So war Andreas Gabalier in Wien: Die Tracht geht vom Volk aus
Manchmal eröffnet sich, der Bergwanderer weiß das, an überraschender Stelle ein langer Weg nach unten. Da kann einem schwindlig werden, aber es ist auch ein Spaß, hinunter zu schauen.
Andreas Gabalier besorgt so einen Moment gleich zu Konzertbeginn: Der Mountain Man dreht die Zeit zurück, ein Countdown auf der Videowall startet im Jahr 2018 und zählt herunter. Und je weiter das abwärts geht – 1990, 1980, 1970, 1960... – , desto amüsierter fragt sich der Kulturredakteur:
Um Himmels Willen, wo wird das enden?
Es bremst sich bei 1950 ein, und das ist gut so.
Österreichs mit viel Abstand erfolgreichste Kunstfigur hat am Samstagabend in Wien vor ausverkaufter Stadthalle ihr Konzertjahr beschlossen, mit Lederhose und Geweih-Mikroständer, mit Akkordeon und flinkfingrigem Rockgitarristen.
Gleich zu Beginn ging Gabalier in die den Abend bestimmende Alpenrocker-Yogapose, eine Art umgekehrter Triumphbuckel: Knie tief gebeugt, Bauch nach oben, Arme im Jubel weggesteckt, so nahm Gabalier den ersten Applaus des aus dem Dschungel der Großstadt in den gipfelförmigen Safe Space der Stadthalle vorgedrungenen Publikums entgegen.
Die gemeinsame Aufgabe war das Schwelgen in Nostalgie, und der Schauspieler Joachim Meyerhoff hat übrigens ein wunderschönes Buch geschrieben, das „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ heißt.
So schön war’s
Zur Einstimmung gab es das, nun ja, Bryan-Adams-Cover „Verdammt lang her“, das den gefühlten Höhepunkt vieler Biografien besingt, nämlich das Leben mit zirka 16 Jahren.
Die Erinnerung, sie ist ein trügerischer Begleiter, das weiß jeder wirklich-16-Jährige. Aber für tiefgehende Gedanken über die Fiktionalität konstruierter Biografien ist wahrlich der falsche Zeitpunkt! Wir erinnern uns gemeinsam an die kleine, heile, steile Welt, die das Land nie war, an ein „Dahoam“, das sich als Schutzwall gegen die Globalisierung in den vergangenen Jahren aus der inneren Realität herausgeschält hat.
Für immer Apres Ski!
Gabalier begleitet den Trip hinunter an der Erinnerungsstraße mit freundlich-onkeligem Erzählsingsang, über Lebensfreude und Kinder und „ältere Semester“, über Alpenköniginnen und sein „Hörgerät“, das ihm während der Show mehrfach ausfiel, was aber der Performance keinen Abbruch tat.
Das Publikum sucht und findet hier die Wohligkeit des Familiengefühls, und, bitte das weiß doch jeder, je später das Familientreffen, desto größer die Chance, dass aus dem lieben Onkel eine politische Abrechnung heraussprudelt, die auch mit Nachschenken nicht zu stoppen ist. So auch hier, Onkel Andreas setzte mitten in der Show dazu an, zwei Wiener Medien an den Pranger zu stellen, die, bitteeinwahnsinnistdas, kritisch über ihn berichtet hatten, nur weil er die Töchter aus der Hymne aussparte.
Wie lustig, er veränderte die Namen dieser Medien zu „Standort“ und „Flater“, sagte, dass ihm eh noch Ochs und Esel in der Krippe fehlen, beklagte die Presseförderung in Millionenhöhe, und besang danach den Wert, seine eigene Meinung zu haben, so lange es halt die von Gabalier ist.
Auch am höchsten Gipfel des Erfolges läuft man Gefahr, neben Jausenbrot und Flachmann die niedrigsten Gefühle im Rucksackerl mitzuschleppen, das ist doch schade. Vom nächsthöheren Gipfel aus vermeint man Helene Fischer herüberrufen zu hören, dass man das doch nicht nötig hat.
Egal, Zeit für den Abstieg, der dauert insgesamt drei Stunden, und die Fans waren laut Facebookposts am nächsten Tag restlos begeistert.
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