Tobias Pötzelsberger: "Die Blockflöte habe ich schreiend abgelehnt"
Tobias Pötzelsberger. Das ist der stets freundliche meistens souveräne ORF-Moderator, der Ihnen entgegen lächelt, wenn Sie um 19.30 Uhr den Fernseher einschalten. Wenn er arbeitet, schaut man ihm gerne zu, weil er meist angenehm unaufgeregt die Schlagzeilen des Tages präsentiert. Auch im Dauerstress scheint er keinerlei Hektik zu kennen, wie man beim sechs (!) Stunden-TV-Marathon, in dem er live im ORF die Ibiza-Regierungskrise abwickelte, sehen konnte.
Dass Pötzelsberger auch gut singen und Gitarre spielen kann, hat sich zwar bereits herumgesprochen, aber wissen vielleicht noch nicht alle im Land. Das soll sich mit der Veröffentlichung seines neuen Albums „Prudence“ aber ändern. Es ist aber nicht sein Debüt, denn der 41-Jährige veröffentlichte bereits mit seiner ersten Band The More or The Less zwei Platten. Nach zwölf Jahren gibt es nun neues Material, das er unter dem Namen Tobias Poetzelsberger veröffentlicht.
KURIER: Warum wurde aus Pötzelsberger Poetzelsberger? Was steckt hinter dieser kleinen Namensänderung?
Tobias Pötzelsberger: Ich wollte zumindest symbolisch den Fernsehmann ein wenig vom Musiker trennen.
Auf „Prudence“ besingen Sie den Umgang mit dem Scheitern. Was war der Anlass?
Ich setze mich schon länger mit dem Scheitern und dem Umgang mit Fehlern auseinander, das hat begonnen mit Internet-Talks, bei denen Menschen über ihre Niederlagen berichten und was sie daraus gelernt haben. Scheitern begleitet einen ja ständig – ich merke das oft etwa beim Tennis (lacht). Oder Kindererziehung, auch das ist manchmal „Trial and Error“. Die Frage ist, wie man damit umgeht, und das ist ein wiederkehrendes Motiv auf diesem Album. Mein Song „Old man’s heart“ erzählt etwa von einem Freund, der in der Trunkenheit oft wahnsinnig dumme Dinge tut und nichts daraus lernt. Erstaunlich, wie idiotisch sich gerade Männer mitunter verhalten können.
Fehler einzugestehen, gehört nicht gerade zu jenen Dingen, die Menschen gut können. Vor allem Männer tun sich schwer damit.
Ja, viele Männer tun sich schwer damit. Ich denke, Frauen sind diesbezüglich oft weiser und besonnener. Männer haben oft auch noch Probleme, Gefühle zu zeigen, darüber zu sprechen, wenn es ihnen nicht gut geht. Der Mann muss stark und belastbar sein, so geht leider das alte Credo.
Stimmt es, dass Ihre Mutter Sie gezwungen hat, ein Instrument zu lernen?
Gezwungen ist vielleicht das falsche Wort. Die Blockflöte habe ich schreiend abgelehnt. Die Gitarre hat mir am Anfang auch nicht wirklich gefallen. Aber meine Mama war sehr dahinter, dass ich übe. Als ich das Album „Eric Clapton Unplugged“ entdeckt habe, haben ein Freund und ich uns vorgenommen, das Album auswendig spielen zu können. Und wenn man das Album beherrscht, dann kann man schon ziemlich gut Gitarre spielen.
Mit welcher Musik sind Sie aufgewachsen, und welche Musik hören Sie privat?
Ich bin mit den Beatles und Reinhard Mey aufgewachsen. Die Beatles hat mein Papa gehört, Reinhard Mey meine Mama. Seitdem bin ich ein großer Beatles-Fan. Von dort ist es nicht mehr weit zu Simon & Garfunkel, Conor Oberst, Death Cab for Cutie und vielen anderen Bands und Singer-Songwritern aus dem britischen und US-amerikanischen Raum. Diese Musik höre ich privat, deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass einige Songs auf dem Album an US-Folk-Veröffentlichungen erinnern.
Seit Ihrem letzten Album sind zwölf Jahre vergangen. Haben Sie das Veröffentlichen neuer Musik vermisst?
Nein. Ich mache Musik, weil es mir guttut. Es ist wie Seelenbalsam. Ich mache es nicht, um erfolgreich zu sein, sondern weil ich beim Musikmachen Trost und Geborgenheit finde. In den letzten Jahren habe ich ständig Musik gemacht, aber eben nur für mich selbst: Ich habe Lieder geschrieben, fast jeden Tag Gitarre gespielt. Aber aufgrund äußerer Umstände wie Arbeit und Familie, habe ich es nicht geschafft, ins Studio zu gehen und das professionell aufzunehmen.
Neun Songs sind auf dem Album. Hatten Sie nach zwölf Jahren nicht mehr Material?
Ich bin beim Songwriting etwas langsam, habe aber über die Jahre sicher 30 bis 40 Songskizzen erarbeitet. Einiges ist meinem hohen Anspruch an mich selbst zum Opfer gefallen. Schlussendlich habe ich das Ausgangsmaterial auf neun Songs heruntergekocht. Die Lieder sollten untereinander auch stilistisch stimmig sein. Das ist glaub ich jetzt gelungen, und meine Experimente in Richtung Elektronik oder noch mehr Country und Folk schlummern auf der Festplatte (lacht).
Wer hat Sie beim Produzieren des Albums unterstützt?
Mein großartiger Produzent Niklas Apfel, der bereits mit vielen heimischen Musikern zusammengearbeitet hat. Er und ich haben das gesamte Album fast allein eingespielt, denn Niklas kann fast alles spielen: Gitarre, Klavier, Schlagzeug, Bass und so weiter. Wir waren also fast nur zu zweit im Studio. Live wird Fabian Holoubek den Bass spielen, mein alter Freund Lukas Froschauer spielt Klavier. Und dann gibt es noch den großartigen Schlagzeuger David Eibl, den mir meine Nachbarin, die Sängerin Ina Regen, empfohlen hat.
Sie moderieren die meistgesehene Nachrichtensendung Österreichs. Ein Vorteil oder eher ein Nachteil?
Einerseits ist es ein Vorteil, weil man als ZiB-Moderator zur Primetime gesehen wird und deshalb viele Menschen im Land einen kennen. Diese Bekanntheit kann vielleicht manchmal auch ein Nachteil werden, wenn Missgunst ins Spiel kommt. Bislang merke ich aber viel Wohlwollen. Natürlich ist es für viele ungewöhnlich. Von einem Nachrichtenmoderator würde man sich wohl eher ein Sachbuch erwarten als ein Popalbum.
Zuletzt gab es Aufregung um die Nebeneinkünfte von ORF-Angestellten. Haben Sie diesbezüglich alles mit Ihrem Arbeitgeber abgeklärt?
Alles ist Compliance-geprüft und vom ORF genehmigt. Nebeneinnahmen kann ich aber ohnehin nicht erwarten – die Produktion war teuer. Aber darum geht es nicht und ich will überhaupt nicht jammern. Andere Leute kaufen sich ein teures Rennrad, ich bezahle ein Tonstudio und nehme ein Album auf. Grundsätzlich hat sich der Markt völlig verändert: Kaum jemand kauft noch CDs, viele hören Musik im Internet. Ich sehe bei vielen Musiker-Freunden, dass sie meist nur noch mit Livekonzerten Geld verdienen, aber auch dieser Markt ist schwieriger geworden.
Haben Sie schon auf Spotify nachgesehen, wo Ihre Songs am meisten gestreamt werden?
Ja, und das hat mich auch überrascht. Denn die zweite Single „Play it cool“ wird derzeit am häufigsten in den USA gehört. Und an zweiter oder dritter Stelle kommt schon Kanada. Das hätte ich mir nicht erwartet, so etwas wäre früher, glaube ich, nicht möglich gewesen.
Am 29. September wird in Österreich gewählt. Davor und danach stehen Sie als Musiker auf der Bühne. Wie stressig werden die nächsten Tage?
Am Wahlsonntag arbeite ich natürlich. Am Tag danach auch. Das erste Konzert der Tour ist am Donnerstag, dem 26. September, in Linz, dann geht es tags darauf nach Salzburg und gleich wieder nach Wien. Natürlich ist das alles etwas eng, aber die Tour und die Veröffentlichung des Albums habe ich schon lange geplant, lange bevor der Wahltermin feststand. Es wird jetzt ein bisschen stressig, aber das macht nichts, denn es macht auch viel Spaß.
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