Wenige Tage nach dem Massaker am 7. Oktober 2023 sah sich das Rektorat der Universität für angewandte Kunst in Wien zu einem Statement verpflichtet: „Wir sind entsetzt über den grauenhaften Angriff der Hamas auf Israel. Wir dulden keinen Terror, keine Form des Antisemitismus und keine Relativierung des Existenzrechts Israels.“ Doch an der Angewandten gärte es. Am 14. Dezember 2023 gab es eine – nicht vom Rektorat genehmigte – „Free-Palestine-Kundgebung“, bei der eine Sprecherin den verheerenden Anschlag der Hamas sogar leugnete.
Wenig später griff die Erregung auch auf die Akademie der bildenden Künste über. Es folgte u. a. der „Shantout case“. Im Oktober 2024 veröffentlichte Nour Shantout, Stipendiatin der Akademie der Wissenschaften und Projektmitarbeiterin der Bildenden, auf Instagram in Englisch: „,Tod für Israel‘ ist nicht nur ein Thema. Er ist ein moralischer Imperativ und die einzig akzeptable Lösung. Möge die gesamte Kolonie für immer niederbrennen.“
Das Rektorat löste in der Folge das Dienstverhältnis mit der syrischen Studentin, die seit 2015 in Wien lebt. Die Entscheidung rief einen internen Konflikt hervor: In Stellungnahmen und Petitionen wurde dem Rektorat Rassismus sowie Bruch der Rede- und Meinungsfreiheit vorgeworfen. Es gab auch einen „Letter of Support“, gerichtet an Rektor Johan F. Hartle, mit angeblich 600 Unterschriften. Als Unterstützer scheinen die „Movie Nights“ samt den Namen von mehreren Professorinnen der Angewandten auf, darunter die Philosophin Antonia Birnbaum und die Kulturwissenschaftlerin Nanna Heidenreich. An deren Institut hatte Shantout angeblich einen Lehrauftrag. Bei den „Movie Nights“ sollen vornehmlich Filme von palästinensischen Regisseuren gezeigt worden sein, darunter Dokus, aber auch Propagandamaterial.
Das Rektorat verteidigte sich in einem Statement: „Ein Hassposting, das strafrechtlich relevant zu Gewalt und Vernichtung aufruft, gefährdet die Ziele und verletzt die Werte unserer Universität in einer Art und Weise, die nicht unwidersprochen und ohne Konsequenzen bleiben darf. Die Entlassung der Projektmitarbeiterin war daher aus unserer Sicht notwendig und wurde dem entsprechend am 9. Oktober 2024 in einem persönlichen Gespräch ausgesprochen.“ Es gebe „keinen Platz für Hass und Gewalt an der Akademie“: Die Kunstuni habe sich seit dem 7. Oktober 2023 „klar für eine Perspektive der Deeskalation, für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und für ein Ende der Gewalt ausgesprochen“.
Doch die Behauptung, dass es „keinen Platz für Hass und Gewalt an der Akademie“ gäbe, dürfte nicht stimmen. Ihr Tratschpartner wurde über diverse betrübliche Vorkommnisse (etwa Mitte Jänner beim „Rundgang“ der Akademie) unterrichtet. Von einem Beobachter erfuhr er: „Seit der Entlassung von Nour Shantout gibt es anhaltende Proteste. Das Uni-Gebäude ist mit ,Free Palestine‘-Plakaten, Schriftzügen und anderen Symbolen versehen, Studierende tragen Kufiyehs (Palästinensertücher). Die Stimmung ist insgesamt ziemlich angespannt.“ Ihr Tratschpartner versuchte, sich ein Bild von der Lage zu machen. Was nicht einfach ist. Denn das Rektorat redet das Problem konsequent klein.
Am 27. Jänner wandte er sich an die Pressesprecherin: „Ich habe gehört, dass es an der Akademie eine sehr palästinenserfreundliche Stimmung gibt. Ich würde gerne mehr darüber erfahren. Zum Beispiel über das Banner beim Akademie-Rundgang. Konkret: Welche Vorfälle gab es in letzter Zeit? Und wie reagiert das Rektorat? Welche Maßnahmen wurden ergriffen? Denn mitunter haben palästinenserfreundliche Äußerungen einen antisemitischen Beigeschmack. Vielen Dank für Ihre Darstellung!“
Die Antwort war ausweichend. Auf die Nachfrage, ob es kein Protokoll über palästinafreundliche bzw. israelkritische Aktivitäten und auch keinen Maßnahmenkatalog gebe, kam wiederum nur eine lapidare Antwort: Man werde mit Beginn des Sommersemesters „weitere Gesprächsformate“ anbieten, am 6. März soll es einen „multiperspektivischen Impulsvortrag zu Erfahrungen betroffener Personen sowie ein darauf folgender Trialog“ geben: „Trialoge sind Gesprächsformate, in denen sowohl israelische als auch palästinensische Stimmen zu Wort kommen und in Austausch mit den Beteiligten treten.“ Die Pressesprecherin weiter: „Mir ist immer noch nicht klar, was Sie mit einem ,Protokoll‘ meinen. Wer sollte zu welchem Zweck worüber genau und in welcher Form Protokoll führen?“
Nun ja, wäre Ihr Tratschpartner Rektor, würde er sich schlau machen über die vielleicht antisemitischen Vorfälle – und nicht nur den Auftrag geben, alle Spuren sogleich zu übertünchen. Eine Erhebung der Vorfälle wäre wohl auch nicht unerheblich für den jährlich erstellten Antisemitismusreport. Mithin: Ihr Tratschpartner ist der festen Überzeugung, dass der Rektor genau Auskunft geben könnte, wenn er denn wollte.
Will er aber nicht. „Selbstverständlich wissen Akademie und Rektorat über Vorkommnisse Bescheid und werden auch auf diese aufmerksam gemacht“, so die Sprecherin. Die Leitung sehe es aber nicht als ihre Aufgabe, „die Diskussionen proaktiv an eine größere Öffentlichkeit zu tragen oder feinmaschig zu überwachen“. Bei möglicherweise antisemitischen Vorfällen von „Diskussionen“ zu sprechen, grenzt schon stark an Verharmlosung.
Im Belvedere hingegen setzte Direktorin Stella Rollig ein Zeichen, das sich sogar als Akt der Zensur interpretieren lässt: Sie verzichtete auf eine weit gediehene Ausstellung von Rabbya Naseer aufgrund deren einseitiger Sicht auf den Nahostkonflikt. Die Pakistanerin, erst seit 2023 in Wien, hatte im Mai 2024 den Belvedere Art Award erhalten, der eine Ausstellung beinhaltet. In der Jury saß u. a. die designierte Mumok-Direktorin Fatima Hellberg, ebenfalls eine Palästinenser-Unterstützerin. Laut Die Presse unterrichtet Rabbya Naseer an der Bildenden ...
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