Wo ließ Taylor Swift die Muskeln spielen?
Manchmal grübeln Musikkritiker, warum Taylor Swift eigentlich als feministisches Vorbild gilt. An ihren Songtexten, die zum Großteil Männern nachtrauern, könne es ja irgendwie nicht liegen. Die Antwort liegt auch nicht unbedingt in Swifts Schaffen. Sie liegt viel mehr in den Kämpfen, die die Popsängerin schon ausgefochten hat – und vor allem, wie sie sie ausgefochten hat. Dass ihr dabei meist egal war, wie sympathisch sie rüberkommt, ist eine Qualität, die, nun ja, meistens Männern zugeschrieben wird.
Der erste Clinch war wahrscheinlich auch jener mit der größten Öffentlichkeit: Swift nahm 2009 den MTV Music Award für das beste Video („You belong to me“) entgegen. Den Moment des Triumphs störte der Rapper Kanye West, der auf die Bühne stürmte, ihr das Mikro wegnahm und sagte, der Preis gebühre Beyoncé. Ein peinlicher Augenblick, den die Sängerin rechtschaffen verblüfft überspielte.
Immer Drama
Danach geriet sie aber in eine kindische Versöhnung-Nein-Doch-Nicht-Spirale, auch angetrieben von Wests damaliger Ehefrau, Kim Kardashian, als Realitystar immer auf der Suche nach Drama. Dieses gipfelte im Song „Famous“, in dem West singt „I made that bitch famous“. Swift rächte sich mit dem Album „Reputation“, der Song „This is why we can’t have nice things“ ist eine unverhohlene Abrechnung mit West. „Reputation“ ist eine der umjubelten „Eras“ ihrer Tour. Kanye West ist heute nur mehr für diverse Verhaltensauffälligkeiten bekannt.
Schlacht um Rechte
War dieses Scharmützel noch sehr High-School-Niveau, zeigte Swift später, dass sie zu sogenannten Boss Moves fähig ist. Um diese Stärke auszuspielen, musste erst ein unschöner Verrat passieren. 2019 wurde das Label Big Machine Records von Scott Borchetta an Scooter Braun verkauft. Letzterer erwarb damit auch die Songrechte der ersten sechs Studio-Alben von Taylor Swift. Die Sängerin hatte davor selbst versucht, die Master-Aufnahmen zu erwerben. Das sind Endaufnahmen, die für die Herstellung der diversen Arten von Tonträgern benutzt werden. Kollegin Kelly Clarkson gab ihr auf Twitter den Tipp: „Du solltest ins Studio gehen und alle deine Songs, von denen du die Masters nicht besitzt, neu aufnehmen, genauso, wie du sie damals aufgenommen hast, aber mit brandneuem Design und einem Anreiz, so dass die Fans nur mehr diese Version kaufen und nicht mehr die alte.“
Und das war die Geburtsstunde von „Taylor’s Version“. Swift kündigte an, dass es ihr Vertrag erlaube, fünf ihrer alten Alben 2020 neu einzuspielen. Big Machine Records entschied sich dann offenbar, durch Ungut-Sein Druck auszuüben und wollte Swift nicht erlauben, ihre Songs bei den American Music Awards zu singen. Dann griff Swift zur größten Waffe, die sie hat: Sie informierte ihre Fans über „die tyrannischen Männer“, die Kontrolle über sie ausüben und die ihr ihr „Lebenswerk geraubt haben“. Scooter Braun musste zurückrudern. Im November 2020 verkaufte er die Swift-Masters dann an eine Investmentgruppe.
Geschäftstüchtige Selbstermächtigung
Alle Alben, die als „Taylor’s Version“ neu aufgenommen wurden, ermöglichten es Swift, erneut in die Charts einzusteigen, ihre Bekanntheit und Popularität noch mehr zu steigern. Dieser „Trick“, der aus Ohnmacht geboren wurde, war also nicht nur ein Akt künstlerischer Selbstermächtigung, er war auch ein sehr geschäftstüchtiger Schachzug.
2014 ließ Taylor Swift ihren kompletten Katalog vom damals noch nicht marktbeherrschenden Musikstreamingdienst Spotify entfernen. Ihre Begründung schlug im Prinzip in dieselbe Kerbe, wie ihr Kampf gegen Scooter Braun: Sie halte Spotify für ein „großes Experiment. Und ich bin nicht dazu gewillt mein Lebenswerk einem Experiment beizusteuern, von dem ich glaube, dass es Texter, Produzenten, Künstler und Schöpfer nicht fair entlohnt.“ Sie beschrieb, wie sich die Botschaft für ihre Fans anfühle: „Falls Ihr eines Tages Musik erschafft, oder ein Bild malt, dann kann jemand einfach in ein Museum laufen, es von der Wand nehmen und eine Ecke davon abreißen. Dann ist es einfach seines und er hat auch nichts dafür gezahlt'“.
Neue Front Fake-Porno
Es ging aber natürlich auch um Geld. Als sich abzeichnete, dass ein Leben als Musikstar ohne Teilnahme auf Spotify nicht realistisch ist, kehrte Swift nach zwei Jahren zurück. Ende vergangenen Jahres war sie mit 26 Milliarden Streams die Künstlerin mit den meisten Streams auf Spotify. Sie erhielt dafür über 100 Millionen US-Dollar.
Bei einem anderen Gefecht steht Swift erst am Anfang. Es könnte aber ihr gemeinnützigstes werden. Anfang des Jahres ging ein Deepfake-Porno mit ihrem Konterfei viral. Das sind durch KI hergestellte, gefälschte Videos. 47 Millionen Klicks erreichte das Video, bevor Fans rabiat wurden und Maßnahmen, vor allem von X, forderten. Swift überlegte damals eine Klage, dazu kam es bis jetzt nicht. Wohl auch, weil es in der aktuellen Gesetzeslage ohnehin nichts bringt. Allerdings könnte diese nun aufgrund des aufsehenerregenden Falls eines Megastars geändert werden. Was schließlich nicht-berühmten Opfern zugutekäme.
Übrigens hat auch diese Unannehmlichkeit Kanye West vorweggenommen. Im Video zu „Famous“ hat er Swift nackt in sein Bett gelegt – da war es noch eine Wachsfigur.
Kommentare