Trenklers Tratsch: Warum Sänger hirnlose Marionetten werden

Trenklers Tratsch: Warum Sänger hirnlose Marionetten werden
Ein eklatanter Misstand: Sängerinnen und Sänger lassen sich erniedrigen und ausbeuten - nur um auftreten zu können.

Vor ein paar Tagen erfuhr Ihr Tratschpartner von einer jungen Sängerin, die richtig ausgenützt worden war. Er nahm daraufhin Kontakt auf. Und sie schüttete ihm ihr Herz aus. Doch sie sprach nicht so sehr über sich, sondern über die generelle Situation, in der sich ihresgleichen am Start einer erhofften Karriere befindet. Unabhängig von der Pandemie.

Sie beobachte nicht nur an sich selbst, „sondern an vielen Kollegen und Kolleginnen, dass man sich, wenn man lange genug schäbig behandelt wird, auf merkwürdige Weise daran gewöhnt“ – und langsam anzweifelt, ein Anrecht auf einen besseren Umgang zu haben. „Es sind aus meiner Sicht die absoluten Machtverhältnisse, die den Kulturbetrieb vergiften.“ Der Intendant oder Regisseur („noch gefährlicher, wenn es sich um eine einzige Person handelt“), manchmal auch der Generalmusikdirektor oder Dirigent könnten mit den Sängern und Sängerinnen machen, was sie wollen: „Wer sich wehrt oder nicht hingebungsvoll genug mitspielt, wird eben nicht mehr engagiert und sehr oft auch noch verleumdet.“

Die Chefitäten (auch Frauen!) würden oft nur nette und gefügige Personen beschäftigen. Daher hätten sich viele Künstler angewöhnt, ihre Intelligenz zu verbergen. Damit sich eben der Regisseur „keinesfalls bedroht fühlen könnte“. Sie seien aber keineswegs die „hirnlosen Marionetten“, als die man sie herumscheucht: Wenn man sie fragte, hätten sie viel Kluges zu sagen.

Hinzu komme, dass die Organisatoren die Sängerinnen und Sänger leicht gegeneinander ausspielen können – oder animieren, sich gegenseitig zu unterbieten. Weil es darum geht, ein Engagement zu bekommen oder zu behalten. Das alles sei natürlich nur möglich, weil so viele „auf einen längst überfüllten Markt drängen“.

Und es gebe viele, die daraus Profit schlagen: „So haben es sich zum Beispiel Agenturen zur Gewohnheit gemacht, sich von den Sängern für die Möglichkeit eines Vorsingens bezahlen zu lassen.“ Dieser von verzweifelt nach Auftrittsmöglichkeiten suchenden Künstlerinnen und Künstlern eingehobene „Unkostenbeitrag“ – angeblich nur für die Saalmiete und den Korrepetitor – genüge wohl in etlichen Fällen, um das Überleben der Agentur zu sichern, ohne dass diese tatsächlich irgendjemandem einen Job vermitteln müsste. „An die immer teureren Vorsing-Trainings in einer Zeit, in der es so gut wie keine seriösen Vorsingen gibt, möchte ich gar nicht denken.“

Einige Agenturen hätten noch eine weitere Einnahmequelle entdeckt: Man sagt „eine große Karriere voraus und freut sich auf die künftige Zusammenarbeit“, aber die Schützlinge müssten vorher noch einige sehr wichtige, von der Agentur organisierte Coachings besuchen und teuer bezahlen, bevor man sie an ein Theater zum Vorsingen schicken könne.

Aber auch unter denen, die es in den regulären Theaterbetrieb geschafft haben, waren Existenzängste schon vor Corona allgegenwärtig. Sänger seien bereit, „für immer weniger Geld unter immer noch schwierigeren Umständen“ zu arbeiten, um überhaupt irgendwie durchzukommen. „Und das nach einer Ausbildung, die im Schnitt zehn Jahre dauert.“

Und dann endet die junge Sängerin ihren bitteren Bericht mit dem Satz: „Sie würden sich wundern, wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen dank Lockdown die Zeit gefunden haben, über ihre Situation nachzudenken, und sich umgehend und ohne Reue einem neuen Beruf zugewandt haben.“

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