Verleihung der Nestroys: Ein Votum für österreichische Dramatik
Wenn man den Nestroy fürs Lebenswerk nicht dazuzählt, den Elisabeth Orth, die Doyenne des Burgtheaters, am Sonntagabend erhielt, ging das Match gegen das Volkstheater ex aequo aus: In beiden Häusern konnte man sich über vier Nestroys für aktuelle Produktionen freuen. Die Josefstadt hingegen wurde nicht bedacht – wie auch die Salzburger Festspiele oder die Wiener Festwochen.
Erwartungsgemäß räumte der Jandl-Abend „humanistää!“ ab. In der Sprechoper „Aus der Fremde“ verarbeitet Ernst Jandl seinen Alltag als Autor und die eher komplizierte Beziehung zu Friederike Mayröcker. Er hatte genaue Vorstellungen, wie die Figuren seine durchnummerierten, an Haikus erinnernden Drei-Zeilen-Strophen zu artikulieren und sich auf der Bühne zu bewegen hätten.
Regisseurin Claudia Bauer und Bühnenbildnerin Patricia Talacko nahmen nicht nur Rücksicht darauf, ihnen gelang „eine hinreißende, exakte Umsetzung“, wie im KURIER über die Uraufführung zu lesen war. Bauer ergänzte den Alltag des Autors um Traumsequenzen oder Gedanken, also um andere Texte. Integriert wurde auch Jandls „die humanisten“ – als Clown-Nummer. Aus dem hoch motivierten Ensemble stach Samouil Stoyanov mit seiner überwältigenden Interpretation des „deutschen gedichts“ heraus.
Die Produktion wurde von der Nestroy-Akademie nicht nur für die beste Regie ausgezeichnet, sondern auch als beste Aufführung im deutschsprachigen Raum. Und Stoyanov erhielt den Preis als bester Schauspieler.
Den vierten Volkstheater-Nestroy erhielt Elias Eilinghoff für die beste Darstellung einer Nebenrolle – in „Karoline und Kasimir – Noli me tangere“ des Nature Theater of Oklahoma nach Ödön von Horváth.
Am Sonntagabend bestätigte sich der Verdacht, dass die besten Burg-Aufführungen im Akademietheater zu sehen sind: Peter Baur und Jonas Link erhielten für „Die Schwerkraft der Verhältnisse“ nach dem Roman von Marianne Fritz den Nestroy für die beste Ausstattung, als bester männlicher Nachwuchs wurde Felix Kammerer in „Moskitos“ von Lucy Kirkwood ausgezeichnet.
Zwei Nestroys gab es für „Adern“: Die 26-jährige Lisa Wentz erhielt, bereits vorab bekannt gegeben, den „Autor*innenpreis“. Und Sarah Viktoria Frick wurde als beste Schauspielerin zum bereits dritten Mal mit einem Nestroy bedacht. In „Adern“ sucht der Bergmann Rudolf im Jahr 1953 per Zeitungsannonce jemanden, der sich um seine fünf Kinder kümmert. Denn seine Frau ist an Keuchhusten gestorben. Und so trifft Aloisia zu Beginn des Stücks mit ihrer kleinen Tochter am Bahnhof von Brixlegg ein. Man ringt um Worte, gesprochen wird – aus Unvermögen oder Unsicherheit – nur das Allernötigste. Sarah Viktoria Frick und Markus Hering müssen sich mit angedeuteten Gesten, mit scheuen Blicken helfen. Mit der Zeit entsteht aber eine tiefe Beziehung.
Breit gestreut
Rieke Süßkow erhielt einen Nestroy als bester weiblicher Nachwuchs in „Oxytocin Baby“ am Wiener Schauspielhaus. Als beste Off-Produktion wurde „Ein bescheidenerer Vorschlag“ des Herminentheaters in Kooperation mit dem TAG ausgezeichnet, als beste Bundesländer-Aufführung „Garland“ von Svenja Viola Bungarten in einer Inszenierung von Anita Vulesica am Schauspielhaus Graz.
„Nicht sehen“, ein Projekt von Noam Brusilovsky am Stadttheater Klagenfurt, erhielt den Spezialpreis, Stefan Jürgens (der Fernsehstar war „Des Teufels General“ bei den Festspielen Reichenau) den Publikumspreis.
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