Größer geht's nicht: Wie der Hype um Taylor Swift funktioniert

Größer geht's nicht: Wie der Hype um Taylor Swift funktioniert
In einem Monat kommt der derzeit bedeutendste Popstar für drei Stadionkonzerte nach Wien. An ihr kann man blendend studieren, wie Ruhm heute funktioniert.
  • Taylor Swift löst Erdbeben aus! 
  • Taylor Swift heizt die Inflation ganzer Nationen an! 
  • Taylor Swift kann sogar die Wahl zum nächsten US-Präsidenten entscheiden!

Das Faszinierendste am Phänomen Taylor Swift ist ja weniger, dass sie ein Riesenstar ist, wie er nur alle Jahrzehnte einmal auftaucht: Das Popbusiness ist bekanntermaßen ein Durchlauferhitzer, der so lange heißläuft, bis der aktuelle Star verbrannt ist und der nächste ran muss.

Es ist vielmehr die aufgeheizte Sprache, in der dieses Phänomen verhandelt wird, die fasziniert: Derartige Erlösungsrhetorik – Swift beherrscht die Erde und das Innere ihrer Fans – war bei den Beatles noch in, dann aber in der zunehmend zynischen Welt des Superstarpops zu Recht verpönt. Nun aber ist es okay, nein: sozial erwünscht, fanatischer Swiftie zu sein.

Denn an der Hypespirale rund um den Superstar drehen alle gemeinsam mit. Und damit sind auch Akteure gemeint, die mit den jüngsten Trends des Popbusiness eigentlich wenig am Hut haben.

Besuch der jungen Dame

Wie zum Beispiel die sonst eher auf die ausgetrampelten Touristenpfade setzenden Mitarbeiter des Städtemarketings in aller Welt: Klamme Kommunen versuchen, am Erfolg Swifts mitzunaschen, indem sie auf den Hypezug aufspringen. Der Star bringt nämlich jeder Tourstation Geld und dazu noch Aufmerksamkeit, die man sich sonst teuer erkaufen müsste.

Die Konzerte Swifts bekommen so etwas von einem „Besuch der jungen Dame“ im Dürrenmatt’schen Sinn: Die Gemeinde hält die Hand auf und schaut, ob nicht ein paar Goldstücke abfallen. So meldeten Seattle und Edinburgh und Los Angeles und London und Liverpool und Zürich und Lissabon (und so weiter) allesamt, dass bei den jeweiligen Swift-Konzerten die Erde gebebt habe. Brav!

Auch die Auswirkungen der Konzerte auf die Hotelpreise (sie steigen!) werden artig rapportiert. Das nützt den Gemeinden fürs Eigenmarketing und fürs Image (Pittsburgh nannte sich zwei Tage lang offiziell Swiftsburgh). 

Und das nützt natürlich dem Star: Swift muss gar nichts mehr tun außer vorbeizukommen, um sofort Gratispublicity zu bekommen. Ruhm ist ab einer gewissen Flughöhe ein Perpetuum mobile, das von selbst immer weiter läuft.

Und Swift fliegt höher als alle anderen. Sie ist die Mutti einer riesigen Fangemeinde, die jedes Wort auch ihres ausufernden neuen Albums „The Tortured Poets Department“ auf Lebensmottotauglichkeit hin abklopft. 

Sie ist zum eigenen Medienformat geworden wie einst Lady Diana oder „Golden Girl“ Betty White.

Sie ist, das geht heutzutage offenbar nicht anders, politischer Reibepunkt und Zentrum zahlloser Verschwörungsfanatikerfantasien.

Und sie beschäftigt selbst die Zentralbanker, die Swifts Konzerttermine aus den Inflationsdaten rausrechnen müssen: Die für ein, zwei Tage erhöhten Hotelpreise landen sonst im Warenkorb und bauschen die Teuerung auf.

Apropos aufbauschen: In Wien sind es mehr als 150.000 Besucher bei drei natürlich längst ausverkauften Konzerten (am 8., 9. und 10. August). Was aber, verglichen mit der Gesamtnächtigungszahl, auch wieder nicht nach einem vorderhand spielentscheidenden Tourismusfaktor klingt: 17 Millionen Gästenächtigungen gab es 2023 in Wien. Selbst wenn alle Konzertbesucher eine Nacht im Hotel schlafen, wären sie nur rund ein Prozent der jährlichen Gesamttouristen.

Welch ein Selbstläufer der Hype um Frau Swift ist, zeigt auch, dass niemand über den Wirtschaftsfaktor der knapp nach Swift in Wien vorgesehenen Coldplay-Konzerte spricht – auch wenn diese sogar eines mehr, nämlich vier spielen.

Positiv

Aber so – über gute Erzählungen – funktioniert halt das Popbusiness. Und Taylor Swift ist derzeit die mit Abstand beste Erzählung, die es hier gibt. Sie hat ein goldenes Händchen für Hits bewiesen, ist – außer in den Augen des Narrensaums – skandalresistent und vor allem ein emotionaler Anker für ganz viele Menschen in schwierigen Lebensphasen. Dass sie mit diesem Angebot – das auch viele andere Popstars im Repertoire haben – zum Megastar wurde, ist auch den „Der Gewinner kriegt alles“-Mechanismen der Charts und der Sozialen Medien zu verdanken: Wer viel gehört und geklickt wird, scheint öfter auf – und wird noch mehr gehört und geklickt. 

Es ist das Jahr der Taylor Swift. Drei Tage davon verbringt sie in Wien.

Kommentare