Volksoper Wien wird rosa
Zum Start der ersten Saison unter Direktorin Lotte de Beer wartet die Wiener Volksoper mit erneuerter Fassade auf. Das Haus am Gürtel wird sich im Farbton Rosa cyclam 5 präsentieren. Zudem soll künftig ein handgeschriebener, blauer Schriftzug "Volksoper" das Opernhaus zieren, dessen Fassade insbesondere des historischen Gebäudeteils komplett saniert und gereinigt wurde, hieß es in einer Aussendung. Noch stehen jedoch die Gerüste.
"Wir wollen die Zuschauer dazu einladen, sich für einen Moment die Welt durch die sprichwörtliche rosarote Brille anzuschauen, aber nicht um sich zu belügen oder zu täuschen, sondern um die Herrschaft über die eigene Wahrnehmung wiederzufinden und Zuversicht zu gewinnen", hielten de Beer und Christof Hetzer, der für das Konzept der Neugestaltung verantwortlich zeichnete, fest. Auch solle die neue Fassadengestaltung Passanten neugierig darauf machen, was in der Volksoper vor sich geht.
Im Sinne der Umwelt wurde zudem ein neues, energiesparendes LED-Beleuchtungskonzept erarbeitet und wird in den nächsten Monaten eine Photovoltaikanlage am Dach installiert, die ein Viertel des Strombedarfs decken soll. Die Bundestheater-Holding hat die Finanzierung und Durchführung der Arbeiten übernommen.
Die neue Hausherrin
Als Regisseurin hat sich die 41-jährige Niederländerin Lotte de Beer überraschend schnell in der europäischen Musiktheaterlandschaft etabliert. Ob ihr dieses Kunststück auch in der Riege der Intendanten gelingen wird, das beweist sich ab 3. September. Mit einem feierlichen Eröffnungswochenende startet an der Wiener Volksoper die erste Saison der neuen Direktorin. Und die hat bereits im Vorfeld klar gemacht, dass nun ein frischer Wind am Gürtel weht.
Sie verpflichtete mit dem energiegeladenen Omer Meir Wellber einen neuen Musikdirektor und gründete erstmals ein Opernstudio, das von Maurice Lenhard geleitet wird. Und alle feiern mit am Auftaktwochenende, dessen Höhepunkt gleich zu Beginn die Premiere von Millöckers Operette "Die Dubarry" sein soll, für die unter anderen Annette Dasch und Humorist Harald Schmidt ans Haus kommen. Es folgen unter anderem auch die Wiederaufnahme von Rossinis "La Cenerentola" tags darauf und am 6. September eine Neueinstudierung der Strauß'schen "Fledermaus" durch Carsten Süss. "Eine Volksoper im wahrsten Sinn des Wortes" gab de Beer zuletzt als Ziel aus, wobei sie dabei kein Risiko scheuen will: "Wir wollen auch scheitern manchmal, wir wollen Farbe in die Welt bringen."
Das entspricht in etwa auch dem bisherigen Lebenslauf der Theaterfrau, die ihre Ausbildung in Maastricht begann, wo sie zunächst Gesang und Klavier und später Schauspiel studierte. Es folgte der Wechsel ins Regiefach und an die Hochschule der Künste in Amsterdam. Nach dem Abschluss 2009 entdeckte sie für den deutschsprachigen Raum Peter Konwitschny, mit dem sie bei mehreren Produktionen zusammenarbeitete. An der Oper Leipzig debütierte sie mit "Clara S." von Nicoleta Chatzopoulo.
Bald stieg de Beer zu einem der hoffnungsvollen Nachwuchstalente auf, was sich nicht zuletzt mit der Ehrung in der Kategorie "Newcomer" bei den International Opera Awards in London 2015 niederschlug. Auch gründete de Beer bereits 2010 mit dem Projekt Operafront ihre eigene Kompanie, die an wechselnden Orten das Genre nicht zuletzt für ein junges Publikum zugänglich machen will. 2018 erhielt sie den "Distinguished Artist Award" der International Society for the Performing Arts (ISPA), 2020 war sie bei den International Opera Awards in der Kategorie "Best Director" nominiert.
Als Regisseurin war sie alsbald in Stuttgart wie in Leipzig, in Amsterdam wie in Essen oder an der Bayerischen Staatsoper in München tätig und inszenierte Preziosen wie Henzes "Boulevard Solitude" in Kopenhagen ebenso wie Klassiker a la Wagners "Fliegender Holländer" an der Malmö Opera. Und auch in Österreich hat de Beer bereits mehrfach als Regisseurin reüssiert. 2013 gab sie ihren Einstand an der Kammeroper mit einer berührend-aktualisierten "Boheme", der 2016 eine "Traviata" folgte. Im Theater an der Wien waren zunächst eine "Pecheurs des perles" (2014) und eine "Jungfrau von Orleans" zu sehen, bevor sie im Februar mit Janáčeks "Jenůfa" die Abschiedsinszenierung für Hausherr Roland Geyer gestaltete.
Nun also legt de Beer selbst los im Direktorinnensessel. Ihr Nachname "de Beer" bedeutet ins Deutsche übersetzt "Die Bärin" - und das sind doch die idealen Voraussetzungen für eine zupackende Intendanz.
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