Kabarett Simpl: 100 Jahre Lachen
Waldbrunn: Ich hab eine Erfindung gemacht.
Farkas: Was hast du erfunden?
Waldbrunn: Tabletten, die den Durst löschen.
Farkas: Wer braucht die?
Waldbrunn: Nimm an, du bist in der Wüste, du hast Durst, es gibt kein Wasser. Du nimmst eine Tablette – und der Durst ist weg.
Farkas: Das ist wunderbar!
Waldbrunn: Es hat nur einen kleinen Nachteil. Die Tabletten müssen in Wasser aufgelöst werden.
Es gibt wohl nur ein Kellerlokal auf dieser Welt, in dem so herrlich geblödelt werden kann: das Kabarett Simpl auf der Wiener Wollzeile. Heuer feiert es seinen 100. Geburtstag – als ältestes bestehendes deutschsprachiges Kabarett.
Als der Theaterdirektor Egon Dorn im Frühjahr 1912 den feuchten Keller in der Wiener Innenstadt kaufte, konnte niemand ahnen, dass hier eine Institution entstehen würde. Er eröffnete im Herbst nach entsprechenden Umbauten das "Biercabaret Simplicissimus", wobei der Bierkonsum anfangs wichtiger war als die auf der Bühne gesprochenen Texte. Denn man gab seichte "Nummernprogramme" mit zweitrangigen Komikern.
Kabaretts schossen damals wie Pilze aus dem Boden und sperrten ebenso schnell wieder zu. Es ist zwei Künstlern zu danken, dass dies dem Simpl erspart blieb: Fritz Grünbaum und Karl Farkas. Während Grünbaum 1914 erstmals im Simpl auftrat, versuchte sich Farkas vorerst als ernsthafter Schauspieler und meldete sich 1922 auf ein Inserat im Wiener Tagblatt, mit dem "Nachwuchskräfte für das Cabaret Simplicissimus" gesucht wurden.
"Na, was können Sie?" fragte Direktor Dorn den 28-jährigen Farkas, der darauf antwortete: "Rufen Sie mir einfach Stichworte zu, ich mach ein Gedicht daraus".
Nach ein paar komischen Reimen war er als "Blitzdichter" engagiert. Das Publikum rief ihm meist prominente Namen zu und Farkas dichtete "blitz". Als ein Zuschauer "Leo Slezak" sagte, reimte Farkas in Sekundenschnelle: "Glaubt mir, dass ich euch keinen Schmäh sag, der beste Sänger ist der Slezak."
Seine Pointen sprachen sich bald in Wien herum: "Gott hat aus dem Chaos die Welt erschaffen, und wir haben aus der Welt ein Chaos gemacht." Oder: "Im Laufe der Zeit ändert sich ein Ehemann: Einst erschöpfte er sich in Beteuerungen, später beteuert er seine Erschöpfung." Und schließlich entwickelten Grünbaum und Farkas im Kabarett Simpl die Doppelconférence.
Farkas: Ich gehe vorgestern über die Straße – ein gellender Pfiff, ein Mann in jagender Hast an mir vorbei, trägt einen Frauenhut...
Grünbaum: Auf dem Kopf?
Farkas: In der Hand! Hinter ihm die Polizei. Der Mann hatte in dieser Nacht vier Mal in ein und demselben Modesalon eingebrochen.
Grünbaum: Da hat er wohl den ganzen Laden ausgeräumt?
Farkas: Nein, einen einzigen Hut hat er gestohlen – für die Frau, die er liebt!
Grünbaum: Warum musste er wegen eines Hutes vier Mal einbrechen?
Farkas: Sie hat ihn immer wieder zurückgeschickt – umtauschen!
Neben Grünbaum und Farkas traten Stars wie Hans Moser und Hermann Leopoldi auf, zu den Begleitern am Klavier zählten Ralph Benatzky und Robert Stolz. Der wirtschaftliche Erfolg des Kabaretts schien gesichert, zumindest wenn man dem Komiker Armin Berg glaubte, der auf der Simpl-Bühne erklärte: "Wien hat zwei Millionen Einwohner. Wenn sich jeder unser Programm nur zwei Mal anschaut, sind wir auf zehn Jahre ausverkauft."
Doch es kam anders. Als das Duo Grünbaum–Farkas ein Angebot des Konkurrenzunternehmens "Hölle" annahm, drohte der Untergang des Kabaretts auf der Wollzeile. Der täglich übervolle Simpl war über Nacht wie ausgestorben, Kabarettbesitzer Egon Dorn unternahm einen Selbstmordversuch, der glücklicherweise misslang.
Wieder siechte der Simpl mit harmlosen Programmen vor sich hin – bis die beiden Kabarettkönige als Sensation des Jahres 1931 in die Wollzeile zurückkehrten. In der Nazizeit lenkte das Duo Wondra und Zwickl von den Gräueln der Diktatur und des Krieges ab, sonst gab’s im Simpl ebenso wenig zu lachen wie im übrigen Reich.
Retter
Fritz Grünbaum wurde ins KZ Dachau deportiert und 1941 ermordet, Farkas gelang die Flucht nach Amerika, wo er in Emigrantenlokalen auftrat. Und 1950, neuerlich als Retter des Simpl, in die Wollzeile zurückkehrte und eine weitere Blütezeit des Unterhaltungskabaretts einleitete. Er holte Ernst Waldbrunn, Maxi Böhm, Heinz Conrads, Fritz Muliar, Ossy Kolmann, Cissy Kraner und Hugo Wiener an sein "größenwahnsinnig gewordenes Nudelbrett", wie er die kleine Simpl-Bühne nannte.
Nach Farkas’ Tod im Jahre 1971 spielte das alte Ensemble zwei Jahre weiter, ehe der Simpl an Martin Flossmann überging, der das Kabarett 22 Jahre führte und dann Michael Niavarani die künstlerische Leitung übergab.
Besitzer und Geschäftsführer des Simpl ist heute Albert Schmidleitner, dem eine unglaubliche Karriere gelang: Er hatte bei Flossmann als Kulissenschieber begonnen, ehe er zum Co-Autor und Geschäftsführer und schließlich zum Eigentümer des profitablen Kellers aufstieg. Klar, dass er für die Herbstsaison eine Jubiläums-Revue "100 Jahre Simpl" vorbereitet.
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