"Des Teufels General" in Reichenau: Bonmots fallen wie Bomben

Ein Frauenheld und Bonvivant, der für die Nazis Siege erringt: Stefan Jürgens als General Harras (mit Emese Fay als Diva Olivia)
Hermann Beil inszenierte das Stück von Carl Zuckmayer gekonnt, Stefan Jürgens imponiert als Luftwaffen-Chef Harras

Etwas Veränderung müsse sein, befanden Peter und Renate Loidolt im Jänner 2020: Für den Sommer kündigten sie auch Carl Zuckmayers Stück „Des Teufels General“ an – mit Marcus Bluhm, Rainer Friedrichsen und Therese Hübchen in einer Inszenierung von Hermann Beil.

Die Veränderung fiel infolge der Pandemie gravierender aus, als gedacht: Zwei Jahre lang gab es keine Festspiele Reichenau, die Gründer hatten sich zurückzuziehen, und Maria Happel, vom Land Niederösterreich als Intendantin bestellt, ersann ein neues Programm. Von den Loidolts übernahm sie lediglich „Des Teufels General“ samt dem Reichenau-erprobten Regisseur und ein paar Schauspielern. Bei derart vielen Veränderungen stellte zumindest dies ein Kontinuum dar: Die Produktion war bereits vor der Premiere am Freitag im Neuen Spielraum so gut wie ausverkauft.

 

Geändert aber hat sich dennoch einiges. Happel verpflichtete, wie bei „Frühlings Erwachen“, Hans Kudlich mit dem Bühnenbild (der Sache dienend) und Erika Navas mit den Kostümen (originalgetreu). Zudem engagierte sie einen Kollegen aus der Serie „SOKO Donau“ für die Titelrolle als Luftwaffen-General. Nach Curd Jürgens (in der Verfilmung aus 1955) also jetzt Stefan Jürgens.

Cooler Blondschopf

Auf ihm lastet der ganze, inklusive Pause dreistündige Abend, auch wenn Zuckmayer in seinem mitunter ausufernden Stück mehrere Geschichten parallel erzählt, um das NS-Regime in möglichst vielen Facetten darzustellen. Und Jürgens gelingt die Aufgabe mehr als passabel. Sein Harras ist ein cooler Blondschopf, der nicht verschweigt, was er vom NS-Regime hält. Das macht ihn, auch wenn er für Hitler Siege erringt, natürlich verdächtig.

Im ersten Akt, Ende 1941, schmeißt er in Berlin ein Fest zu Ehren von Friedrich Eilers (Nicolaus Hagg), der bereits 50 Flugzeuge abgeschossen hat. Wie es der Teufel will, taucht nicht nur der unbarmherzige Gestapo-Mitarbeiter Schmidt-Lausitz (Tobias Voigt) auf: Der Kellner (David Jakob) hat das Extrastüberl verwanzen lassen.

In der stark, aber immer subtil gekürzten Fassung von Beil heißt er nicht Detlev, sondern Leopold – und ist ein waschechter Wiener. Damit hat es sich auch schon mit den Eingriffen. Wie sich die Umsetzung insgesamt über das Nichtvorhandensein des Zeitgeists definiert: Es gibt keine Zertrümmerung, keine Umdeutung, keine Überzeichnungen, nur Schauspielertheater und jede Menge pointierter Dialoge. Mag sich die Situation auch noch so zuspitzen: Harras lässt die Bonmots fallen wie kleine Bomben. Jeder zweite Satz ein Treffer.

 

"Des Teufels General" in Reichenau: Bonmots fallen wie Bomben

Angriffslustig: Johanna Arrouas als Kampf-Nazisse 

Und Jürgens artikuliert hinreißend. Anders als Friedrichsen, der kaum mehr glaubwürdig ist – als Präsident des Beschaffungsamtes wie als Vater von Pützchen. In der Rolle dieser Kampf-Nazisse bietet Johanna Arrouas dem General die Stirn: angriffslustig und dominant.

Einige Figuren bleiben blass oder Klischee, andere gewinnen erst mit der Zeit Kontur, darunter der Fliegeroffizier Hartmann des David Oberkogler. André Pohl, viel zu spät ins Spiel geholt, hat keine Möglichkeiten zur Entfaltung. Und Dirk Nocker, der Mann von Happel, begeistert mit Berliner Schnauze: als loyaler, herzensguter Chauffeur des Generals.

Frenetischer Applaus.

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