Rita Nitsch, Witwe des am Ostermontag 2022 gestorbenen Gesamtkunstwerkers, hält nicht nur das Erbe hoch: Auch in fernerer Zukunft sollen Aufführungen des Orgien Mysterien Theaters auf Basis der Partituren realisiert werden können – auf Schloss Prinzendorf, das Nitsch als ideales „Festspielhaus“ angesehen hat. Um den Genius Loci zu erhalten, machte Rita Nitsch den Vorschlag, das prächtige Anwesen dem Land Niederösterreich zu schenken – samt vielen Schüttbildern, Relikten, Installationen und Archivmaterialien. Aber sie kommt nicht wirklich weiter.
Hermann Dikowitsch, Chef der Kulturabteilung des Landes, erklärt im Gespräch mit Ihrem Tratschpartner die Gründe: „Wir betreiben in Mistelbach, wenige Kilometer von Prinzendorf entfernt, ein Museum, das wir gemeinsam mit Hermann Nitsch errichtet haben. Diese Räumlichkeiten sind sehr gut bespielbar. Das heißt: Wir stehen zu 100 Prozent hinter dem Museum – und damit hinter Nitsch. Die Übernahme des Schlosses ist derzeit kein Thema für uns.“
Wäre es nicht möglich, das Museum, Teil einer alten Fabrikanlage, anders zu bespielen – und alle Nitsch-Aktivitäten auf Prinzendorf zu konzentrieren? Dort gibt es viele Flächen für Ausstellungen. Und die Besucher könnten bei einem Rundgang über den Schüttboden, die Kapelle und die Wohnräume einen authentischen Einblick in das Leben von Nitsch gewinnen.
Dikowitsch winkt ab: „Das Land bekommt immer wieder Schlösser angeboten. Aber die Immobilien müssen ja erhalten werden. Von der Erreichbarkeit her – vom barrierefreien Zugang bis zur Anbindung an den öffentlichen Verkehr – ist das Museum in Mistelbach weit besser geeignet. In Prinzendorf wären hohe Investitionen und Adaptionen notwendig, um alle Kriterien eines modernen Museumsbetriebs zu erfüllen. Aber wir suchen weiter nach Lösungen. Vielleicht ist in Kooperation mit einem Museum für moderne Kunst und einer Kunstuniversität ein Zentrum für den Wiener Aktionismus samt Artist-in-Residence-Programm möglich? Das ist jedoch nur ein Gedankenspiel.“
Der Dorn im FPÖ-Auge
Hinzu kommt, dass die in Niederösterreich kunstaffine ÖVP im März 2023 eine Koalition mit der FPÖ eingegangen ist. Und den Freiheitlichen war Nitsch immer ein Dorn im Auge. Sie wären kaum für die Idee zu begeistern. Dikowitsch will das nicht bestätigen. Er beteuert vielmehr, dass sich „die Blauen“ nicht in die Kulturpolitik einmischen, was sich in den Regierungsbeschlüssen widerspiegele.
Und er zollt seiner Landeshauptfrau Respekt: „Johanna Mikl-Leitner kämpft für die Kunst, sie hält uns den Rücken frei. Nur so gelang es, dass wir für das Doppelbudget 2025/’26 eine Aufstockung von 169 auf 180 Millionen Euro bekommen haben.“ Trotz Sparpaketen, aber die Inflation war hoch, und es kamen neue Betriebe hinzu, darunter das KinderKunstLabor in St. Pölten und das Stadttheater in Wiener Neustadt.
Einen Vorfall gab es aber doch: Die FPÖ sprach sich gegen eine Dreijahresförderung für das Dialog-Forum Globart aus. Sie begründete dies mit der Verleihung des Globart Awards im Jahr 2019 an Carola Rackete. Die Kapitänin der Sea-Watch 3 hatte 53 Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet und war – trotz eines Verbots – die Insel Lampedusa unter Berufung auf das Nothafenrecht angelaufen.
Dikowitsch bedauert die Haltung der FPÖ, zumal das Verfahren gegen Carola Rackete längst eingestellt ist. Die Folge war, dass Globart 2024 nur in weit geringerem Umfang gefördert werden konnte. Zudem fehlt dem Verein die Planungssicherheit.
Diese Causa zeigt, in welch engem Rahmen sich Dikowitsch bewegen muss. Umgekehrt versteht er es, ihn zu nutzen: Soeben wurde von Christine Gironcoli ein bedeutender Teilnachlass ihres 2010 verstorbenen Mannes als Schenkung übernommen. Bruno Gironcoli war zwar Kärntner, geboren 1936 in Villach, und wirkte in Wien (er folgte 1977 auf Fritz Wotruba als Leiter der Bildhauereiklasse der Akademie der bildenden Künste). Aber sein großes Atelier war in Maria Ellend bei Fischamend, wo er mit der Familie lebte.
„Wir hatten – neben vielen Zeichnungen – bereits zwei Skulpturen von Gironcoli. Die eine steht vor der Landesgalerie in Krems, die andere vor dem Landesklinikum in St. Pölten“, erklärt Dikowitsch. „In einem ersten Schritt haben wir 2024 eine dritte Skulptur erworben.“
Mit diesem Ankauf half das Land der Witwe aus Geldnöten. Knapp zwei Jahrzehnte lang waren dank einer Förderung des Bundes die Werke von Gironcoli auf Schloss Herberstein in der Steiermark geparkt. 2021 wollten die Schlossbesitzer die Flächen anders nutzen. Von da an fielen enorme Lagerkosten an. Gironcoli wandte sich mehrfach und verzweifelt an den Bund und die Stadt Wien, blitzte aber bei Andrea Mayer, Kulturstaatssekretärin bis zum Herbst (Grüne), und bei Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) ab.
So kam es, dass Niederösterreich jetzt 19 Gussmodelle erhielt. Diese sind zwar nicht außenraumtauglich, aber für fünf Modelle wurden Abgussrechte eingeräumt. „Wir haben noch keinen dauerhaften Präsentationsort“, sagt Dikowitsch. „Uns war zunächst wichtig, diese Skulpturen, die einen Überblick über Gironcolis Schaffen geben, für unsere Sammlungen zu sichern.“ Worauf Ihrem Tratschpartner gleich die große Halle in Mistelbach einfällt. Diese wäre für Gironcoli geradezu prädestiniert. Dikowitsch schluckt kurz: „Das ist derzeit kein Thema.“
Viel Luft nach oben
Es gibt noch ein Künstlermuseum – in Baden. Überrannt wird das Arnulf Rainer Museum leider nicht: 2024 zählte man nur etwa 12.000 Besuche. „Ja, natürlich, da gibt es Luft nach oben“, räumt Dikowitsch ein. Viele Jahre lang wurde das Frauenbad von Arnulf Rainer und seiner Familie bespielt: „Georg Baselitz und Markus Lüpertz wurden gezeigt, das war sensationell! Aber Faktum war, dass sich Arnulf Rainer in den letzten Jahren nicht mehr einbringen konnte. Ich bin daher froh, dass das Museum jetzt mit der Sammlung Helmut Zambo, die vom Land übernommen wurde, bespielt wird. Es wird drei Jahresausstellungen geben, und das geschieht im besten Einvernehmen mit der Familie Rainer. Das ist mir besonders wichtig.“
Aber zahlt sich überhaupt ein eigenes Rainer-Museum aus? Das Budget beträgt rund 800.000 Euro: 220.000 kommen von der Stadt (die im gleichen Atemzug 100.000 Euro für die Miete verlangt), 510.000 vom Land, der schmale Rest sind Erlöse. Man werde Maßnahmen setzen, um die Frequenz zu erhöhen, beteuert Dikowitsch. „Denn eines muss man klar sagen: Der Standort ist genial.“
Und dann lenkt Dikowitsch geschickt auf das diesjährige Programm der Kulturabteilung: „Wir haben es unter das Motto ,Erinnern für die Zukunft‘ gestellt und beschäftigen uns in Ausstellungen und Symposien mit den großen Jahrestagen: 80 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg, 70 Jahre Staatsvertrag, 30 Jahre EU-Beitritt und so weiter. Die Botschaft lautet: Es liegt an uns, alles dafür zu tun, damit wir uns in einem gemeinsamen Europa positiv und in Frieden weiterentwickeln.“ Ein Gutteil der Ausstellungen (etwa im Haus der Geschichte NÖ und in der ehemaligen Synagoge St. Pölten) werden im April eröffnet, der Festakt folgt am 8. Mai um 11.30 Uhr im Festspielhaus St. Pölten.
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