Starsopranistin Edita Gruberova: Die Königin in der ewigen Nacht

Starsopranistin Edita Gruberova: Die Königin in der ewigen Nacht
Die Koloratursopranistin Edita Gruberova starb 74-jährig – man konnte gar nicht anders, als die große Künstlerin zu bewundern.

Beginnen wir mit Anna Netrebko, um zu zeigen, wie grandios Edita Gruberova war. Man schrieb das Jahr 2002, Peter Ruzicka hatte gerade die Leitung der Salzburger Festspiele übernommen und eröffnete seine Intendanz mit einer Neuproduktion des „Don Giovanni“, Nikolaus Harnoncourt am Pult und Netrebko in der Partie der Donna Anna. Nach ihrer ersten Arie wurde die russische Sopranistin gefeiert wie seither niemand in Salzburg – a star was born, der Rest ist Operngeschichte.

Wenige Wochen später stand in der Wiener Staatsoper recht unspektakulär eine Wiederaufnahme der Mozart-Oper auf dem Programm, diesmal mit Edita Gruberova, 24 Jahre älter als Netrebko. Für die Rolle der jungen Donna Anna ist das mehr als eine Generation. Und was passierte? Gruberova sang diese Partie so phänomenal, so präzise in der Höhe, so berührend, ja unübertrefflich schön, dass alle, die genau hinhörten, nicht umhinkamen zuzugeben: Das ist die wahre Königin dieses Faches.

Eine Göttin in Japan

Wiederum kurz darauf fuhr die Staatsoper mit Gruberova und „Don Giovanni“ nach Japan, wo die Sängerin als Göttin gefeiert wurde. Überall war Gruberova groß, in Japan war sie am allergrößten. Sie selbst liebte auch das japanische Publikum, wenngleich sie vor der Stadt Tokio Respekt hatte: wegen der permanenten Erdbebengefahr bestand sie immer auf einem Zimmer im Erdgeschoss, was in Wolkenkratzern nicht so leicht ist. Aber das Leichte war nie ihr Ding.

Die Gruberova stammte aus Bratislava, wie so viele Talente. 1970 war sie erstmals an der Staatsoper zu hören, schon damals in einer Mozart-Oper, als Königin der Nacht. Wahrscheinlich haben wenige vor ihr (und sicher niemand nach ihr) die hohen „f’s“ derart präzise gesungen. Jetzt ist sie die Königin der ewigen Nacht, und Opernfans ist zum Weinen.

Von Wien aus startete Gruberova dann ihre Weltkarriere, mit Partien, die anderen als unsingbar gelten, in ihren Händen und in ihrem Kehlkopf aber geradezu leicht erschienen. Als Zerbinetta, der Kopfverdreherin in „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss, erreichte sie Höhen, von denen Captain Kirk nur träumen konnte (auch wenn er jetzt kurz einmal per Rakete in die Nähe kam).

Gruberovas großer Trumpf war auch die Technik: Dadurch konnte sie bis ins höhere Alter so klar wie die begabtesten Jungen singen, und noch viel klarer. Sie nahm die schwierigsten Töne aus der Partitur, schickte sie durch ihren begnadeten Körper, und sie kamen natürlich und unnatürlich schön wieder aus ihr heraus. Wer die Gruberova nicht bewunderte, hat keine Ohren, sorry, das muss gesagt sein.

Dem Belcanto treu

Eine weitere ihrer unzähligen Qualitäten war die Klugheit, ihrem Fach, dem Belcanto und der Koloratur-Akrobatik, stets treu zu bleiben und keine zerstörerischen Ausflüge in andere Sphären zu machen. Sie war die beste Lucia, die allerbeste Olympia (auch wie sie gespielt hat: einzigartig!), eine sehr gute Violetta, eine erstklassige Konstanze und vieles mehr.

Sie setzte sich auch sehr für Opern von Bellini oder Donizetti ein, gemeinsam mit ihrem späteren Lebenspartner Friedrich Haider, dem Dirigenten. Zu den besten sängerischen Leistungen der vergangenen Jahrzehnte gehörte ihre Elisabeth in Donizettis „Roberto Devereux“, auch wie sie agierte. Diese Produktion konnte man nicht oft genug hören.

Starsopranistin Edita Gruberova: Die Königin in der ewigen Nacht

Gruberova war aber nicht nur ein Publikumsliebling in Wien und Japan, sondern auch in Mailand, München, Zürich, New York, de facto überall, wo sie auftrat. Man konnte sich ihrer Stimme, einem Naturwunder, nicht entziehen, ihrem Timbre, ihrer Phrasierungskunst, ihren Pianissimi, die kraftvoller wirkten als gebrüllte Töne so vieler anderer.

Bei manchen Nachrufen neigt man zu vielleicht zu übergroßem Lob – de mortuis nil nisi bene. Bei Gruberova ist der Autor überzeugt: Eine solche Kunst wird man Jahre, nein Jahrzehnte nicht wieder erleben. In Mozarts „Schauspieldirektor“ heißt es nicht uneitel: „Ich bin die erste Sängerin“. Gruberova war es wirklich.

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