Ioan Holender, von einer gefürchteten Kritikerin einst als "dahergelaufener Rumäne" bezeichnet, ist längst ein Paradeösterreicher: Er hat ein kleines Appartement in Lech, wo er die Zeit des Lockdowns verbrachte, und eine ebenerdige Wohnung samt Garten in Krumpendorf am Wörthersee. Nein, kein protziger Besitz – und auch nicht direkt am Wasser. Dort verbringt er, braun gebrannt wie immer, den Sommer.
Am Samstag wird er, was natürlich nicht zu glauben ist, 85 Jahre alt. Und so empfängt er mich zur Mittagszeit auf der Terrasse. Angelika Holender, seine zweite Frau, hat Goldbrassen gebraten. Auch die gemeinsamen Kinder sitzen am Tisch: Liviu, liiert mit einer Sopranistin aus Guatemala, ist als Bariton an der Oper Frankfurt engagiert. Und Alina "lebt", meint der Vater, fürs Cellospiel. Während des langen Gesprächs wird man sie aus einem Zimmer üben hören. Aaron, der Hund liegt im Schatten.
Angelika Holender bringt noch Kaffee und Kuchen. Dann geht sie Tennis spielen. Nein, sagt der ehemalige Staatsoperndirektor, er spiele seit heuer nicht mehr. "Denn ich will nicht der Schwächste sein. Und das wäre ich." Sein Ehrgeiz hat sich also verlagert: Er liest gerade "Die Brüder Karamasow".
Charmeur und Macho
Im knappen Tennis-Outfit verabschiedet sich seine Frau, 24 Jahre jünger als er, von uns. Und Holender strahlt sie mit seinen blitzblauen Augen an. Er meint, es gebe nur zwei Kategorien von Frauen: Die, mit denen man will. Und die, mit denen man nicht will. Zu welcher Kategorie Angelika gehört, verhehlt er, der Charmeur und Old-School-Macho, nicht. Dieses offenherzige Bekenntnis macht Holender, seit 30 Jahren mit ihr verheiratet, in einem sehr amüsanten Porträt von Eric Schulz, das "ServusTV" heute um 22.10 Uhr ausstrahlt.
Eigentlich wollte Holender das Studium am Polytechnischen Institut in Timişoara beenden und Ingenieur für Dampfmaschinen werden. Aber er wurde exmatrikuliert – weil er sich 1956 an einem Studentenaufstand beteiligt hatte. Unwissentlich, wie er sagt: "Ich ging nicht mit revolutionären Absichten zu dieser Veranstaltung." Er hätte mit dem Marxismus sympathisiert, der eine Alternative "nach der rechtsfaschistischen, antisemitischen Zeit in Rumänien" gewesen sei. "Ich hieß den Kommunismus gut." Obwohl die Marmeladen- und Essigfabrik seines Vater 1948 enteignet worden war.
Weil er auch auf keine andere Hochschule mehr gehen konnte, floh Holender 1959 zur Mutter nach Wien. 1.000 Dollar waren für die Ausreisegenehmigung zu bezahlen gewesen. Und in Österreich wurde er zum Sänger: "Das war mein anständigster Erwerb: Ich wurde für meine eigene Leistung und mein Können bezahlt. Aber auch dieser Beruf ging nur fünf Jahre."
Zunächst war er als "Holi-Holender" in Klagenfurt engagiert. Die Frauenherzen flogen ihm zu, er hatte Verhältnisse ohne Ende: Der strahlende Held brauchte nur im Strandbad auftauchen. "Der Holi-Holender – der Künstlername schreit ja nach Tenor – war ja jemand."
Doch er war "nur" Bariton. Frauen, die er nicht erhörte, machten ihm einen Strich durch die Karriere. Und in Klagenfurt "picken bleiben": Das wollte er nicht. Also sattelte er um: Holender arbeitete in Wien für die Opernagentur Starka, die er später übernahm, und dirigierte von außen als "graue Eminenz" in die Staatsoper hinein. Weil er damals Talente "von Placido Domingo abwärts" an der Hand hatte.
Nackt mit dem Kanzler
Holender spielte zwar nicht Bridge, wie ihm vom Vater geraten worden war, um in die beste Gesellschaft hineinzukommen, aber Tennis. "Und es half auch." Durch Protektion kam er in den elitären Vienna Tennis Club. "Dass man dafür zahlen muss, war im kommunistischen Rumänien undenkbar. Aber ich spielte gratis in der Kampfmannschaft. Einmal war der damalige Bundeskanzler, Bruno Kreisky, ohne seinen Partner und Bodyguard dort. Und so bat er mich, mit ihm zu spielen. Er war begeistert. Denn jeder, der mit mir spielte, hatte das Gefühl, besser als sonst zu sein. Weil ich die Bälle zuspielte. Ich hatte zwar keine Vorteile davon, dass ich Kreisky kannte. Aber ich konnte damit angeben."
Mit der Zeit lernte er viele mächtige Männer kennen. Darunter Franz Vranitzky, Kreiskys Nachfolger, und Casino-Chef Leo Wallner. Es gab etliche legendäre Doppel-Partien: Die beiden gegen Holender und Eberhard Waechter. Allianzen seien keine geschmiedet worden, aber Sympathien hätten sich entwickelt: "Gemeinsam nackt in der Dusche hat man eine andere Nähe zum Bundeskanzler."
Waechter war Chef der Volksoper. "Ich habe ihm viele Sänger vermittelt. Und ich habe mich bemüht, dass er Staatsoperndirektor wird. Damit ich ihm Sänger verkaufen kann." Wunschkandidat Alexander Pereira hätte sich, erzählt Holender, selbst eliminiert. Denn er soll geäußert haben, keine Betriebsräte zu brauchen. Und dann, 1988, bot man tatsächlich Waechter den Job an. "Er rief mich an: ,Ich mach das, aber nur mit dir! Die werden die Kröte schon schlucken. Sag schnell ja, denn ich ruf von einem Münztelefon an, und der Schilling ist gleich weg.‘"
Das Team begann im Herbst 1991. Und Waechter war eigentlich nur die Volksoper wichtig: "Das war sein Herzbinkerl." Daher blieb Holender, der die Agentur um "ganz gutes Geld" verkauft hatte, als "Generalsekretär" die Staatsoper. Bereits ein halbes Jahr später, im März 1992, starb Waechter völlig überraschend. Vranitzky bat ihn, die Geschäfte allein fortzuführen. Holender brauchte keine Nacht, um darüber zu schlafen. Und er zierte sich auch nicht.
Der blöde Opernball
Holender brachte Opern, die selten gespielt oder vergessen wurden, darunter "La Juive" oder "Peter Grimes" oder "Gesualdo" oder "Stiffelio". Er gab etliche Uraufführungen in Auftrag. Er stellte ein Zelt für die Kinderoper aufs Dach, brachte die "Zauberflöte" für junges Publikum. Und der "blöde Opernball" war ihm immer ein Dorn im Auge: Er wollte Hannes Jagerhofer mit der Organisation beauftragen und Dagmar Koller verhindern, er matchte sich mit Elisabeth Gürtler, wurde immer wieder zur Weißglut getrieben – und torpedierte die Pressekonferenzen, weil sie besser besucht waren als seine eigenen. Der Opernball: Das wäre ein eigenes Interview wert!
Holender stritt mit den Wiener Philharmonikern, weil er nicht dulden wollte, dass die Musiker Substitute zur Vorstellung schickten. Er brachte Stars, darunter Luciano Pavarotti – zum Schluss sogar noch mit einer neuen Rolle, Andrea Chénier. Das war nicht ganz einfach: "Pavarotti forderte eine zweite Pause: ,Oder ich singe nicht.‘ Also wurde eine zweite Pause gemacht, die ,Pavarotti-Pause‘. Sie gibt es noch immer, obwohl sie im ursprünglichen Regie-Konzept gar nicht vorgesehen war."
Er engagierte als erste Dirigentin der Staatsoper Simone Young, er ließ Anna Netrebko glänzen, er entdeckte viele Talente – wie Elīna Garanča und Krassimira Stojanowa.
Bevorzugte er Frauen, mit denen er gewollt hätte? Als Agent war er, wie er grinsend eingesteht, kein Kostverächter. "Als Arbeitgeber wusste ich, dass ich Distanz halten muss. Die gesamte Zeit über war ich mit niemandem per Du. Es gab keine Besetzungscouch. Nicht in der Oper."
Holender blieb 19 Jahre – bis 2010. Warum nicht 20? "Ja, schon komisch. Ich war bei der damaligen Kulturministerin, Claudia Schmied. Sie sagte, sie hätte sich überlegt, mir ein Ehrenjahr zu geben. Aber anstatt ‚Küss die Hand!‘ zu sagen, sagte ich ohne zu denken: ‚Wenn ich mir in 19 Jahren keine Ehre erworben habe, wird es mir in einem zusätzlichen Jahr auch nicht gelingen.‘ Damit war die Sache vorbei."
Sein Nachfolger wurde Dominique Meyer. Jetzt, nach dessen Vertragsende, gestattet sich Holender ein Resümee: "Er wollte nichts – außer Staatsoperndirektor zu sein. Ich habe den Nationalsozialismus thematisiert, die Rolle von Karl Böhm und so weiter. Er hingegen hat die Staatsoper entpolitisiert."
Und nun folgt Bogdan Roščić. Gerüchteweise gibt Holender ihm Ezzes. Doch der ehemalige Sängeragent wiegelt ab: "Im Unterschied zu meinem Nachfolger hat er das Gespräch mit mir gesucht. Aber ich bin nicht Berater – und will es auch nicht. Er hat ja auch einen Besetzungschef engagiert."
Holender macht lieber seine Sendungen. Dietrich Mateschitz hatte ihm vor zehn Jahren angeboten, für Servus TV durch die Welt der Hochkultur zu reisen: "Das ist mein drittes Leben." Und weiterhin zieht Holender im Hintergrund die Fäden. Aber das ist eine andere Geschichte.
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