Wohin sich Österreichs Humor entwickelt hat

Wenn Profis blödelten: Unvergessene Doppelconférencen zwischen Karl Farkas und Ernst Waldbrunn.
Worüber man einst lachen konnte. Und worüber man heute lachen soll.

Österreich hat, was das Lachen betrifft, eine wahrhaft große Tradition. Komödianten von Nestroy über Qualtinger bis Hans Moser schrieben in Sachen Humor Geschichte – und tun es immer noch, wenn man das Glück hat, sie auf ORF III zu erwischen, wo ihre nie unter der Gürtellinie angesiedelten Späße gelegentlich gezeigt werden. Aktuell wird uns allerdings der Humor des Villacher Faschings geboten, genau genommen am kommenden Dienstag, an dem uns Derartiges erwartet:

Is dei Schwesta schiach und moga, wirst es schwer hab’n mit an Schwoga. (© Villacher Fasching, 2011).

Karl Farkas

Den österreichischen Humor schufen Komödianten von der Statur eines Karl Farkas, der einst conférierte:

Ein österreichischer Patriot ist ein Mann, der böse wird, wenn ein Fremder Österreich kritisiert, wie er selbst es immer tut.

Oder: Ein Arzt ist ein Mann, dessen Profession es ist, uns davor zu bewahren, eines natürlichen Todes zu sterben.

Humor à la Villach

Der Humor à la Villach wird von Angehörigen ehrenwerter Berufe wie Apotheker, Bauer oder Lehrer erdacht, aber nicht von Satirikern oder Kabarettisten, und das klingt daher so:

Gegen das, was ma auf an österreichischen Bahnhof einer Großstadt in drei Stunden Wartezeit erlebt, is a Blasenentzündung fast ein Jackpot.

Es war Johann Nestroy, der die Grundlagen zu dem legte, was wir unter österreichischem Humor verstehen:

Armut ist ohne Zweifel das Schrecklichste. Mir dürft einer zehn Millionen herlegen und sagen, ich soll arm sein dafür,i nehmet’s net.

Schlechte Zeiten

Apropos Armut: Blütezeiten des Humors waren meist dann, wenn es den Menschen schlecht ging – weil da das Bedürfnis unterhalten zu werden, besonders groß war. Ein Beispiel aus den düsteren 1920er-Jahren, als der Kabarettist Fritz Grünbaum einen Schüttelreim auf die käuflichen Journalisten des korrupten Wiener Zeitungsverlegers Imre Békessy schuf:

Man kann, wenn sie Bericht erstatten, genau wer sie besticht erraten.

Zum Vergleich dazu eine ebenfalls in Reimform vorgetragene Parodie aus dem Villacher Fasching 2004. Ein als „Queen Mum“ verkleideter Herr dichtet in Anspielung auf Camilla Parker-Bowles:

I am not amused, mit wem der Charles umanandaschmust.

Nach einer solchen Pointe wird in Villach üblicherweise laut „Lei, lei“, gerufen, damit das Publikum weiß, dass es jetzt lachen muss.

Der Witz

Zugegeben, solche Vergleiche sind unfair. Man darf Profis nicht mit Dilettanten in ein Boot setzen. Aber auch „der kleine Mann“ kann und konnte unter Beweis stellen, dass es hierzulande einen g’sunden Schmäh gibt: mit dem Witz. Der Komiker Maxi Böhm besaß die aus 80.000 Witzen bestehende größte Witzesammlung Österreichs (sie ist heute in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt). Hier ein Beispiel aus dem reichen Fundus des einstigen „Witzepräsidenten“:

In einer Schule in Hollywood sollen die Kinder eine Geschichte über eine arme Familie schreiben. Die Tochter eines Filmagenten beginnt ihre Erzählung so: „Es war einmal eine arme Familie. Die Mutter war arm. Der Vater war arm. Die Kinder waren arm. Das Stubenmädchen war arm. Der Kammerdiener war arm. Der Chauffeur war arm. Der Gärtner war arm. Alle waren arm.“

Nicht, dass es heute keine hochbegabten Witzeerzähler, Satiriker und Kabarettisten gäbe, Josef Hader, Michael Niavarani, Erwin Steinhauer, Roland Düringer oder Lukas Resetarits gehören zweifellos dazu, aber wenn ihnen Sendezeit zur Verfügung gestellt wird, dann knapp vor Mitternacht und nicht um 20.15 Uhr wie dem Villacher Fasching.

Die Deutschen, deren Humor oft nicht der unsereist, stellten nach der Dirndl-Zote des FDP-Politikers Rainer Brüderle im Spiegel dieser Woche die künftige Verbreitung anzüglicher Witze zur Diskussion („Stirbt der Herrenwitz jetzt aus?“), während im ORF noch am vorigen Mittwoch in Narrisch guat/Teil 1 eine in die Jahre gekommene liebestolle Nonne gezeigt wurde, die einen Mönch verführen will:

In der Klosterzelle

Als sie ihm in einer Klosterzelle zuflüstert, dass ihr kalt sei, bringt er ihr eine Decke. Als ihr daraufhin immer noch kalt ist, bringt er noch eine Decke. Bei der dritten Aufforderung erklärt der Ordensmann schließlich: „Dann tua ma halt so, als ob ma verheiratet wären.“ Nachdem sie begeistert zustimmt, meint er: „Also, dann hol dir die Decken selber.“

Klar, dass es sexistische und frauenfeindliche Witze auch früher gab:

Meine Frau hat mir ihren Schulatlas gezeigt – da war Amerika noch gar nicht drauf!

... aber irgendwie war das nicht ganz so peinlich.

Natürlich waren auch die Doppelconférencen zwischen Karl Farkas und Ernst Waldbrunn als reine Blödelei gedacht – und doch lachte man auf hohem Niveau:

Waldbrunn: Ich hab eine Erfindung gemacht.

Farkas: Was hast du erfunden?

Waldbrunn: Tabletten, die den Durst löschen.

Farkas: Wozu braucht man die?

Waldbrunn: Nimm an, du bist in der Wüste. Du hast Durst, weit und breit gibt es kein Wasser. Du nimmst eine Tablette – und der Durst ist weg.

Farkas: Das ist wunderbar.

Waldbrunn: Es hat nur einen Nachteil.

Farkas: Was?

Waldbrunn: Die Tabletten müssen in Wasser aufgelöst werden.(© Thomas Sessler Verlag, Wien).

Auch den volkstümlichen Humor, dessen Interpreten wenig Wert auf intellektuelles Gehabe legten, gab es einst, und er hatte durchaus seine Berechtigung. Denn Künstler wie Paul Löwinger, Pirron und Knapp, Wondra und Zwickl oder „Die 3 Spitzbuben“ waren Profis, die ihr Metier beherrschten. Ein Beispiel von zeitloser Gültigkeit, um nicht zu sagen: Aktualität von den „Spitzbuben“:

Eine Anzeige

Sagt a Freund zu einem anderen: „Stell dir vor, ich wurde wegen Betrugs angezeigt.“

„Warum denn?“

„Weil ich an Politiker a Kuvert geben hab.“

„Aber des is doch kein Betrug, des is Bestechung.“

„Ja, aber es war nix drin!“

Will man in Villach aktuell sein, klingt das so:

Die Ratingagenturen wollen von unsere drei A ein A streichen. Mocht jo nix. Weil was AA heißt, versteht wenigstens das einfache Volk.

Und ist man politisch, hört sich das in Villach so an:

Unser Faymann, der war schon auf mehr Gipfel wie der Reinhold Messner.

Und dann wieder ein kräftiges „Lei, lei“ – und wir wissen, was wir zu tun haben.

Ohne Erklärungen

Als Gerhard Bronner, Helmut Qualtinger und Georg Kreisler auftraten, musste man dem Publikum nicht erklären, wann es zu lachen hatte. Sie schrieben in den 1950er- und 1960er-Jahren mit dem G’schupften Fedl, Der Wilde, Der Papa wird’s schon richten, dem Herrn Karl oder Tauben vergiften im Park Kabarett und Satire für die Ewigkeit. Und die vor wenigen Tagen verstorbene Louise Martini gab das Lied von den Chesterfield-Zigaretten, die man als junge Wienerin nur von den amerikanischen Besatzungssoldaten bekommen konnte:

Damals war a Chesterfield für mich ein Vermögen. Und die Leute legten für ein Vermögen sehr viel hin. Und so legte ich mich hin...

War auch anzüglich, hatte aber Klasse. Wie natürlich auch Qualtinger, wenn er feststellte:

Seitdem es Flugzeuge gibt, sind die entfernten Verwandten auch nicht mehr das, was sie einmal waren.

Kultur

Villach will selbst das Thema Kultur nicht außer Acht lassen, wie eine Pointe aus einer der letzten Sitzungen zeigt:

Bei der Kunst wird gespart. Die Philharmoniker werden auf die Hälfte reduziert und heißen Wenigharmoniker. Auf Tournee Ziehharmoniker.

Und wenn man in Villach das Bildungsbürgertum ansprechen will, klingt das so:

Freilich kenn i den Pythagoras, oba i hob ihn schon long nimmer g’segn.

Lei, lei... Leider kann man dagegen gar nichts tun. Denn der Villacher Fasching ist mit 1,3 Millionen Zusehern eine der erfolgreichsten Unterhaltungssendungen des Jahres.

Was freilich auch bedeutet, dass 6,7 Millionen Österreicher – vom Baby bis zum Großpapa – auf dieses Vergnügen verzichten.

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