eck sitzt ein Thirtysomething vor einem Seidel Bier und nuckelt genüsslich an einer Zigarette. Er sieht zufrieden aus. Sein Hemd der Marke "Humana" ist weit geöffnet, die Brusthaare verfangen sich im Halsketterl und der Vokuhila sieht frisch geschnitten aus. Vorne Business. Hinten Party.

Voodoo Jürgens – so nennt sich der junge Mann aus Tulln, der seinen bürgerlichen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte – wird gerade als Vertreter des neuen Wienerliedes, als der "Popstar aus dem Tschocherl" (Falter) gefeiert. Seit Monaten schlüpft er in die Rolle eines Liedermachers, der im Strizzi-Look und Wiener Dialekt in Kunstgalerien und bei Firmenfeiern genauso auftritt wie in Bauchstichcafés oder in der Wiener Stadthalle – Ende März gab er den Einheizer für Pete Doherty und dessen Libertines. Abgesehen von wenigen Auftritten mit seiner Band, der Ansa Panier, tritt er dabei mehrheitlich solo auf.

"Eierbock"

"Ich mag es, wenn man sich alleine mit der Gitarre in den Zug setzen kann, ohne davor mit Bandmitgliedern Details abklären zu müssen. Und – so ehrlich muss man sein – hat das natürlich auch finanzielle Gründe: Wenn man die Gage durch sechs teilen muss, bleibt halt weniger für einen selbst übrig", sagt er im KURIER-Interview.

Seine Gedanken in Worte zu fassen fällt ihm beim Gespräch oftmals schwer. Besser gelingt ihm das auf seinem vergangenen Freitag veröffentlichten Debütalbum "Ansa Woar". In diesem geht es um zwielichtige Gestalten; um Hallodris und die "Gitti"; um lange Nächte in grindigen Beisln; um seine Kindheit und Jugend in Tulln; um die "Nochborskinda", die "ned zum pockn san" und sich allemal "an Eierbock" verdient hätten.

Liebe zum Dialekt

Im Westen Österreichs müsste man die Texte von Voodoo Jürgens wohl mit einem Untertitel ausstatten. Verständigungsprobleme habe es bei den Auftritten bislang aber noch kaum gegeben. Auch in Deutschland gehe sich das aus. "Ich habe schon in Frankfurt gespielt und dort sind meine Songs gut angekommen. Außerdem funktionieren in Deutschland auch Eros Ramazzotti und Manu Chao."

Als Retter des Wiener Dialekts sehe er sich zwar nicht, aber "ich finde es gut, wenn sich Menschen mit der eigenen Sprache auseinandersetzen. Ich bin damit aufgewachsen. Das ist ein Teil von mir. Ich habe eine Liebe zu manchen Wörtern, die bereits kaum noch jemand kennt und verwendet, nach denen man heute schon suchen muss. Diese Wörter möchte ich am Leben halten. Denn es wäre schade, wenn sie verlorengehen würden."

Voodoo Jürgens: G’schicht’n aus’m Bauchstichcafé
CD-Cover. Honorarfrei.
Und so erzählt er seine bedrückenden, aber auch erheiternden Geschichten in jener "Gaunersprache", die man in Wien nur mehr selten hört. Die Vokale werden gedehnt, es wird geraunzt und gebitzelt. Dazu eiert die Orgel, wird die Gitarre, der Kontrabass gezupft und die Mundharmonika gespielt. Das rumpelt und groovt herrlich.

Den aktuellen medialen Hype um seine Person nimmt Voodoo Jürgens gelassen: "Nur weil es jetzt funktioniert, heißt das noch lange nicht, dass das auch bei der zweiten Platte so ist. Der Zufall ist der König aller Dinge", sagt er und zündet sich noch eine Zigarette an.

Info: Voodoo Jürgens – am 7. Oktober live im Wiener Flex. Weitere Termine.

Bisher war es ein tolles Jahr für österreichische Musik. Vom Feuilleton bis zu den Stars- und Sternchen-Spalten in Boulevardzeitungen wurde über Bands wie Wanda, Bilderbuch und Seiler & Speer berichtet – auch im Ausland: Musik aus Österreich ist wieder en vogue. Im April wurde der bisherige Höhepunkt erreicht: Wanda verkauften die Stadthalle mit einem Fassungsvermögen von 12.000 Menschen aus. Mit „Amore meine Stadt“ erscheint am 21. Oktober auch eine DVD des Auftritts. Und Bilderbuch legen mit „Magic Life“ im Februar 2017 einen Nachfolger zu „Schick Schock“ vor. Aber nicht nur der Austropop, sondern auch das Wienerlied feiert ein Comeback. Verantwortlich dafür: Ein bunter Haufen von Musikern, die sich dem Genre auf neue, frische und lässige Art und Weise nähern: Die Strottern, Kollegium Karlsburg, Der Nino aus Wien, 5/8erl in Ehr’n, die Gebrüder Marx und nun eben Voodoo Jürgens. Der „Wiener Grind“ ist salonfähig geworden.

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